Auch die gesundheitlich bedenklichen Feinstaubemissionen aus dem Auspuff der Kraftfahrzeuge sind von 1989 bis 2009 um mehr als 80 % vermindert worden. Dies stimmt sehr gut mit den Messungen des in den Straßenschluchten erfassten Dieselruß – dem Hauptbestandteil der Partikelemission aus dem Auspuff – überein: die gemessene Ruß-Konzentration ist in der Frankfurter Allee im Berliner Bezirk Friedrichshain an der Messstelle 174 des Berliner Luftgüte-Messnetzes BLUME innerhalb des Zeitraumes 2000 – 2008 um 50 % gesunken (vgl. auch Auswertungen zur Karte 03.12.1, Station 174). Aber da sich die Feinstaubemissionen durch Abrieb und Aufwirbelung des Straßenverkehrs in diesen 20 Jahren nur um 43 % vermindert haben, ist der Straßenverkehr nach den “sonstigen Quellen” der Hauptverursacher von Feinstaub in Berlin. Der berechnete Rückgang von
2008 auf 2009 beruht auf der Verwendung neuer, deutlich niedrigerer Emissionsfaktoren, faktisch dürfte die Emission im Wesentlichen nur entsprechend der Verkehrsabnahme gesunken sein, das wären vielleicht 10 %. Der Straßenverkehr einschließlich Abrieb und Aufwirbelung hatte 2009 einen Anteil von 29 % an den Feinstaubemissionen der PM10-Fraktion in Berlin, während die sonstigen Quellen 51 % verursachten (bei PM2,5-Feinstaub lag das Verhältnis bei 32 % zu 44 %).
Bei den Stickoxiden hat zu Beginn der 90-er Jahre der Straßenverkehr die Industrieanlagen als Hauptverursacher bei den Berliner Quellen abgelöst. Der Straßenverkehr hatte 2009 einen Anteil von 40 % an den Stickoxidemissionen in Berlin, während die Industrieanlagen 35,2 % der Gesamtmenge emittierten.
Vergleichsweise hoch sind die vom Kraftfahrzeugverkehr verursachten Belastungen in der Innenstadt, wo auf etwa 100 km² Fläche über 1 Mio. Menschen leben. Vor allem hier würden unter gleichbleibenden (Trend-) Bedingungen Flächenbedarf und Flächenkonkurrenz eines wachsenden Kfz-Verkehrs zunehmen. Gerade der Straßengüterverkehr wird hier (unter gleichbleibenden Bedingungen) auf zunehmende Kapazitätsengpässe im Straßenraum stoßen.
Um auf diese zum Teil stadtunverträglichen und gesundheitsrelevanten Entwicklungen Einfluss zu nehmen, wurden für Berlin zwei Planungsstrategien erarbeitet, die sich gegenseitig ergänzen:
Mit dem fortgeschriebenen Stadtentwicklungsplan Verkehr hat der Berliner Senat (mit Beschluss vom 29. März 2011) ein aktuelles Handlungskonzept vorgelegt, das die möglichen und notwendigen Schritte zur weiteren Entwicklung der Berliner Verkehrssysteme für die nächsten Jahre mit einer langfristigen strategischen Orientierung verbindet. Kern des Handlungskonzeptes bildet ein Katalog von Maßnahmen, die zuvor in ihrer Wirksamkeit, Akzeptanz und Finanzierbarkeit umfassend untersucht und abgestimmt wurden. Die Untersuchungen zum Luftreinhalteplan Berlin stützen sich, soweit dies die zukünftige Entwicklung des Verkehrs in Berlin und dem Umland betrifft, auf dieses langfristige Handlungskonzept.
Eine der zentralen Teilstrategien des Stadtentwicklungsplans Verkehr „Gesundheit und Sicherheit“ berücksichtigt bereits eine Reihe von wichtigen Maßnahmen zur Begrenzung des Kfz-Verkehrszuwachses und der damit verbundenen Wirkungen bezüglich der Senkung der Luftschadstoff- und Lärmbelastung im Hauptverkehrsstraßennetz.
Der Zielhorizont des StEP Verkehr ist mit dem Jahr 2025 eher langfristig angelegt, berücksichtigt aber mit seinem “Mobilitätsprogramm 2016” auch kurz- und mittelfristige Notwendigkeiten.
Der von der EU geforderte, standardisierte Luftreinhalteplan wurde vom Berliner Senat im August 2005 beschlossen, eine Fortschreibung unter dem Titel “Luftreinhalteplan 2009-2020” in Vorbereitung.
Entsprechend den europaweiten Vorgaben müssen im Luftreinhalteplan Angaben
- zu den Schadstoffmessungen,
- zu den Ursachen für hohe Luftschadstoffbelastungen,
- zur Anzahl und Höhe der Überschreitung der Grenzwerte,
- zu den Schadstoffemissionen und dem Anteil der verschiedenen Verursacher (z.B. Industrie, Gewerbe, Hausheizung, Verkehr) an der Immission,
- zu den Maßnahmen und einem Zeitplan zur Umsetzung,
- sowie eine Prognose der damit erzielbaren Verbesserung
gemacht werden.
Der vorliegende Luftreinhalteplan gibt Aufschluss über die rechtlichen Rahmenbedingungen, informiert über die vorherrschende Situation und beschreibt die Ursachen der Luftbelastung. Die Maßnahmen leiten sich an der bisherigen Entwicklung der Luftsituation bis 2010 und den angenommen Trends bis 2020 ab. Schwerpunkt ist die Darlegung der Bandbreite möglicher Maßnahmen und deren Bewertung. Anhand der Wirkung dieser Maßnahmen wird eine Strategie für die Berliner Luftreinhalteplanung abgeleitet. Der Luftreinhalteplan dokumentiert, dass Berlin – wie viele andere deutsche und europäische Großstädte auch – bezüglich der Einhaltung der neuen EU-Grenzwerte vor einer Herausforderung steht.
Die wesentlichen Ergebnisse lassen sich so zusammenfassen, dass der hausgemachte, nur durch Berliner Maßnahmen reduzierbare Teil der Belastung etwa die Hälfte der Feinstaubbelastung an einer Hauptverkehrsstraße ausmacht und sich aus dem urbanen Hintergrund und den lokalen Quellen zusammensetzt. Die urbane Hintergrundbelastung wird vorwiegend durch den Straßenverkehr (16 % der Gesamtbelastung von PM10) verursacht. Der Rest (11 %) stammt zu etwa gleichen Teilen aus der Berliner Wohnungsheizung, Industrie/Kraftwerken, Bautätigkeit und sonstigen Quellen in der Stadt.
Die Ergebnisse der Messungen der vergangenen Jahre und die für das Jahr 2009 durchgeführten Modellrechnungen lassen u.a. folgende Schlussfolgerungen zu:
- Der mehrjährige Trend der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastung zeigt kaum nach unten. Sowohl die hohen Werte für PM10 in 2005 und 2006 als auch der Rückgang in den Jahren 2007 und 2008 bzw. der Wiederanstieg 2009 und 2010 zeigen eine starke wetterbedingte Komponente. Die Jahresmittelwerte, aber mehr noch die Anzahl der Überschreitungen des Grenzwerts für das Tagesmittel hängen sehr stark von den meteorologischen Ausbreitungsbedingungen und der Häufigkeit von austauscharmen Hochdruckwetterlagen mit südlichen bis östlichen Winden ab.
Beim Stickstoffdioxid ist diese starke Abhängigkeit so nicht gegeben. Die weiterhin stagnierende Entwicklung der Immissionswerte wird eher durch Einflüsse der Fahrzeugflotte selbst bestimmt. Insgesamt zeigt sich die NO2-Belastung der letzten Jahre wesentlicher resistenter gegenüber Luftreinhaltemaßnahmen als die PM10-belastung.Insbesondere lagen sie selbst in den Jahren mit den günstigsten meteorologischen Ausbreitungsbedingungen an allen Straßenstandorten noch über dem seit dem 01.01.2010 gültigen Grenzwert für das Jahresmittel.
- Überschreitungen der Grenzwerte für Feinstaub (24h-Wert) und Stickstoffdioxid (Jahreswert) traten 2010 an allen verkehrsnahen Messorten auf. Die Rechnungen für 2009 und Stickstoffdioxid zeigen Überschreitungen im Hauptstraßennetz, insbesondere in der Innenstadt auf einer Gesamtlänge von rund 55 km, während der (berechnete) Jahresmittelwert für PM10 nur an wenigen Stelle den Grenzwert von 40µg/m3 überschreitet.
Aus diesen Arbeiten kann abgeleitet werden, dass in Berlin auch weiterhin die beiden problematischsten Schadstoffe NO2 und PM10 sind. Wegen ihrer gesundheitlichen Wirkung müssen für diese Stoffe in der Europäischen Union und in Deutschland strenge Grenzwerte eingehalten werden.
Wirkungen
Stickoxide sind Säurebildner. Sie sind schädlich für die menschliche Gesundheit, bewirken Schäden an Pflanzen, Bauwerken und Denkmälern und sind wesentlich an der übermäßigen Bildung von bodennahem Ozon und anderen gesundheitsschädlichen Oxidantien während sommerlicher Hitzeperioden beteiligt.
Bei Menschen und Tieren führen Stickoxide und insbesondere Stickstoffdioxid zu Reizungen der Schleimhäute im Atemtrakt und können das Infektionsrisiko erhöhen (vgl. Kühling 1986). Auch Zellveränderungen wurden beobachtet (BMUNR 1987). Verschiedene epidemiologische Untersuchungen haben einen Zusammenhang zwischen Verschlechterungen der Lungenfunktion, Atemwegssymptomen und erhöhter Stickstoffdioxidkonzentration gezeigt (vgl. Nowak et al. 1994).
Dieselruß ist ein wesentlicher Bestandteil von Feinstaub (PM10) in den Abgasen der Kraftfahrzeuge und birgt zum einen als Trägerstoff für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) ein Krebsrisiko, gilt aber auch für sich gesehen als mögliche Ursache für Lungen- und Blasenkarzinome (vgl. Kalker 1993). Außerdem stehen ultrafeine Partikel wie Dieselrußpartikel, die kleiner als 0,1 µm sind, im Verdacht, das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen zu erhöhen.
Gesetzliche Regelungen und Grenzwerte
Die Beurteilung der Luftbelastung durch den Kraftfahrzeugverkehr ist für die Immissionsschutzbehörden erst ab 1985 konkretisierbar geworden, nachdem die Europäische Gemeinschaft in der “Richtlinie des Rates vom 7. März 1985 über Luftqualitätsnormen für Stickstoffdioxid” (Richtlinie 85/203/EWG) Grenz- und Leitwerte für diesen Schadstoff festgelegt hat, außerdem schrieb sie vor, dass die Konzentration in Straßenschluchten und an Verkehrsbrennpunkten gemessen werden soll.
Aufgrund einer Vielzahl neuer Erkenntnisse zu diesem und den anderen Luftschadstoffen entstand die 1996 in Kraft getretene “Richtlinie 96/62/EG über die Beurteilung und Kontrolle der Luftqualität“ (die so genannte “Rahmenrichtlinie”).
In dieser Richtlinie wird die Kommission aufgefordert, innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens so genannte “Tochterrichtlinien” vorzulegen, in denen Grenzwerte und Details zu Mess- und Beurteilungsvorschriften für eine vorgegebene Liste von Komponenten festgelegt werden.
Inzwischen sind drei Tochterrichtlinien in Kraft getreten:
- am 19. Juli 1999 die Richtlinie 99/30/EG mit Grenzwerten für Schwefeldioxid, Feinstaub (PM10), Stickstoffdioxid und Blei
- am 13. Dezember 2000 die Richtlinie 2000/69/EG mit Grenzwerten für Benzol und Kohlenmonoxid
- am 9. Februar 2002 die Richtlinie 2002/3/EG über bodennahes Ozon zur Anzahl und Höhe der Überschreitung der Grenzwerte
- am 15. Dezember 2004 die Richtlinie 2004/107/EC mit Grenzwerten für Arsen, Kadmium, Quecksilber, Nickel und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen.
Zur Überführung der ersten beiden Tochterrichtlinien in deutsches Recht blieben jeweils zwei Jahre Zeit, die mit der 7. Novelle zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) vom September 2002, bezüglich der 1. Tochterrichtlinie deutlich überschritten wurde. Die Ozonrichtlinie ist mit der 33. Verordnung zum BImSchG in deutsches Recht übernommen worden.
Kernstück der Luftqualitätsrichtlinien sind die Immissionsgrenzwerte, die “innerhalb eines bestimmten Zeitraumes erreicht werden müssen und danach nicht überschritten werden” dürfen. Die einzuhaltenden Schadstoffkonzentrationen und der Zeitpunkt, bis zu dem die Grenzwerte eingehalten werden müssen, sind in den Tochterrichtlinien bzw. in der 22. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgelegt.
Tabelle 3 zeigt die entsprechenden Werte für die Luftschadstoffe mit dem größten Problempotential für Berlin, PM2,5, PM10 und Stickstoffdioxid.