Oberflächentemperaturen bei Tag und Nacht 1991

Methode

Bei den IR-Thermalaufnahmen wird die Oberflächentemperatur nicht direkt gemessen, sondern über die von den zu erfassenden Strukturen ausgehende langwellige Strahlung berechnet; erfasst wird die sogenannte Strahlungstemperatur. Dabei handelt es sich um einen Energietransport mittels elektromagnetischer Wellen, wobei die Strahlung der Fluss der elektromagnetischen Wellen pro Fläche und Zeit ist. Strahlung und Temperatur eines Körpers unmittelbar an seiner Oberfläche stehen in einem funktionalen Zusammenhang, ausgedrückt durch das Gesetz von Stefan-Boltzmann. Dieser Zusammenhang besteht, wenn die Oberflächen annähernd ihr volles Emissionsvermögen (Emissionswert = 1) erreichen. Dies ist für alle wichtigen Oberflächenelemente innerhalb des erfassten Wellenlängenbereich von 10,4 bis 12,5 µm gegeben, so dass der Einfluss der Atmosphäre auf das Emissionsverhalten vergleichsweise gering bleibt. Die Differenz zwischen der vom Satelliten erfassten Strahlungstemperatur und der berechneten Oberflächentemperatur ist somit in der Regel vernachlässigbar. Nur Metalloberflächen, wie sie z.B. bei Flachdächern Verwendung finden, weichen mit Emissionswerten von 0,1 beträchtlich ab und müssen daher auch bei der Interpretation eine Sonderstellung einnehmen.

Von größerer Bedeutung ist dagegen der Grad der räumlichen Auflösung der Bildelemente in Pixel von 120 m x 120 m. Diese werden zwar vor Übergabe an den Bearbeiter durch die Bodenstation der ESA in Pixel von 30 m x 30 m umgerechnet. Doch bedeutet die Ausgangsgröße in vielen Fällen die Erfassung von Mischsignaturen, die z.B. die Bestimmung von Straßenzügen, kleineren Stadtplätzen oder unterschiedlichen Vegetationsstrukturen erschwert. Für jedes etwa 14 000 m2 große Raster liegt somit zunächst nur die über alle im Raster enthaltenen Flächenstrukturen integrierte mittlere Strahlungstemperatur vor.

Die digitale Bearbeitung des Ausgangsmaterials erfolgte mit dem Bildverarbeitungssystem ERDAS. Zunächst war für die geplante Überlagerung beider Szenen zu einer Differenzenkarte eine geometrische Entzerrung notwendig. Aufgrund der geringen Auflösung der Ausgangspixel und dem damit verbundenen hohen Anteil an Mischsignaturen eigneten sich vorrangig die Gewässer als Passpunkte, da sie zumeist größere homogene Flächen bilden und außerdem durch den Temperaturunterschied zur Umgebung gut zu erkennen sind.

Die Umrechnung der vom Satelliten gemessenen Strahlungsmengen in Temperaturwerte ergab zunächst insgesamt 53 Grauwertstufen, die jeweils ein Temperaturintervall von etwa 0,5 °C repräsentierten. Damit lag der Minimum-Wert bei 4,3 °C (Nachtszene), während der Maximum-Wert 28,9 °C (Tagszene) erreichte. Die Temperaturabweichungen ausgewählter Strukturen zu dem zeitgleich durchgeführten Bodenmessprogramm führten zu einer Klassifizierung der Temperatur in Schritten von je 1 °C. Um die Datenmenge übersichtlicher zu gestalten, wurden ohne großen Informationsverlust die Minima und Maxima in den offenen Klassen <= 8 und > 26 °C zusammengefasst.

Für die Differenzenkarte wurde eine zusammenfassende qualitative Klassifizierung der Temperaturdifferenzen in 5 Stufen von “niedrig” bis “hoch” gewählt, um damit auch den nicht optimalen Erfassungszeitpunkten Rechnung zu tragen. Optimale Überfliegungszeitpunkte würden vor allem im Innenstadtbereich zu stärkeren Differenzierungen entsprechend dem jeweiligen Ausstrahlungsverhalten der Flächen am Tage und in der Nacht führen. Besonders die innerstädtischen Grünflächen würden sich dann als stärker abkühlende Flächen intensiv gegenüber der dichten Bebauung und den Industriegebieten mit hohem Wärmepotential in den Baumaterialien abheben.

Aussagen zum Temperaturniveau, auf dem sich die Differenzen bewegen, d.h. ob es sich um relativ hohe oder eher niedrige Oberflächentemperaturen handelt, sind in der Karte nicht enthalten. Hinweise hierzu gibt Abbildung 2.

Als Grundlage für die Interpretation und vergleichende Analyse der Tag- und Nachtsituation soll abschließend nochmals auf die von der beschriebenen Aufnahmetechnik und den Erfassungszeitpunkten bestimmten Möglichkeiten und Grenzen hingewiesen werden:

  • Kleinteilig differenzierte horizontale und vertikale Strukturen (Innenhöfe, Straßenbereiche, Stadtplätze) können nur als Mischpixel erfasst werden.
  • Die Überfliegungszeitpunkte Morgen und früher Abend erfassen nicht die Zeitpunkte größter Erwärmung bzw. größter Abkühlung. Vielmehr spielen die materialabhängigen Wärmeleit- und Wärmespeichervermögen eine besondere Rolle. So besitzt – besonders bei windschwachen Strahlungswetterlagen – der trockene, an Luftporen reiche Sandboden der Äcker und abgestorbenen Brachflächen eine schlechte Wärmeleitung und erzeugt damit eine rasche vormittägliche Erwärmung bzw. abendliche Abkühlung im Kartenbild. Umgekehrt führen die gut wärmespeichernden Eigenschaften der Baumaterialien Beton, Asphalt und Stein zu einer verlangsamten Erwärmung und Abkühlung und somit zu einer nur eingeschränkten Wiedergabe der “Wärmeinsel Stadt”.
  • In Hinsicht auf die Freiflächen sind auch die durch den jahreszeitlichen Wechsel hervorgerufenen Veränderungen von Bedeutung. Insbesondere bei Ackerflächen und Magerrasen werden durch die Erntezeitpunkte bzw. das weitgehende oberirdische Absterben der Bestände z.T. entscheidende Modifikationen im Temperaturverhalten erzeugt.