Versiegelung 2011

Einleitung

Versiegelungsdaten werden in den für Umweltschutz, Stadt- und Landschaftsplanung zuständigen Stellen der Berliner Verwaltung regelmäßig genutzt. Dabei ist die Nutzung und Verarbeitung in verschiedenen Modellen (Stadtklima, Wasserhaushalt) oder Bewertungsverfahren – wie z.B. im Bodenschutz – ein Anwendungsschwerpunkt. Aber auch der Dokumentation des Zustandes der Beeinträchtigung von Natur und Landschaft durch Versiegelung kommt eine wichtige Bedeutung zu. Nicht zuletzt wird im politischen Raum zunehmend nach zeitlich hoch aufgelösten Versiegelungsdaten verlangt, um im Rahmen eines Monitorings den Erfolg umweltpolitischer oder stadtplanerischer Strategien messen zu können.

Definition

Unter Versiegelung wird die Bedeckung des Bodens mit festen Materialien verstanden. Dabei lassen sich versiegelte Flächen in bebaut versiegelte Flächen, also Gebäude aller Art und unbebaut versiegelte Flächen also Fahrbahnen, Parkplätze, befestigte Wege usw. trennen.

Neben baulichen Anlagen und mit Asphalt oder Beton vollständig versiegelten Oberflächen werden auch durchlässigere Beläge als versiegelt betrachtet, obwohl diese zum Teil sehr unterschiedliche ökologische Eigenschaften aufweisen. Rasengittersteine oder breitfugiges Pflaster z.B. erlauben noch ein reduziertes Pflanzenwachstum, sind teilweise wasserdurchlässig oder weisen ein wesentlich günstigeres Mikroklima auf.

Die vorkommenden Arten von Oberflächenbelägen wurden zu vier Belagsklassen mit unterschiedlichen Auswirkungen auf den Naturhaushalt zusammengefasst (vgl. Tab. 1).

Tab. 1: Übersicht über die Belagsklassen

Tab. 1: Übersicht über die Belagsklassen

Auswirkung der Versiegelung auf den Naturhaushalt

Die Auswirkungen der Versiegelung sind vor allem in den Großstädten und Ballungsräumen zu spüren, wo ein hoher Anteil der gesamten Fläche versiegelt ist.

Das hohe Wärmespeichervermögen von Gebäuden und asphaltierten Straßen verursacht eine Aufheizung der Luft und führt zur Ausprägung eines speziellen Stadtklimas. Vor allem im Sommer wird dadurch die nächtliche Abkühlung deutlich verringert (vgl. Abb. 1).

Abb. 1: Temperaturverlauf über unterschiedliche Oberflächen

Abb. 1: Temperaturverlauf über unterschiedliche Oberflächen

Gleichzeitig wird auch die relative Luftfeuchtigkeit vermindert, da Vegetationsflächen und die davon ausgehende Verdunstung fehlen. Dies kann zum Auftreten von Extremwerten führen, die das menschliche Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen können. In diesem Zusammenhang spielen nicht versiegelte Flächen wie z. B. Parkanlagen eine große Rolle; schon ab 1 ha Größe sind positive klimatische Auswirkungen auf das menschliche Wohlbefinden nachweisbar. Auch auf die Staub- und Schadstoffgehalte der Luft haben vegetationsbestandene Flächen Einfluss, da sie durch ihre großen Blattoberflächen in der Lage sind, Stäube und andere Luftschadstoffe zu binden.

Die Auswirkungen der Versiegelung auf das Berliner Stadtklima sind ausführlich in verschiedenen Karten des Bereiches Klima beschrieben.

Mit der Versiegelung des Bodens gehen durch den Verlust von Verdunstungs- und Versickerungsflächen für Niederschläge auch tiefgreifende Veränderungen im Wasserhaushalt einher. Das u. a. mit Reifenabrieb, Staub und Hundekot stark verunreinigte Regenwasser von versiegelten Flächen wird über die Kanalisation entweder direkt in die Vorfluter oder über die Klärwerke abgeleitet (vgl. Karte 02.09 Entsorgung von Regen und Abwasser).

Durch Versiegelung und Verdichtung werden außerdem die Funktionen des Bodens stark beeinträchtigt. Mit der Unterbindung der Wasser- und Sauerstoffversorgung werden die meisten Bodenorganismen zerstört. Da kein Wasser mehr versickern kann, werden die über Luft und Niederschläge eingetragenen Schadstoffe nicht mehr im Boden gehalten und in die Oberflächengewässer gespült.

Die vollständige Versiegelung des Bodens bewirkt den gänzlichen Verlust von Flora und Fauna. Aber auch die Versiegelung von Teilbereichen verursacht immer einen Lebensraumverlust. Biotope werden zerschnitten oder isoliert; empfindliche Arten werden zugunsten einiger anpassungsfähiger Arten verdrängt.

Neben den oben beschriebenen Folgen auf den Naturhaushalt hat der Grad der Versiegelung eines Stadtgebietes auch eine unmittelbare Auswirkung auf den Lebensraum des Menschen. So ist eine hohe Versiegelung meist gepaart mit einem Missverhältnis zwischen Einwohnerzahl und Freiflächenangebot. Die Aneinanderreihung von Gebäuden, häufig nur durch Asphalt- oder Betonflächen unterbrochen, kann auf die Bewohner eine bedrückende, monotone Wirkung haben. Natur, wie z. B. der Wechsel der Jahreszeiten, kann in der direkten Wohnumgebung nicht mehr erlebt werden. Naherholung am Stadtrand erzeugt wiederum Verkehr mit ebenfalls negativen Umweltauswirkungen.

Versiegelung und Flächeninanspruchnahme in Deutschland

Versiegelte Flächen nehmen in Deutschland 2010 einen Flächenanteil von ca. 6 % ein. Das entspricht einer versiegelten Fläche von 2,16 Mio. ha (Statistische Ämter der Länder 2011).

In der politischen Debatte wird allerdings vorwiegend der Umweltindikator “Flächeninanspruchnahme” erörtert, der auch in die nationale Nachhaltigkeitsstrategie Eingang gefunden hat.

Seit 2002 ist dort das Ziel formuliert bis 2020 den Flächenverbrauch auf 30 ha pro Tag zu reduzieren. Die tägliche Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke in Deutschland beträgt 78 ha (2009) (UBA 2011). Bundesweit ist dabei vor allem die Zunahme der Gebäude- und Freiflächen deutlich rückläufig. Die Zunahme der Verkehrsflächen liegt zwar niedriger als die Zunahme der Siedlungsflächen. Sie bleibt jedoch mit rund 23 ha pro Tag seit fast 20 Jahren konstant. Die Flächeninanspruchnahme hat sich in den letzten Jahren durch die wirtschaftliche Lage, den Rückgang von Straßenneubauten und die Versiegelungsvorschriften bei Neubauten verringert, ist aber noch weit entfernt vom Ziel 2020.

Die Flächeninanspruchnahme errechnet sich aus der täglichen Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche (SuV). Diese ist nicht mit der versiegelten Fläche gleichzusetzen. In der SuV sind auch Flächen enthalten, die nur wenig versiegelt sind (Hausgärten, Kleingärten, Parkanlagen, Verkehrsgrün etc.).

Die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz (LABO) hat im Jahr 2005 eine Expertengruppe aus Bund und Ländern eingesetzt, um ein geeignetes Schätzverfahren zur Ermittlung der Bodenversiegelung auf Bundesländerebene zu entwickeln, das den Nachhaltigkeitsindikator “Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrsfläche” um die Komponente Versiegelung erweitern sollte.

Die Ergebnisse der Expertengruppe fließen in die Umweltökonomische Gesamtrechnung der Länder (UGRdL) ein und wurden im Bericht “Indikator Versiegelung” dokumentiert (Frie & Hensel 2007).

Siehe dazu auch den Exkurs “Versiegelungsdaten 2011 und 2005 im Vergleich zum Indikator Versiegelung der Umweltökonomischen Gesamtrechnung der Länder (UGRdL)”.

Die mit der Nachhaltigkeitsstrategie angestrebte Reduzierung des Flächenverbrauchs soll durch flächensparendes Bauen, Verdichtung der Städte, Bündelung von Infrastruktur, Bereitstellung von Ausgleichsflächen und Wiedernutzbarmachung von nicht mehr genutzten Flächen (Flächenrecycling) erreicht werden. Mit der Steigerung der Qualität des Wohnumfeldes in den Siedlungen soll das verdichtete Wohnen in der Stadt wieder als Alternative zum Haus im Grünen etabliert werden. (Die Bundesregierung 2007). Länder und Kommunen sollen diese Ziele im Rahmen ihrer Raumordnungs- und Bauleitpläne umsetzen.

Auch mit gesetzlichen Verpflichtungen wird versucht Versiegelung zu reduzieren. Mit der Entsiegelungspflicht nach § 5 des Bundesbodenschutzgesetzes (BBodSchG) von 1998 soll ein Ausgleich zum Flächenverbrauch geschaffen werden, indem nicht mehr genutzte Flächen entsiegelt und so für die natürlichen Bodenfunktionen nach § 2 Abs. 2 BBodSchG zurück gewonnen werden (Oerder 1999, 90ff). Da hierbei Kosten und Zumutbarkeit berücksichtigt werden, hat sich diese Regelung aber in der Praxis nicht bewährt.

Finanzielle Anreize auf privater Ebene können ebenfalls zur Reduzierung bestehender Versiegelungen führen. So gibt es z.B. seit dem 1. Januar 2000 in Berlin, eine getrennte Abrechnung des Niederschlagswasserentgeltes. Die Einführung dieses sogenannten Entgeltsplittings geht auf Urteile des Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 12.06.1972) und das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (Urt. v. 14.06.1968 und 10.04.1980) zurück. Danach müssen Kommunen, in denen der Anteil der Kosten für die Ableitung des Niederschlagswassers mehr als 15 % der Gesamtkosten der Abwasserentsorgung beträgt, die Entgelte getrennt abrechnen. So ist das Niederschlagswasserentgelt nicht mehr proportional an das Abwasserentgelt gekoppelt. Es wird gemäß dem Anteil der versiegelten Fläche des Grundstücks berechnet, von dem aus in die Kanalisation eingeleitet wird (BWB 1998). Seit 2000 sind Eigentümer deshalb darauf bedacht die versiegelte Fläche ihres Grundstücks möglichst gering zu halten und damit Abwasserkosten zu sparen. Seit Inkrafttreten der neuen Niederschlagswasserfreistellungsverordnung von August 2001 (Verordnung über die Erlaubnisfreiheit für das schadlose Versickern von Niederschlagswasser – NWFreiV vom 24. August 2001) ist es möglich, erlaubnisfrei durch Maßnahmen zur Entlastung der Regenwasserkanalisation durch die Regenwasserversickerung auf dem eigenen Grundstück, eine anteilige oder vollständige Befreiung des Niederschlagswasserentgeltes zu erreichen (SenStadt 2001).