Straßenbaumtest Berlin

Aufwertung einer Berliner Straße durch Baumpflanzungen

Aufwertung einer Berliner Straße durch Baumpflanzungen

Stadtbäume – und hier vor allem die Straßenbäume – erbringen unverzichtbare Ökosystemleistungen u.a. im Hinblick auf den Klimaschutz und die Klimaanpassung, wie die Absenkung der Temperatur und die Schattenbildung im Sommer. Insofern bedeuten Bäume für innerstädtische Stadtquartiere eine wesentliche Lebensqualität. Ferner erfüllen sie diverse weitere Wohlfahrtswirkungen wie beispielsweise als Biotop, CO2-Speicher und Feinstaubfilter. Schließlich sind baumbestandene Straßen auch einfach schöner.

Damit die Bäume gedeihen können, sind allerdings die Bedingungen des zukünftigen Standorts zu beachten. Die Auswahl der Bäume ist entsprechend darauf abzustimmen.

Zustand der Berliner Straßenbäume

Berlin verfügt über einen Bestand von über 430.000 Straßenbäumen (Stand: 31.12.2023).

Die Situation der Berliner Straßenbäume ist allerdings besorgniserregend. Der zuletzt mit Stand 2020 veröffentlichte Straßenbaum-Zustandsbericht hat eine bedeutende Zustandsverschlechterung der Bäume in fast allen Berliner Bezirken nachgewiesen. Etwa 57 % der Straßenbäume weisen Kronenschäden auf. Für die Lösung des Problems sind allzu schnelle, einfache und nicht nachhaltige Lösungen stets kritisch zu hinterfragen.

Die Begriffe „Zukunftsbaum“ oder „Klimabaum“ sind in diesen Zeiten der klimatischen Extreme beliebte Begriffe, um zu suggerieren, dass es Baumarten (= Gattungen, Arten, Sorten) gibt, die sämtliche Bedingungen am innerstädtischen Standort – insbesondere an dem Standort „Stadtstraße“ – aushalten können. Damit wird jedoch eine falsche Erwartung geweckt. Auch in Zukunft wird es keine Baumart geben, die den vielfältigen Herausforderungen am Straßenstandort ganz ohne Schaden begegnen kann. Vermehrte Phasen von Hitze, starker Strahlung und Trockenheit, extreme Starkregenereignisse und heftige Stürme, aber auch die sonstigen schwierigen Bedingungen am Straßenstandort wie Schädigungen durch Baumaßnahmen des Tief- und Hochbaus (Leitungen der Ver- und Entsorgung), Verdichtungen und Versiegelungen des Bodens, Ausbringung von Salz des Winterdienstes und weitere Schadstoffe wie Reifenabrieb und Hundeurin etc. lassen keinen Straßenbaum vollkommen ohne Schäden gedeihen.

Anforderungen an Straßenbäume

Den schwierigen Lebensbedingungen – insbesondere in der Innenstadt – stehen die hohen Anforderungen, die an die Straßenbäume gestellt werden, gegenüber. Diese sind beispielsweise:

  • hohe Hitzeresistenz
  • hohe Trockenheitsresistenz
  • hohe Strahlungsresistenz
  • ausreichende Frosthärte (Spätfröste!)
  • geringe Anfälligkeit gegen Schadorganismen
  • hohe Verkehrssicherheit, das heißt u.a. geringe (Wind-) Brüchigkeit
  • geringe Anforderungen an die Pflege (Wasser und Nährstoffe, Pflegeschnitte)
  • hohe Resistenz gegen Bodenverdichtung
  • hohe Resistenz gegen Bodenversiegelung
  • hohe Industriefestigkeit
  • keine störenden, oberflächennahen Wurzeln
  • keine störenden Früchte
  • keine Dornen
  • hohe Ästhetik
  • (möglichst) hohe Biodiversität

Insofern sind Baumarten auszuwählen, die trotz der herausfordernden Bedingungen am Straßenstandort gut gedeihen und die an sie gestellten, vielfältigen Anforderungen möglichst weitgehend erfüllen können. Dabei soll keine „Natur am Tropf“, sondern Resilienz gefördert werden. Es gilt das das Prinzip „Abhärten statt Verwöhnen“, wodurch sowohl der Pflegeaufwand, als auch die Kosten dafür langfristig gesenkt werden.

Ein weiteres Ziel ist eine hohe Artenvielfalt zur Förderung der Gesundheit des Baumbestands und der Biodiversität. Dabei wird am Straßenstandort die vielfältige Kombination verschiedener Arten und Herkünfte angestrebt.

Straßenbaumliste der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz

Der Arbeitskreis Stadtbäume der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz (GALK) führt seit 1995 (Straßenbaumtest 1) bundesweit Straßenbaumtests unter besonderer Beachtung der extremen Standortbedingungen an den innerstädtischen Straßen durch. Die Straßenbaumtests sollen fundierte Aussagen über die Eignung bestimmter Baumarten und -sorten für die Verwendung als Straßenbäume auf Grundlage praktischer Erfahrungen liefern. Die Ergebnisse der Straßenbaumtests werden daher regelmäßig in die Straßenbaumliste des Arbeitskreises Stadtbäume der Bundes-GALK übernommen.

Ungarische Eiche (Quercus frainetto) in der Wolfener Straße in Marzahn-Hellersdorf

Ungarische Eiche (Quercus frainetto) in der Wolfener Straße in Marzahn-Hellersdorf

Berlin beteiligt sich an dem Straßenbaumtest 2 seit dem Jahr 2015 mit derzeit 10 Baumarten und rund 80 Bäumen, die von den Bezirksämtern benannt und im Rahmen der Stadtbaumkampagne gepflanzt wurden.

Trotz aller Testungen können mit der Liste aber keine „Superbäume“ / „Klimabäume“ uneingeschränkt empfohlen werden, denn derzeit ist nicht klar, wie sich die klimatischen Verhältnisse in der Zukunft weiter wandeln werden und welche Baumart darauf in welcher Weise reagieren wird. Auch treten immer neue Schadorganismen auf. Einfache Antworten hinsichtlich der Baumarten, die zukünftig noch verwendet werden können, gibt es nicht.

Die Präsentationen „Arbeitskreis Städtbäume der Bundes-GALK – Straßenbaumtest 2 – Ergebnisse Berlin 2024“ erhalten Sie auf Anfrage per E-Mail. Bitte wenden Sie sich an Kerstin.Ehlebracht@SenMVKU.berlin.de.

Broschüre „Zukunftsbäume für die Stadt“

Der Arbeitskreis Stadtbäume der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz (GALK) hat zusammen mit dem Bund deutscher Baumschulen (BdB) die Broschüre „Zukunftsbäume für die Stadt“ herausgegeben. Diese Broschüre gibt Empfehlungen und schlägt als Entscheidungshilfe für künftige Baumpflanzungen 65 Baumarten vor. Die Broschüre macht aber eigenes Fachwissen bei der Auswahl der Baumarten nicht obsolet. Die jeweilige Baumart ist in Abhängigkeit vom einzelnen Standort auszuwählen.
Ferner verweist die Broschüre der GALK und des BdB auf eine notwendige Vielfalt im Hinblick auf die Auswahl von Baumarten, um den Baumbestand zu stärken. Dabei spielen die sogenannten gebietsheimischen Arten am Straßenstandort mangels Eignung kaum noch eine Rolle.

Baumarten der Berliner Stadtbaumkampagne

Im Rahmen der Stadtbaumkampagne wurden bislang rund 240 verschiedene Baumarten an Berlins Straßen gepflanzt, deren Eignung zukünftig weiter auszuwerten ist.

Die Erfahrungen, die mit den einzelnen Baumarten gemacht werden, sind ein wertvoller Fundus, um Entscheidungen über die Verwendung der Baumarten zu treffen.

Die Frage stellt sich, ob hinsichtlich der Anzucht der Gehölze zukünftig neue Methoden zur Erzielung der Resilienz anzuwenden sind. Ein Ansatz wäre beispielsweise die Vermehrung von Einzelbäumen, die sich am Straßenstandort „bewährt“ – das heißt recht gesund und vital überlebt – haben.

Ein „molekulares Gedächtnis“ ermöglicht manchen Bäumen die Anpassung an wiederkehrende Stresssituationen. Allerdings reagieren die Individuen innerhalb einer Art auch durchaus unterschiedlich. Möglicherweise handelt es sich um ein Zusammenspiel von individuellen Kapazitäten und speziellen Standortbedingungen.

Eine umgebogene Robinia pseudoacacia ‚Sandraudiga‘ (Robinie ‚Sandraudiga‘) in Kreuzberg, die aus einer regionalen (privaten) Baumschule stammt.

Eine umgebogene Robinia pseudoacacia ‚Sandraudiga‘ (Robinie ‚Sandraudiga‘) in Kreuzberg, die aus einer regionalen (privaten) Baumschule stammt.

Sibirische Ulme, die (unbeabsichtigt?) an einem Extrem-Standort wächst und prächtig gedeiht.

Sibirische Ulme, die (unbeabsichtigt?) an einem Extrem-Standort wächst und prächtig gedeiht.

Fazit

Keine Baumart ist an den extremen innerstädtischen Straßenstandort voll und ganz angepasst. Insofern bilden Stadtklima, Bodenbedingungen und Standorteinflüsse große Herausforderungen. Straßenstandorte sind durch menschlichen Einfluss geschaffene Extremstrandorte, die mit dem natürlichen Standort eines Baumes – dem Wald – nicht mehr viel gemeinsam haben.

Einfache Antworten zur Baumartenwahl gibt es nicht, da der eine „Zukunftsbaum“ bzw. „Klimabaum“, der immer und überall unter den derzeitigen Klimabedingungen funktioniert, nicht existiert. Der Fokus auf wenige Arten widerspräche auch dem Ziel der biologischen Vielfalt.

Insofern besteht noch ein hoher Forschungsbedarf hinsichtlich der Wahl von Baumarten, die die künftigen klimatischen Bedingungen, die jetzt noch gar nicht vollends einzuschätzen sind, aushalten. Die Ergebnisse sind jeweils an die regionalen Gegebenheiten – wie beispielsweise der Höhe des Niederschlags, als auch an die speziellen Standortbedingungen anzupassen.