
Workshop "Emissionsminderungspotenziale im Schiffsverkehr", Foto: Julia Vesshoff, HIRSCHEN-GROUP
Workshop-Teilnehmer diskutieren Möglichkeiten der Nach- und Umrüstung von Berliner Fahrgastschiffen
Berlins Wasserwege gehören zum Stadtbild wie der Fernsehturm. Allerdings sind sie auch Verkehrswege, die durch Frachtschiffe und Fahrgastschifffahrt zu den Schadstoffen in der Luft beitragen, besonders im Stadtbezirk Berlin-Mitte.
Wenn auch die Fahrgastschiffe stadtweit nicht zu den Hauptverursachern der Luftverschmutzung in Berlin zählen, so sind die Emissionen eines Schiffes dennoch nicht vernachlässigbar gering. Gerade in Ufernähe können erhöhte Luftbelastungen auftreten. Bei der Vorbeifahrt eines Fahrgastschiffes steigt die Rußpartikelanzahl in der Umgebungsluft beispielsweise von etwa einigen tausend Partikel auf mehrere hunderttausend Partikel pro Kubikzentimeter. Zudem gelten für Schiffe, die überwiegend mit Dieselmotoren betrieben werden, bisher weniger strenge Emissionsgrenzwerte für Luftschadstoffe als für Straßenfahrzeuge.
Inwieweit kann der Schiffsverkehr zur Verringerung der Luftbelastung an Ufern beitragen? Welche Rahmenbedingungen müssen sich dafür ändern
Zur Diskussion dieser Fragen hatte die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz am 17. Juli 2018 zu einem Workshop nach Berlin geladen. Rund 40 Eigner von Berliner Fahrgastschiffen (insb. Reedereien), Hersteller von Filtersystemen und Elektromotoren für Schiffe, Vertreter von Verbänden und Ämtern und Expertinnen und Experten aus verschiedenen Fachabteilungen der Senatsverwaltung folgten der Einladung zum praxisorientierten Austausch.
In seiner Begrüßung ordnete Stefan Tidow, Staatssekretär für Umwelt und Klimaschutz, das Problem zunächst in die übergeordnete Problemlage ein: Die Grenzwerte für die Feinstaubbelastung werden in Berlin inzwischen weitestgehend eingehalten, Stickstoffdioxidgrenzwerte werden aber nach wie vor überschritten. Es drohen u.a. Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge. Vor diesem Hintergrund führte Herr Tidow aus, dass der Schiffsverkehr immer stärkere Bedeutung in der Berichterstattung gewinnt und dass lediglich vier Fahrgastschiffe in Berlin nachgerüstete Motoren mit Partikelfiltern haben. An vielen Anlegestellen herrsche eine hohe Stickoxid-Belastung. Das Abgeordnetenhaus erwarte zum einen, dass vom Senat Anstrengungen unternommen werden, um die Schadstoff-Belastung durch Schiffe zu reduzieren, zum anderen, dass Umrüstungen auf Elektroantrieb vorangetrieben werden.
Martin Lutz, Fachgebietsleiter für Luftreinhaltung in der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, betonte in seinem Vortrag "Luftreinhaltung in Berlin: Handlungsbedarf, rechtliche Rahmenbedingungen und Relevanz für die Fahrgastschifffahrt in Berlin", dass die Schifffahrt bisher kaum einen Beitrag zu Verringerung der Stickoxide (NO
x) in Berlin geleistet habe. Beispiel für einen Hotspot sei der geplante Humboldthafen. Modellrechnungen zeigten, dass mit den heutigen Schiffen eine deutlichen Überschreitung der Grenzwerte zu erwarten sei. Derzeit sei in Berlin eine Klage wegen NO
2-Überschreitungen anhängig, einzelne Fahrverbote scheinen für die Zukunft unvermeidbar. Durch einen Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses gibt es großen Handlungsdruck. Dieser schlägt eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel der Einführung von Umweltzonen, inkl. Rußpartikelfilterpflicht, für Schiffe vor.
Wie kann der Schadstoffausstoß von Schiffen reduziert werden?
Volker Schlickum, bei der Senatsverwaltung als Referent im Bereich Luftreinhaltung vor allem für den Bereich der Fahrzeugemissionen zuständig, stellte in seinem Vortrag „Emissionsminderungspotentiale im Schiffsverkehr und ihre Wirksamkeiten“ verschiedene Möglichkeiten der Emissionsminderung von Schiffen vor: Elektroantrieb (lokal -100 %, aber sehr teuer), Spezialdiesel (-10% NO
x; -15 bis -60% Partikelmasse), neue Motoren (-50% NO
x; -50% Partikelmasse), selektive katalytische Reduktion (SCR) (85% der Stickoxide werden abgefangen), Wasser-Emulsion (-20% NO
x; bis -80% Partikelmasse), Dieselpartikelfilter (99% der PM und PN werden abgefangen). Eine Kombination aus SCR und Dieselpartikelfiltern wäre die beste Lösung.
Am Nachmittag widmete sich der Workshop der Vorstellung des
Pilotprojekts der Senatsverwaltung. Primäres Ziel des Projekts ist der Test von Um- bzw. Nachrüstungen auf möglichst vielen Schiffen, um Auswirkungen auf Betriebskosten und Betriebssicherheit beurteilen zu können und um letztlich allgemeine Empfehlungen aussprechen zu können. Größere Schiffe sollen mit SCR-Katalysator und Partikelfilter nachgerüstet, kleinere Schiffe auf Elektroantrieb umgerüstet werden. Dadurch soll bei den betreffenden Schiffen eine komplette Abgasreinigung bewirkt werden. Zudem wird ein begleitendes Messprogramm zur Wirkungsuntersuchung durchgeführt. Die Messfahrten sollen mit allen möglichen Lastzuständen stattfinden. Die Nachrüstung/Umrüstung ist für den Winter 2018/2019 geplant. Alle Kosten werden aus Projektmitteln übernommen. Es wird eine Kooperationsvereinbarung zwischen
SenUVK, Reeder und Hersteller geben.
Die am Workshop teilnehmenden Reeder zeigten generell großes Interesse an einer Projektteilnahme. Weiterer Gesprächsbedarf besteht insbesondere noch bezüglich der Themen Landstromversorgung / Ladeinfrastruktur für Elektromotoren, benötigte Abgastemperatur für Filternachrüstung und Umgang mit Sportbooten / gewerblichen Booten / "bunter Flotte".