Invasive Tier- und Pflanzenarten – Neobiota in Berlin

Amerikanischer Sumpfkrebs (Procambarus clarkii)

Hinweis: Die Vermarktung lebender Exemplare invasiver gebietsfremder Krebsarten ist verboten!

Invasive gebietsfremde Arten – Worum geht es?

Im Zuge der Globalisierung gelangen zunehmend Tier- und Pflanzenarten aus ihren ursprünglichen Verbreitungsgebieten in neue Länder und Ökosysteme. Gelingt es einer Art sich zu etablieren, sich stark zu vermehren und auszubreiten, dann kann daraus in der neuen Umgebung eine Schädigung für Mensch, Natur und Wirtschaft erwachsen.

Nutria (Myocastor coypus)

Im Zusammenhang mit dem Erhalt der Biologischen Vielfalt hat die Europäischen Kommission (EU KOM) dieses wichtige Thema aufgegriffen und den Umgang mit den invasiven gebietsfremden Arten in den vergangenen Jahren durch mehrere Einzelrichtlinien und Verordnungen geregelt.

  • Kamberkrebs (Orconectes limosus); Der Amerikanische Flusskrebs bzw. Kamberkrebs stammt aus Nordamerika und ist Träger der für einheimische Krebsarten tödlichen Krebspest. Die Art wurde im 19. Jh. gezielt unter anderem in der Oder ausgesetzt und kommt heute in West- und Mitteleuropa flächendeckend vor.

    Kamberkrebs (Orconectes limosus). Der Amerikanische Flusskrebs bzw. Kamberkrebs stammt aus Nordamerika und ist Träger der für einheimische Krebsarten tödlichen Krebspest. Die Art wurde im 19. Jh. gezielt unter anderem in der Oder ausgesetzt und kommt heute in West- und Mitteleuropa flächendeckend vor.

  • Buchstaben-Schmuckschildkröte (Trachemys scripta); Buchstaben-Schmuckschildkröten mit ihren Unterarten Rotwangen-, Gelbwangen- und Cumberland-Schmuckschildkröte werden von Haltern häufig im Freiland ausgesetzt und stellen eine Bedrohung für einheimische Amphibienarten dar.

    Buchstaben-Schmuckschildkröte (Trachemys scripta). Buchstaben-Schmuckschildkröten mit ihren Unterarten Rotwangen-, Gelbwangen- und Cumberland-Schmuckschildkröte werden von Haltern häufig im Freiland ausgesetzt und stellen eine Bedrohung für einheimische Amphibienarten dar.

  • Blaubandbärbling (Pseudorasbora parva); Der Blaubandbärbling stammt ursprünglich aus Ostasien. Die Fische stehen in direkter Nahrungskonkurrenz zu heimischen Fischarten und sind darüber hinaus als Zooplankton- und Laichräuber bekannt.

    Blaubandbärbling (Pseudorasbora parva). Der Blaubandbärbling stammt ursprünglich aus Ostasien. Die Fische stehen in direkter Nahrungskonkurrenz zu heimischen Fischarten und sind darüber hinaus als Zooplankton- und Laichräuber bekannt.

  • Marmorkrebs (Procambarus fallax forma virginalis); Die Art, von der nur weibliche Individuen existieren, war zunächst als wildlebende Art unbekannt. Sie wurde im Aquarienhandel erstmals entdeckt und im Freiland ausgesetzt. Marmorkrebse vermehren sich mittels Parthenogenese (Jungfernzeugung) und sind Träger der für einheimische Krebsarten tödlichen Krebspest.

    Marmorkrebs (Procambarus fallax forma virginalis). Die Art, von der nur weibliche Individuen existieren, war zunächst als wildlebende Art unbekannt. Sie wurde im Aquarienhandel erstmals entdeckt und im Freiland ausgesetzt. Marmorkrebse vermehren sich mittels Parthenogenese (Jungfernzeugung) und sind Träger der für einheimische Krebsarten tödlichen Krebspest.

Invasive gebietsfremde Arten

  • Definitionen und Hintergründe: Was sind gebietsfremde Arten, woran macht sich fest, dass eine Art invasiv ist und um welche Arten geht es überhaupt?

    In der Wissenschaft wird von Neobiota gesprochen; im Englischen von “invasive alien species”. Dabei ist zu beachten: Mit den Begriffen “Heimat” und “heimisch”, “einbürgern” oder “Einbürgerung”, “gebietsfremd” oder “einnischen” wird die Fachsprache des Naturschutzes und der Geoökologie benutzt, die, aus diesem Zusammenhang heraus gerissen, zu falschen Schlüssen führen könnte.

    1. Es geht um Tiere (Neozoen) und Pflanzen (Neophyten), die ins Freiland gelangt sind und sich dann ohne weiteres Zutun des Menschen eingebürgert haben, sich also fortpflanzen und vermehren. Gartenpflanzen sind nicht betroffen, solange sie sich nicht so angepasst haben, dass sie sich ohne gärtnerische Hilfe vermehren und ausbreiten können. Es ist nicht vorherzusagen, inwieweit sich der Klimawandel auf die Etablierung bestimmter Arten positiv auswirken wird. Es geht um die langfristige Etablierung der Arten, ein warmer Winter ohne Frost reicht also nicht aus, um von einer eingebürgerten Art zu sprechen. Auch wenn eine Art immer wieder im Freiland eingepflanzt oder ein gebietsfremder Baum hundert Jahre alt wird, sind diese dadurch keine “Neubürger” in diesem Sinne.
    2. Neobiota sind die Arten, die seit der Entdeckung Amerikas auf unterschiedlichen Wegen, mal absichtlich und mal als blinde Passagiere nach Europa gekommen sind. Die Einstufung von Arten in diese Kategorie ist allerdings vom geografischen Standpunkt abhängig: In Europa seit dem Altertum heimische Arten sind anderswo auf dem Globus ihrerseits Neobiota und haben dort Auswirkungen auf Natur und Landschaft wie amerikanische oder asiatische Arten in Europa dies haben. Manchen von uns kommt die zeitliche Begrenzung auf das Jahr 1492 und der Entdeckung Nordamerika beliebig vor, weil Handel und Austausch auch von Saat und lebenden Tieren lange vor diesen neuen Handelsrouten über den Atlantik bereits mit Afrika und Asien bestanden. Dies betrifft in großem Umfang zahlreiche Arten, die Grundlage unserer durch Ackerbau geprägten Zivilisation sind und aus dem Nahen Osten, dem sogenannten “Fruchtbaren Halbmond”, stammen. Seit 10.000 Jahren hat der Mensch aus diesem Gebiet beispielsweise Zuchtformen des Weizens weltweit verbreitet.
    3. Biologisch invasiv sind Arten dann, wenn sie sich zum einen aggressiv vermehren und dabei das Vorkommen oder den Lebensraum heimischer Arten gefährden. Zum anderen können sie Krankheiten einschleppen, gegen die sie selber immun sind, die aber die heimische Flora und Fauna stark in Mitleidenschaft ziehen. Zum Beispiel tragen amerikanische Krebsarten die Krebspest ein, die zum Aussterben der nicht immunen europäischen Krebsarten führt und sich auch auf andere Artengruppen negativ auswirken kann.
      Invasive Arten bringen biologische Wettbewerbsvorteile aus ihren Heimatregionen mit, die sie in die Lage versetzen konkurrenzstärker zu sein, beispielsweise blühen sie früher oder länger, fruchten stärker, verbreiten ihre Samen effektiver, haben keine Feinde, sind an Trockenperioden angepasst, wärmere Sommer begünstigen die wärmeliebenden Arten unter ihnen und im Zusammenwirken der Faktoren verdrängen sie dadurch heimische Arten. Hierbei ist nichts statisch, weil ihre genetische Anpassung in der neuen Umgebung oder Wechselwirkungen auch mit anderen Neobiota nicht auszuschließen sind. Bei den Pflanzen geht es in der Regel um Sonnenlicht, Wasser, Bodennährstoffe und geeigneten Wuchsraum. Arten, die sich hier nicht durchsetzen, werden verdrängt. Dieses Zusammenspiel gibt es auch zwischen den Alteingesessenen und innerhalb einer Art zum Beispiel bei genetischen Variabilitäten. Das Alleinstellungsmerkmal einiger Neobiota ist allerdings, dass sie zu einer dauerhaften Verschiebung in den Ökosystemen führen und die Verdrängung heimischer Arten nicht mehr umzukehren ist.
      Eine Bewertung der Neobiota ist vor allem dann schwierig, wenn sie sich dort “einnischen”, wie die Biologen sagen, wo zuvor heimische Arten durch menschliche Einflüsse verloren gegangen sind.
  • Warum eine neue Verordnung der Europäischen Kommission?

    Die EU KOM hat eine Durchführungsverordnung zum Umgang mit invasiven Neobiota erlassen (Durchführungsverordnung EU 2016/1141). Diese Verordnung hat eine Vorgeschichte, die die Komplexität der Herausforderung zeigt, mit gebietsfremden Tier- und Pflanzenarten verantwortungsvoll umzugehen. Die Notwendigkeit invasive gebietsfremde Arten zu berücksichtigen, findet ihren Niederschlag bereits 1996 im Anhang B der Verordnung (EG) Nr. 338/97. Es handelt sich um die Arten Grauhörnchen, Fuchshörnchen, Pallasschönhörnchen, Schwarzkopf-Ruderente, Rotwangen-Schmuckschildkröte, Zierschildkröte und den Amerikanischen Ochsenfrosch. Diese Arten dürfen seitdem nicht mehr in die Europäische Union eingeführt werden. Die Verordnung (EG) Nr. 708/2007 über die Verwendung nichtheimischer und gebietsfremder Arten in der Aquakultur regelt die Freisetzung gebietsfremder Arten zu Zwecken der Aquakultur. Die Verordnungen über Pflanzenschutzmittel (EG) Nr. 1107/2009 und Biozidprodukte (EU) Nr. 528/2012 regeln die absichtliche Freisetzung von Mikroorganismen als Pflanzenschutzmittel bzw. als Biozide. Arten, die, wie zum Beispiel der Asiatische Laubholzbockkäfer, nach seinem Auftreten im Freiland unter Quarantäne zu stellen sind, werden gesondert in der Richtlinie 2000/29/EG (Pflanzenbeschaurichtlinie) behandelt.

    In der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 vom 22. Oktober 2014 zur Prävention und zum Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten sind die Grundsätze des Umgangs mit den Arten geregelt. Im Sommer 2016 wurde von der EU KOM eine Liste mit 37 invasiven Arten von unionsweiter Bedeutung veröffentlicht. 2017 wurde diese Liste bereits um 12 Arten erweitert und 2019 um weitere 17 Arten. Mit der dritten Erweiterung der Unionsliste am 2.8.2022 um weitere 22 invasive Arten, wobei die Listung für vier Arten erst ab 2.8.2024 bzw. 2.8.2027 in Kraft tritt, stehen derzeit 84 (bzw. 88) Arten auf der Unionsliste, welche nach wissenschaftlichem Dafürhalten erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Biodiversität und Ökosystemdienstleitungen haben (Unionsliste).

  • Was soll geregelt werden?

    In der Union und in anderen europäischen Ländern kommen im Freiland rund 12.000 gebietsfremde Tier- und Pflanzenarten (Neophyten und Neozoen) vor, von denen schätzungsweise 10 bis 15 % als invasiv angesehen werden. Ein erheblicher Teil dieser Arten kann ernsthaft nachteilige Folgen für die Biodiversität und die damit verbundenen Ökosystemdienstleistungen sowie auch wirtschaftliche Auswirkungen haben. Das betrifft auch Fragen der ungesteuerten Hybridisierung mit heimischen Arten, die Tiergesundheit oder Auswirkungen von genetisch veränderten Organismen auf die Natur.

    Mit der Unionsliste soll verhindert werden, dass die Arten ins Freiland gelangen, sich ungehemmt ausbreiten und negative Folgen für Mensch, Natur und Wirtschaft entstehen.

  • Neobiota – Welche Arten sind das?

    Nach der dritten Erweiterung der Unionsliste sind derzeit insgesamt 84 Tier- und Pflanzenarten gelistet. Am 02.08.2022 wurde die Liste unter anderem um den Schwarzen Zwergwels und den Flieder-Knöterich ergänzt.
    Der Krallenfrosch gehört zu den Arten, die erst ab 02.08.2024 den Regelungen der Invasive Arten-Verordnung unterliegen werden.

    Zu den Neubürgern aus Flora und Fauna gehören in Deutschland allerdings deutlich mehr Arten als in der Unionsliste aufgeführt sind:
    Allein in den Gewässern Berlins finden sich bis heute etwa 50 Neubürger wie Muscheln oder Schnecken. Darunter sind zwei Arten der Dreikantmuschel, die Körbchenmuschel oder die Neuseeländische Deckelschnecke. Von den warmen Temperaturen und der verbesserten Wasserqualität profitiert auch eine unter Wasser lebende und durch Enten verbreitete Pflanze: das Große Nixenkraut.
    Ebenso nicht auf der Unionsliste aufgeführt aber invasiv – sind der Japanische Staudenknöterich, die Späte Traubenkirsche und die beiden nordamerikanischen Goldruten, die in Wäldern, auf städtischen Brachflächen, in Gewässern oder an Ufern sehr weit verbreitet sind.

  • Welche Arten sind es in Berlin?

    In Berlin kommen derzeit 18 der 84 Arten der Unionsliste im Freiland vor. Darunter befinden sich der Riesenbärenklau, der Götterbaum, das Drüsige Springkraut, die Gewöhnliche Seidenpflanze, die Schmalblättrige Wasserpest, die Chinesische Wollhandkrabbe und weitere Krebsarten wie Kamberkrebs (Amerikanischer Flusskrebs), Roter Amerikanischer Sumpfkrebs (Louisiana Krebs), Marmorkrebs, die Fischarten Schwarzer Zwergwels, Blaubandbärbling und Sonnenbarsch, die Nilgans, die Säugetierarten Nutria, Waschbär, Bisam und sehr selten der Marderhund sowie die Buchstaben Schmuckschildkröte.

  • Eingangstore und Verbreitungswege

    Die in Deutschland eindringenden Tier- und Pflanzenarten kommen nicht aus eigener Kraft ins Land. Sie werden kommerziell gehandelt oder, wie es umgangssprachlich heißt, “eingeschleppt”. Alle Einfuhren gehen direkt oder indirekt vom Handel aus: Arten, die im Garten- oder Zoohandel an Private oder Gartenbaubetriebe verkauft werden, Arten, die aus Zuchten entkommen – wie Waschbär oder der Amerikanische Flusskrebs, der sich auf diese Weise schon vor über 100 Jahren im Raum Berlin ausbreiten konnte. Arten gelangen unabsichtlich an Güterbahnhöfe oder Umschlagplätze oder zum Bespiel mit Ballastwasser in Häfen und werden weiter über Gewässer, Eisenbahnen oder Autobahnen in der Fläche verbreitet. Andere werden im Holz von Paletten oder Verunreinigungen im Saatgut, bei Futtermitteln oder bei Bodenverbringungen als blinde Passagiere eingeführt oder “huckepack” weiter transportiert.

  • Inhalte der Regelung

    Die Unionsliste benennt konkret die Arten, die ab sofort in Deutschland und in Europa durch aktive Maßnahmen im Freiland bekämpft und durch Handelsbeschränkungen und Auflagen für Händler und Halter zu regulieren sind. Alle sechs Jahre ist gegenüber der EU KOM über die Maßnahmen und die Ergebnisse der Bestandsregulierung zu berichten.

  • Was muss bei Haltung und Handel beachtet werden?

    Nichtgewerbliche Besitzerinnen und Besitzer dürfen ihre auf der Unionsliste geführten Heim- oder Haustiere bis zum Ende des natürlichen Ablebens des Tieres weiter halten, wenn die Tiere vor der Listung in den Besitz gekommen sind (Artikel 31). Für Gewerbetreibende gilt, dass sie Tiere oder Pflanzen der genannten invasiven gebietsfremden Arten mit Ablauf einer Zweijahresfrist nach der Listung (Artikel 32) nicht weiter halten dürfen.
    Der Handel mit und die Beförderung von allen derzeit 84 Arten der Unionsliste sowie das Aussetzen der Arten sind in Deutschland untersagt (Artikel 7).

Rechtlicher Rahmen

Allgemeines

  • BfN-Schrift 654 „Die invasiven gebietsfremden Arten der Unionsliste der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014“ - Dritte Fortschreibung 2022

    PDF-Dokument - Stand: 2022

  • Invasive gebietsfremde Arten – Was tut die Kommission?, EU KOM

    (2,0 MB)

    PDF-Dokument - Stand: 2014