Somit sind, beide Prozesse zusammengenommen, über 30 % des Stadtgebietes an der Ausbildung von Ausgleichsströmungen beteiligt, wobei der Flächenanteil im Verlauf der Nacht von 30,8 % um 22.00 Uhr auf 32,0 % um 06.00 Uhr morgens geringfügig zunimmt. Diese Zunahme ist darauf zurückzuführen, dass weitere unbebaute Flächen insbesondere im Umfeld des Müggelsees sowie des Grunewaldes an der Kaltluftbildung teilnehmen.
Die Folge ist, dass zum frühen Morgen zwar eine größere unbebaute Fläche an der Kaltluftentstehung mit einer Strömungsgeschwindigkeit >0,2 m/s beteiligt ist, diese sich im Vergleich zum Zeitpunkt 22.00 Uhr jedoch auf einem niedrigeren Niveau abspielt. Bei einem Vergleich der mittleren Luftaustauschrate aller Rasterzellen des gesamten Stadtgebietes fällt auf, das der mittlere Zellenwert von 7,6 (22.00 Uhr) auf 8,1 (06.00 Uhr) ansteigt. Im Gegenzug sinkt der maximale Zellenwert von 29,47 auf 22,8 ab. Insofern nimmt die mittlere Luftaustauschrate zwar insgesamt zu, die Höchstwerte des 22.00 Uhr Zeitschnittes bzw. die Intensität des Luftaustausches werden jedoch durch die zunehmende Nivellierung der Temperaturunterschiede nicht mehr erreicht.
Die Ausgleichsleistung der Freiflächen erreicht große Teile der überbauten Flächen Berlins. Eine Bilanzierung für das Stadtgebiet ergibt:
- Etwa 65,5 % der überbauten Flächen wird zum Zeitschnitt 22.00 Uhr von autochthonen Strömungen mit einer Geschwindigkeit von mindestens 2 m/s erreicht bzw. durchdrungen
- Die Ausgleichsleistung der Freiflächen sinkt auf Grund der Nivellierung des Temperaturniveau – und damit Abschwächung der thermisch induzierten Strömungssysteme – im Laufe der Nacht auf eine räumliche Abdeckung von ca. 40 % der durch Bebauung geprägten Stadtareale (Zeitschnitt 06.00 Uhr).
Durch die enge Verzahnung von bebauten Bereichen und Freiflächen weist Berlin insgesamt ein hohes klimaökologisches Ausgleichspotential auf. Kaltluftabflüsse haben daran aber einen vergleichsweise geringen Anteil. Sie treten flächenhaft vor allem in den folgenden Bereichen auf:
- Östliches Havelufer entlang des Grunewaldes
- Ostflanke des Grunewaldes
- Südlich des Großen Müggelsees im Berliner Stadtforst Bürgerheide.
Als Leitbahnen für den Kaltlufttransport fungieren große, linear ausgeprägte Freiflächen mit einer verhältnismäßig geringen Oberflächenrauigkeit. Hinsichtlich dieser Funktion sind drei Bereiche des Havel- bzw. Spreetals als bedeutsam zu nennen. Zum einen der Havelabschnitt zwischen Lieper Bucht bis Ruhlebener Straße, der auf einer Länge von ca. 7 km Kaltluft nach Norden in den Stadtteil Spandau führt. Zum anderen tritt der Rummelsburger See als Teil der Spree hervor, über den Kaltluft von Alt-Treptow und vom Plänterwald aus nach Rummelsburg strömt. Darüber hinaus ist noch ein Abschnitt der Dahme entlang von Grünauer- und Regattastraße zu nennen. Diese Ergebnisse decken sich mit den Befunden eines Gutachten des Deutschen Wetterdienstes (DWD 1996).
Aufgrund der wenig ausgeprägten Orographie sind solch relieforientierte Luftleitbahnen aber eher selten. Ein wesentlicher Beitrag zum Transport von Kaltluft aus dem Berliner Umland in das Stadtgebiet ist nicht zu erkennen, vielmehr treten nur Teile der Flusstäler innerhalb des Stadtgebietes als Leitbahnen in Erscheinung.
Als Beispiele für die Ausgleichsleistung von Freiflächen werden unter
Kartenbeschreibung / ergänzende Hinweise 3 Standorte ausführlich dargestellt, um die Dynamik des Kaltlufthaushaltes im Grenzbereich von kaltluftproduzierender Freifläche zur Bebauung zu verdeutlichen.
Abschließend soll auf den Kaltlufthaushalt Berlins als Ganzes eingegangen werden. Dazu wird der Luft-Massenstrom herangezogen, wobei ausgehend von den 22.00 Uhr Werten die Kaltluftbewegung in einer Nacht von 8 Stunden quantifiziert wird. Somit werden im Stadtgebiet Berlin in einer austauscharmen, sommerlichen Strahlungswetternacht 2,18 Billionen m³ Kaltluft bewegt. Dies entspricht einem stündlichen Durchsatz von 0,27 Billionen m³. Welche Kaltluftmengen in den einzelnen Stadtteilen bewegt werden, zeigt Tabelle 2.