Oberflächentemperaturen bei Tag und Nacht 2000

Karten­beschreibung

Karte 04.06.1: Oberflächentemperaturen am Abend

Die Überfliegung fand zum Zeitpunkt fortschreitender Abkühlung statt, die in Abhängigkeit vom Thermalverhalten der einzelnen Strukturen unterschiedlich weit erfolgt war. Der erste optische Eindruck der abendlichen Überfliegung wird von den kältesten Standorten im blau-lila Bereich bestimmt. Bis auf einzelne Standorte im inneren Stadtgebiet liegen diese Flächen ausschließlich im Stadtrandbereich und außerhalb Berlins. Dabei handelt es sich vor allem um die für die Berliner Umgebung typischen weitläufigen Äcker und (z.T. ehemaligen) Rieselfelder, die sich beinahe wie ein Kranz um die Stadt legen und im Westen (Karolinenhöhe) und Nordosten (Lübars – Blankenfelde – Wartenberg) auch noch innerhalb der Stadt liegen. Kleinere, sehr kalte und deutlich abgegrenzte Flächen stellen z.B. die Äcker des Johannisstiftes in Spandau, der Jagen 94 im Grunewald, die Ruderalfläche südöstlich des Müggelsees, aber auch die Brachflächen der Flughäfen dar. Westlich des Stadtgebietes sind zu diesen stark abkühlenden Bereichen auch die Gebiete der Döberitzer Heide (und hier besonders die Senken) zu zählen. Ihr thermisches Verhalten wird – im Gegensatz zu den Waldgebieten – zumeist unwesentlich von Reliefeinflüssen verändert.

Ausschlaggebend für die genannten Flächen ist ihre Größe von mindestens mehreren Hektar Fläche sowie ihr hoher und schneller Energieumsatz im Bereich der Grenzschicht Boden/Luft. Es findet kaum oder keine Beeinflussung durch benachbarte Strukturen statt. Die trockenen Böden lassen nur eine geringe Wärmeleitung zu. Diese isolierende Wirkung zeigt sich am deutlichsten bei Sandböden mit besonders hohem Luftquantum. Moorstandorte weisen demgegenüber ähnlich der wärmespeichernden Wirkung der großen Wasserflächen eine geringere Abkühlungsrate auf; ein ähnliches Verhalten ist auch für die überstauten Bereiche in Betrieb befindlicher Rieselfelder zu erwarten.

Die genannten Standorte stellen einerseits effiziente “Kaltluftproduktionsflächen” dar, sind andererseits durch die nachts sich entwickelnde Luftstagnation aber auch besonders immissionsgefährdet. Inwieweit ihre Ausgleichswirkung für den klimatisch belasteten Bereich von Berlin wirksam werden kann, hängt somit vom Emittenteneinfluss, aber auch der räumlichen Beziehung zum Belastungsgebiet ab.

Gesondert betrachtet werden müssen die vereinzelt vorkommenden großflächigen Metall-Flachdachkomplexe, so z.B. an der Kanal- und Gradestraße in Neukölln, im Bereich Eichbornstraße in Reinickendorf oder am Messegelände. Blanke Metallflächen mit ihrem stark reduzierten Emissionswert unter 0,1 nehmen – wie bereits erwähnt – eine Sonderstellung ein, so dass sich aus der im Thermalbild erfassten Strahlungstemperatur nicht die “wahre” Oberflächentemperatur berechnen lässt (vgl. Methode). Sie erscheinen in der Karte zu kalt. Alle übrigen Flachdachkomplexe bieten mit ihrer weitgehend horizontalen Ausrichtung sehr effektive Ein- und Ausstrahlungsbedingungen und erreichen dementsprechend sehr hohe tägliche Temperaturmaxima und nächtliche -minima.

Grundsätzlich ähnlich wie die im Außenbereich liegenden Grünland- und Ackerflächen lässt sich das thermische Verhalten auch bei den großen innerstädtischen Kleingärten und von Wiesen geprägten Parkanlagen einstufen. Jedoch ist hier die Beeinflussung durch die jeweilige Lage zum bzw. im Stadtgebiet von Bedeutung. Beispiele für offen strukturierte, vor allem durch Rasen und kleinkronige Bäume bestimmte Flächen, sind die Kolonien am Südgelände, südlich des Hohenzollernkanals, im Bereich des Britzer Gartens oder die Wiesenflächen am Wasserwerk Johannisthal.

Grünbereiche mit größerem Anteil an Baumbestand zeigen demgegenüber ein thermisches Verhalten, wie es in den Waldgebieten, jedoch auch schon bei entsprechenden Parkanlagen im Stadtgebiet erkennbar ist. Am Beispiel des etwa 220 ha Großen Tiergartens soll dies näher erläutert werden: Als Parkanlage im Zentrum der Stadt ist der Große Tiergarten dem Einfluss der umgebenden dichten Bebauung ausgesetzt. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass – bei windschwachen Wetterlagen weniger als bei strömungsreichen – die Ausstrahlungsverluste besonders der baumbestandenen Flächen durch die warme Umgebungsluft eingeschränkt werden. Über Wiesenflächen wird relativ schnell eine der Oberfläche aufliegende Kaltluftschicht aufgebaut, deren Mächtigkeit im Laufe der Nacht zunimmt. Bei weitgehend geschlossenen baumbestandenen Flächen erfasst die Thermalaufnahme dagegen nicht den Bestandesboden, sondern die Ausstrahlung im Bereich des Kronenraumes. In den Abendstunden verhindert zunächst die im Kronen- und Stammbereich gespeicherte Wärme ein schnelles Abkühlen. Im weiteren Verlauf wird zusätzlich aus der Umgebung Warmluft zugeführt, an den Blattoberflächen abgekühlt, in den Stammraum abgeleitet und durch nachströmende Warmluft aus dem Stammraum, aber auch aus der Umgebung oberhalb des Kronenbereiches ergänzt, die wiederum den abstrahlenden Blattoberflächen Wärme zuführt. Dieser Prozess wird erst dann beendet, wenn sich vom Bestandesboden her eine Kaltluftschicht aufgebaut hat, die auch den Kronenbereich erfasst. Der zum Zeitpunkt der größten Abkühlung zu erwartende Temperaturgradient zwischen den Wiesen- und Baumflächen des Großen Tiergartens hängt daher sehr stark von der Bestandeshöhe, -art und -dichte der Bäume ab.

Die Waldflächen folgen grundsätzlich dem oben genannten Abkühlungsschema. In bewegtem Gelände verzögert sich die Abkühlung aber zusätzlich durch Kaltluftabfluss bzw. Kaltluftsammlung in den Senken. Die hohen Bestandestemperaturen in Kuppenlagen (Havel- und Müggelberge, Schäferberg) lassen sich dadurch erklären, dass hier der Aufbau einer Kaltluftschicht vom Boden her durch den dem Gefälle folgenden Kaltluftabfluss verhindert wird. Umgekehrt konzentriert sich die produzierte Kaltluft in vorhandenen Senkenbereichen.

Im Grenzbereich zu den Gewässern überlagern sich diese Einflüsse mit dem dortigen durch das ausgeprägte Wärmespeichervermögen von Wasser gegebenen hohen Temperaturniveau. Die Gewässer wirken sehr ausgeglichen im Tag-Nachtrhythmus; der Temperaturverlauf ist abhängig von der Gewässertiefe und damit dem “Nachschub” an gespeicherter Wärme sowie direkten anthropogenen Einflüssen.

Der Temperaturverlauf in den bebauten Bereichen ist im Wesentlichen eine Funktion der Bebauungsstrukturen. Hoher Anteil an wärmespeichernden Materialien wie Beton, Stein, Asphalt führt erwartungsgemäß in weiten Bereichen der Innenstadt, in Kerngebietslagen ebenso wie in Industriegebieten, zu den höchsten Temperaturwerten nach den Feucht- und Gewässerstandorten. Sie können daher als eine flächenhafte Wärmequelle angesprochen werden, die den größten Einfluss auf die Ausbildung des sogenannten “Wärmeinsel-Effektes” ausübt.

Beeinflusst wird die Intensität der örtlichen Abkühlung einerseits von dem Anteil der gut wärmespeichernden Baumassen im Gebäude-, Straßen- und Stadtplatzbereich sowie andererseits von den schneller und stärker wärmeabstrahlenden Flächen der Gebäudedächer und Grünbereiche. Somit ergeben sich auch für die verdichteten Innenstadtlagen noch Unterschiede zwischen den engbebauten Blockstrukturen mit hohem Anteil schlecht wärmeleitender Dachflächen und unbesonnter Innenhöfe und den mit mehr Platz- und Abstandsflächen ausgestatteten Innenstadtgebieten. Eine Einschätzung im Hinblick auf die klimatische Gesamtsituation dieser bebauten Bereiche ist ebenso wenig wie in vergleichbaren Industriegebieten abzuleiten, da im Einzelfalle immer streng in die im Thermalbild erfassten Temperaturniveaus zu unterscheiden ist.

Ähnliche Phänomene hoher Abkühlungsraten auf anthropogen stark beeinflussten Standorten sind überall dort zu erwarten, wo kein fester Anschluss an den Untergrund vorhanden ist, wie etwa bei den Schotterflächen der Bahntrassen und angrenzender Flächen.

Karte 04.06.2: Oberflächentemperaturen am Morgen

Die Erwärmung der Oberflächen durch die der Jahreszeit entsprechend erst gegen 6.00 Uhr MEZ aufgegangene Sonne hat materialabhängig zum Zeitpunkt der Überfliegung gegen 10.30 Uhr zu einem quasi nur als Zwischenstand differenzierten Thermalbild geführt. In vielen Fällen verhalten sich die Einzelflächen spiegelbildlich zur Nachtaufnahme und sollen daher hier nur kurz erwähnt werden.

Analog zur Nachtaufnahme stellen die offenen Flächen der abgeernteten Äcker und die Wiesen sowie vergleichbare Nutzungen die auffälligsten Standorte dar. Ihre rasche Erwärmung ist auf den hohen Wärmeumsatz an der Oberfläche infolge verminderter Wärmeleitung in den Untergrund und geringen Wärmespeichervermögens zurückzuführen. Das vergleichsweise hohe Luftvolumen der trockenen Böden isoliert die Bodenoberfläche von den tieferen Bodenschichten, der Wärmeübergang zwischen den einzelnen Bodenbestandteilen wird stark erschwert. Zwischen der Tag- und Nachtüberfliegung ergeben sich dadurch Temperaturdifferenzen von mehr als 20 °C.

Abb. 2: Oberflächentemperaturverhalten ausgewählter Flächentypen und Einzelstandorte aus Abend- und Morgenaufnahme des 14./15.9.1991

Abb. 2: Oberflächentemperaturverhalten ausgewählter Flächentypen und Einzelstandorte aus Abend- und Morgenaufnahme des 14./15.9.1991

Die Gewässer dagegen besitzen lediglich einen flachen Oberflächentemperatur-Gradienten, der selbst bei geringen Wassertiefen und damit erhöhtem Wärmeumsatz zwischen Tag und Nacht nur 2 – 3 °C beträgt. Zur hohen Wärmespeicherkapazität tritt am Tage wie auch bei anderen Feuchtstandorten der temperaturmindernde Effekt der hohen Verdunstungsraten. Sie zählen damit zu den kühlsten Standorten. Ebenfalls sehr kalt erscheinen die großen Oberflächen der Flachdachkomplexe in Industrie- und Gewerbegebieten (vgl. Abendaufnahme).

Für baumbestandene Parkanlagen und die Wälder gilt zum Zeitpunkt der Erfassung, dass der im Laufe der nächtlichen Abkühlungsphase erreichte Grad der Abkühlung bis in den Kronenbereich einen zunächst weiter vorhaltenden Puffer darstellt, der durch die einsetzende Evaporation der Blattmasse (Verdunstungskälte) noch verstärkt wird. Die Wälder erscheinen darüber hinaus homogener als in der Abendaufnahme, da der Effekt des Kaltluftabflusses bei Kuppenlagen nunmehr keine Rolle spielt.

Der dichtbebaute Bereich kann sich aufgrund der geschilderten physikalischen Gesetzmäßigkeiten am Vormittag noch nicht in der erwarteten Weise als zentrale Wärmeinsel darstellen; hier wäre zu einem späteren Zeitpunkt mit verstärkter Abstrahlung der gespeicherten Wärme ein Annähern an die Werte der Ackerflächen und Wiesen zu erwarten.

Karte 04.06.3: Oberflächentemperaturdifferenzen Abend – Morgen

Für eine Bewertung der thermischen Wirksamkeit der Flächenstrukturen ist es sinnvoll, neben der qualitativen Darstellung der Temperaturdifferenzen im Tag-Nacht-Vergleich auch eine Auswertung hinsichtlich des jeweiligen Temperaturniveaus, auf dem die Schwankungen stattfinden, einzubeziehen. Abbildung 2 bezieht sich auf ausgewählte Flächentypen und Einzelstandorte und ordnet diese in eine Tag-Nacht-Temperaturmatrix ein.

Hier sind Flächen(-typen) zu erkennen, die eine relativ hohe bzw. geringe Tagesamplitude aufweisen. Daneben zeichnen sich Bereiche ab, die grundsätzlich recht kühl bzw. recht warm einzustufen sind. Das ist für die Beeinflussung der über den Oberflächen lagernden Luftmassen von großer Bedeutung, wobei sich durch den horizontalen Luftaustausch Verschiebungen der Lufttemperatur ergeben können. Unterschiedliche Zuordnungen eines Flächentyps charakterisieren die Streuung der Tages- und Nachtoberflächen-temperaturen. Die niedrigen Tages- und Nachttemperaturen der Wälder, Parkanlagen, Kleingärten und locker bebauten Stadtrandsiedlungen stehen im Gegensatz zu den ganztägig hohen Oberflächentemperaturen der dicht bebauten Innenstadt und der Verkehrs- und Industrieflächen. Durch die hohe Wärmekapazität und Wärmeleitung weisen die Gewässer mit niedrigen Tages- und hohen Nachttemperaturen eine starke Dämpfung der täglichen Amplitude auf. Dies überträgt sich auch noch auf die unmittelbare Umgebung der Uferbereiche. Im Gegensatz hierzu stehen die landwirtschaftlich genutzten Flächen, Rieselfelder und auch noch die Bahnanlagen, die sich am Tage stark erwärmen, in den Nachtstunden aber ebenso stark abkühlen. Hierdurch treten an diesen Standorten die größten Tagesamplituden auf.

Vergleich der Aufnahmezeitpunkte 1991 und 2000

Die Aufnahmetermine des Jahres 1991 (vgl. Karte 04.06 Ausgabe 1993) und 2000 liegen ca. einen Monat auseinander und die Wettersituationen waren somit nicht exakt vergleichbar. Dennoch lässt sich feststellen, dass das Temperaturniveau der jeweiligen Tag- und der zugehörigen Nachtszene sich bei diesen Terminen um ca. 6°C unterschied. Somit stellen die Tag-Nacht-Differenzen ein sehr ähnliches Bild dar und es liegt nahe, bei kleinflächigen Unterschieden der Differenzen zwischen 1991 und 2000 die Beziehung zu Veränderungen der Landnutzung bzw. Bebauungsstrukturen zu prüfen. Zu beiden Aufnahmezeitpunkten zeigen die Wasserflächen im Vergleich der Oberflächentemperaturen nur sehr geringe Tag-Nachtschwankungen im Bereich von ca. 1-3 Kelvin. Demgegenüber stehen die landwirtschaftlichen Nutzflächen fast aller Bearbeitungszustände, die Berliner Flughäfen oder stark versiegelte und dabei meist industriell genutzte Flächen mit Differenzen der Oberflächentemperaturen von bis zu 15 – 20 Kelvin. Die Wälder und Parks weisen flächenhaft etwas geringere Differenzwerte als die durch innerstädtische Bebauung zu charakterisierenden Bereiche auf.

Zudem fallen insbesondere in den Daten mit der höheren räumlichen Auflösung aus dem Jahr 2000 einige Bereiche mit extrem niedrigen Oberflächentemperaturen sowohl am Tag als auch in der Nacht auf:

  • Borsighallen,
  • Krankenhaus am Messegelände
  • Industriestandort an der Gradestraße etc.

In diesen Bereichen spiegeln sich die unter Methode bereits beschriebenen Effekte besonderer Materialeigenschaften von Metalldächern wider.