Für die unbebaut versiegelte Fläche ergibt sich ein etwas anderes Bild. Die scheinbare Abnahme um 2,8 % zwischen 2001 und 2005 kann einerseits daran liegen, dass in den alten Kartierungen einige Grün- und Freiflächen-Kategorien (z. B. Wälder und Landwirtschaft) mit Pauschalwerten der unbebaut versiegelten Fläche belegt wurden, die nach heutigen Erkenntnissen zu hoch angesetzt waren. Da diese Flächen einen großen Anteil am Stadtgebiet haben, wurde der Versiegelungsgrad der unbebaut versiegelten Fläche insgesamt überschätzt. Andererseits wurde mit der Interpretation der Satellitendaten die unbebaut versiegelte Fläche im neuen Verfahren eher unterschätzt. Diese Annahmen sind eher plausibel, als dass tatsächlich ein Rückgang der versiegelten Fläche im Stadtgebiet stattgefunden hat. Seit 2016 ist der Anteil der unbebaut versiegelten Fläche leicht gestiegen, was insbesondere auf eine stärkere Versiegelung in Gewerbe-
und Mischgebieten zurückgeführt werden kann.
Hinsichtlich der Erfassung der versiegelten Straßenfläche konnten die im Jahr 1990 vorliegenden groben Schätzwerte erst im Jahr 1997 durch Werte der damaligen Straßenbauverwaltung ersetzt werden. Diese wurden auch für die Auswertungen von 2001 verwendet. Für die Versiegelungskartierungen von 2005 und 2011 wurden Straßenversiegelungsgrade pro Bezirk mit dem Stand 2006 auf die Gesamtstadt angewendet (Gerstenberg & Goedecke 2013). Eine leichte Erhöhung des durch Straßen verursachten Versiegelungsgrades durch Tiefbaumaßnahmen vor allem im Ostteil der Stadt erscheint durchaus plausibel. Im Rahmen der Versiegelungskartierung 2021 wurden erstmals die flächenscharfen Straßenbefahrungsdaten verwendet, um aus dem dort erfassten Materialattribut die Versiegelung der Straßenbeläge differenziert zu erfassen. Durch diese Methodenänderung ist der gesunkene Versiegelungsgrad des Straßenraums zu erklären, der keine reale
Abnahme des Straßenversiegelungsgrades darstellt. Vielmehr wird durch die neue Kartierungsmethode, die nicht mehr auf durchschnittlichen Versiegelungsgraden aus der Straßenstatistik beruht, die Realität deutlich differenzierter abgebildet. In Tabelle 6 wurde daher der 2021 ermittelte Versiegelungsgrad rückwirkend für 2011 und 2016 übernommen.
Veränderungskartierung der Versiegelung zwischen 2016 und 2021
Die wiederholte Anwendung des Verfahrens 2021 ermöglicht auch einen Vergleich der Versiegelung auf Block(teil)flächenebene. In Abbildung 6 ist die Veränderungskartierung zwischen 2016 und 2021 dargestellt (das Karten-Ergebnis steht auch als PDF-Dokument zur Verfügung). Es werden Block(teil)flächen mit einer Veränderung größer 10 % des Versiegelungsgrades im Vergleich beider Zeitstände dargestellt. In die Bilanzierung der Gesamtfläche und für alle Auswertungen (vgl. Tabellen 4, 5, 6) sind jedoch auch Veränderungen unterhalb von 10 % mit eingegangen.
Nachfolgend werden einige auffällige Beispiele beschrieben, die auch die teils sehr individuellen Gründe für kartierte Unterschiede im Versiegelungsgrad von Flächen zwischen 2016 und 2021 verdeutlichen.
Auf 345 Block(teil)flächen wurde eine Veränderung des Versiegelungsgrades von 10-20 % festgestellt. Hier handelt es sich in vielen Fällen um Nachverdichtungen des bereits existierenden Gebäudebestandes bzw. Fertigstellung von großflächigen Bauprojekten, die 2016 bereits teilweise fertiggestellt waren. Häufiger betroffen sind hier die Flächentypen „Reihen- und Doppelhäuser mit Gärten“ 22), „Freistehende Einfamilienhäuser mit Gärten“ (23), „Gewerbe- und Industriegebiet, großflächiger Einzelhandel, geringe Bebauung“ (30) und „Geschosswohnungsbau der 1990er Jahre und jünger“ (73). Auffällig ist weiterhin, dass etwa 50 Flächen des Typs „Park / Grünfläche“ (53) eine Steigerung des Versiegelungsgrades von 10-20 % aufweisen. Auf diesen Grünflächen wurden entweder zusätzliche stärker versiegelte Flächen, z. B. Spielplätze, angelegt (etwa im Kiezpark Schönagelstraße in Marzahn oder am Alarichplatz in Tempelhof) oder der NDVI hat sich durch
weniger vitale Vegetation so stark geändert, dass dies zu einem Einfluss auf die Versiegelungsklassen geführt hat (z. B. Park an der Spree oder am Lützowplatz).
Bei einer Änderung des Versiegelungsgrad von über 30 % handelt es sich meist um Block(teil)flächen, die zu einem überwiegenden Teil oder komplett neu bebaut wurden. Auffällige große Neubauprojekte sind beispielsweise die bereits erwähnte Europacity nördlich des Hauptbahnhofs, neue Gewerbe- und Wohnbebauung in Mahlsdorf und Adlershof, die Gartenstadt Karlshorst, neue Geschosswohnungs-bauten an der Spandauer Seebrücke oder das Tesla-Center. Auch neu errichtete Interimsgebäude wie beispielsweise die Gemeinschaftsunterkunft an der Wollenberger Straße (Lichtenberg) fallen durch einen gesteigerten Versiegelungsgrad auf, wobei diese Gebäude nicht im Gebäudebestand geführt werden und daher auf diesen Flächen der unbebaut versiegelte Anteil gestiegen ist.
Eine starke Absenkung des Versiegelungsgrades um mehr als 30 % geht meist ebenfalls auf Bautätigkeiten zurück, da die betroffenen Flächen nach Abriss vorübergehend komplett entsiegelt sind (z. B. An der alten Gärtnerei in Britz oder am Blockdammweg). Für den Fall, dass bereits erste Bautätigkeiten im Luftbild zu erkennen sind, steigt der unbebaut versiegelte Anteil, da die neuen Gebäude noch nicht in der Gebäudedatengrundlage geführt werden.
Folgende Block(teil)flächen werden aufgrund einer eingeschränkten Vergleichbarkeit nicht in der Karte dargestellt, die Information kann aber den Sachdaten entnommen werden (564 Flächen):
- Pseudoveränderung, Nicht-Blockflächenanteil >10 %: Bei 36 Flächen hat sich zwischen 2015 und 2020 die ISU-Blockgeometrie so geändert, dass mehr als 10 % der Fläche von 2020 im Jahr 2015 noch im Straßenraum lagen, wodurch Pseudoveränderungen in der Versiegelungskartierung auftreten.
- Pseudoveränderung, verbesserte Datengrundlage, Gebäude: Die verbesserte Datengrundlage zum Gebäudebestand (NOT-ALKIS) hat bei 24 Block(teil)flächen nicht zu realen, sondern zu Pseudoveränderungen geführt. Dies betrifft vor allem Kleingartenanlagen und Einfamilienhausgebiete.
- Pseudoveränderung, Gleis: Die verbesserte Datengrundlage zu Bahngleisen (K5) sowie unterschiedliche Ausprägungen der schmalen Gleisgeometrien in den Rasterauswertungen 2016 und 2021 haben bei 234 Block(teil)flächen zu Pseudoveränderungen geführt.
- Pseudoveränderung, Phänologie: Die unterschiedlichen Aufnahmezeitpunkte der für die Versiegelungskartierungen 2016 und 2021 verwendeten Satellitenbildszenen begründen eine unterschiedliche Ausprägung der Vegetation. Für 2021 wurde eine Szene vom 7. Juni verwendet, in der die Vegetation an einigen Stellen fortgeschrittener entwickelt ist als in der Szene vom 02. Mai 2016. Da der Versiegelungsgrad der unbebaut versiegelten Flächen für einige Flächentypen aus dem NDVI abgeleitet wird, geht mit einer augeprägteren Vegetation ein gesunkener Versiegelungsgrad einher, der keine reale Nutzungsänderung darstellt und auf 101 Flächen zu einer Pseudoveränderung führte.
- Pseudoveränderung, Korrektur der Auswertung von 2016: Auf 28 Flächen wurden fehlerhafte Kartierungen in der Auswertung 2016 bemerkt, die in der aktuellen Kartierung korrigiert wurden und auf den entsprechenden Flächen zu Pseudoveränderungen geführt haben.
- Pseudoveränderung, Korrektur der Nutzung 2015: Auf 106 Flächen wurden die Nutzungsattribute korrigiert, ohne dass eine tatsächliche Nutzungsänderung seit 2015 stattgefunden hat. Die Änderung der Grünnutzung oder des Flächentyps führte auf diesen Flächen zu einer anderen Zuweisungsmethode des Versiegelungsgrades im Rahmen der Kartierung. Beispielsweise wird für Brachflächen pauschal eine Versiegelung von 0 % für alle Flächen mit einem Vegetationsgrad von > 5 % angenommen. Für Parkflächen wird dagegen der Vegetationsgrad je nach Ausprägung in einen abgestuften Versiegelungsgrad umgewandelt (vgl. Abschlussbericht, NDVI-Kategorien).
- Pseudoveränderung, Gebäudedatengrundlage 2021 fehlerhaft: Insbesondere auf Block(teil)flächen mit Bahnnutzung kam es in 35 Fällen zu Pseudoveränderungen auf Grund einer fehlerhaften Gebäudedatengrundlage für 2021. Die Ursache liegt hier u. a. in der Tatsache, dass einige Bahnhofsgebäude im ALKIS-Gebäudedatensatz nicht geführt werden und die NOT-ALKIS-Gebäude nicht für Flächen mit Bahnnutzung verwendet werden.