Klimamodell Berlin - Planungshinweise Stadtklima 2015

Kartenbeschreibung

Karte 04.11.1 Hauptkarte

Siedlungsraum

Die thermische Situation wird in rd. 60 % des Siedlungsraums als „ungünstig“ oder „weniger günstig“ eingestuft. Insbesondere für die Bewertungsklasse „ungünstig“ sind aus fachlicher Sicht proaktive Maßnahmen zur Verbesserung der Situation sowie ein verantwortungsvoller Umgang mit der Flächenressource dringend anzuraten. Mit Blick auf Extremereignisse sowie den Klimawandel lässt sich dieser Hinweis auf die Flächen der Klasse „weniger günstig“ ausweiten. 40 % des Siedlungsraums sind demgegenüber als günstig oder sehr günstig einzustufen (vgl. Abbildung 1). Hier ist bei baulichen Maßnahmen darauf hinzuwirken, dass sie nicht für die Tag- oder Nachtsituation zu erheblichen negativen Auswirkungen auf der Fläche selbst sowie auf angrenzenden Flächen führen.

Abbildung 1: Prozentuale Verteilung der Bewertungsklassen zur thermischen Gesamtsituation in den Siedlungsräumen (Verknüpfung von Tag- und Nachtsituation) Berlins

Abb. 1: Prozentuale Verteilung der Bewertungsklassen zur thermischen Gesamtsituation in den Siedlungsräumen (Verknüpfung von Tag- und Nachtsituation) Berlins

Die räumlichen Schwerpunkte der tageszeitlich kombinierten thermischen Belastung liegen in den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte (vgl. Abbildung 2 und Abbildung 3). Hier fallen jeweils > 80 % des Siedlungsraums in die Klassen „weniger günstig“ oder „ungünstig“, womit eine Empfehlung zur Verbesserung der Situation einhergeht. Geschlossene Blockrandbebauungen (Flächentypen 2 und 7) sowie der großflächige Einzelhandel (Typ 30) machen in den beiden Bezirken mehr als 40 % der Flächennutzung aus. Entsprechend hoch sind Bauvolumen und Versiegelungsgrad und entsprechend niedrig ist das Grünvolumen. Beides führt zu teilräumlich hohen Belastungen vor allem in der Nacht, in Teilräumen aber auch am Tage.

Vergleichsweise gut ist die thermische Situation in den Bezirken Steglitz-Zehlendorf, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick, in denen jeweils auf weniger als 50 % der Fläche Maßnahmen zur Verbesserung notwendig sind. Den Bezirken kommt zum einen ihr hoher Grünanteil und dessen Anschluss an die Kaltluftentstehungsgebiete in der Stadt und im Umland (u.a. Forst Grunewald in Steglitz-Zehlendorf, ausgedehnte Waldgebiete zwischen Müggelsee und Dahme in Treptow-Köpenick) zu Gute. Zum anderen begünstigt auch die historisch bedingt offenere Bebauungsstruktur ein vergleichsweise geringes thermisches Belastungsniveau. So nehmen in allen Bezirken „Freistehende Einfamilienhäuser mit Garten“ (Typ 23) den höchsten Flächenanteil ein. In Marzahn-Hellersdorf beträgt dieser Anteil sogar nahezu 50 %.

Diese Werte dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch in den bioklimatisch begünstigten Bezirken auf eine stadtklimagerechte Erhaltung und/bzw. Entwicklung geachtet werden sollte und auf Teilflächen sogar Maßnahmen zur Verbesserung der thermischen Situation anzuraten sind. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Ortsteile Marzahn und Hellersdorf, deren „Großsiedlungen und Punkthochhäuser“ (Typ 23) zu fast 80 % eine ungünstige thermische Gesamtbewertung aufweisen, was vor allem auf die Tagsituation bzw. die Situation im Öffentlichen (Straßen-)Raum zurückzuführen ist.

Abb. 2: Räumliche Verteilung der Bewertungsklassen zur thermischen Gesamtsituation in den Siedlungsräumen (Verknüpfung von Tag- und Nachtsituation) Berlins

Bilanzierung der thermischen Gesamtsituation im Siedlungsraum der 12 Bezirke Berlins

Abb. 3: Bilanzierung der thermischen Gesamtsituation im Siedlungsraum der 12 Bezirke Berlins

Öffentliche Straßen, Wege und Plätze

Rund 55 % der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze Berlins lassen sich den beiden höchsten Belastungsklassen zuordnen (vgl. Abbildung 4). Für die Straßenabschnitte und Plätze der Klasse 4 wird empfohlen, bereits kurzfristig Maßnahmen zur Verbesserung der thermischen Situation umzusetzen. Diese sollten eine Wirkung für die Tagsituation entfalten (vor allem verschattende Maßnahmen). Wenn eine in der Nachtsituation als thermisch belastete Siedlungsfläche unmittelbar angrenzt, sind zusätzliche Maßnahmen sinnvoll (vor allem solche, die die Wärmespeicherung reduzieren). Ein besonderer Fokus sollte dabei auch auf solche Abschnitte gelegt werden, auf denen sowohl eine ungünstige thermische Situation als auch eine erhöhte oder sehr hohe verkehrliche Luftbelastung modelliert wurde.

Mittelfristig sind Maßnahmen aber auch schon auf Teilflächen zu empfehlen, denen die Klasse „weniger günstig“ zugeordnet wurde. Während Hitzeperioden können hier noch deutlich höhere Belastungen erreicht werden als in der Modellierung abgebildet wird. Zudem wird der Klimawandel das Belastungsniveau eines durchschnittlichen Sommertages allmählich auch im Öffentlichen Straßenraum anheben.

Auf den übrigen 45 % der Fläche der Raumeinheit kann die thermische Situation gegenwärtig als günstig oder sehr günstig eingestuft werden. Maßnahmen zur weiteren Verbesserung sind nicht zwingend notwendig, sollten aber in Betracht gezogen werden, wenn etwaig angrenzende Siedlungsräume eine Belastung aufweisen und Maßnahmen dort nicht oder in nicht ausreichendem Umfang umgesetzt werden können.

Prozentuale Verteilung der Bewertungsklassen zur thermischen Gesamtsituation auf Öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen in Berlin

Abb. 4: Prozentuale Verteilung der Bewertungsklassen zur thermischen Gesamtsituation auf Öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen in Berlin

Die räumlichen Schwerpunkte der thermischen Belastung auf den Öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen weisen einen engen Zusammenhang mit dem Grünvolumen bzw. dem Anteil von durch Straßenbäumen bedeckten Grundfläche der Straßenabschnitte auf (beide Größen liegen als berechnete Werte aus den erfassten Vegetationsstrukturen vor (SenStadtUm 2014). Die Grundflächenüberdekcung durch Straßenbäume liegt etwa im Bezirk Marzahn-Hellersdorf bei lediglich durchschnittlich 8 %. Auch beim Grünvolumen im Öffentlichen Straßenraum weist der Bezirk die geringsten Anteile auf; Steglitz-Zehlendorf dagegen als Bezirk mit den niedrigsten Anteilen (24,5 %) “weniger günstiger“ bzw. “ungünstiger“ thermischer Verhältnisse auf Öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen besitzt in dieser Raumeinheit in etwa das 2,5 fache Grünvolumen gegenüber Marzahn-Hellersdorf (vgl. Abbildung 5 und Abbildung 6).

In den meisten übrigen Bezirken liegt der Flächenanteil der kumulierten Werte für die Belastungssituation zwischen 55 % und 65 %. Das angenehmste Bioklima im Öffentlichen Straßenraum herrscht nach der vorliegenden Bewertung in den Bezirken Steglitz-Zehlendorf, Charlottenburg-Wilmersdorf und Reinickendorf. Hier betragen die kumulierten Flächenanteile der Klassen 3 und 4 nur zwischen knapp 25 bis unter 40 %. Dass aber selbst in diesen Bezirken noch Potential zur Verbesserung existiert, zeigen die Anteile der von Straßenbäumen bedeckten Grundfläche der Straßenabschnitte: Sie liegen für die beiden letztgenannten Bezirke zwischen 14 % und 16 %.

Abb. 5: Gesamtbewertung der thermischen Situation auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen in Berlin

Bilanzierung der thermischen Gesamtsituation im Siedlungsraum der 12 Bezirke Berlins

Abb. 6: Bilanzierung der thermischen Gesamtsituation auf den Öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen der 12 Bezirke Berlins

Luftaustausch

Das großräumige Luftaustauschsystem Berlins besteht vor allem aus drei Komponenten:

  • Luftleit- und Ventilationsbahnen,
  • orographisch-thermisch induzierte, flächenhafte Kaltluftabflüsse,
  • thermisch induzierte, linienhafte Kaltluftleitbahnen.

Die für Berlin wichtigen Luftleit- und Ventilationsbahnen folgen den Tälern von Havel, Dahme und Spree. Sie sind vor allem bei allochthonen Wetterlagen von Bedeutung, bei denen sich aufgrund von mehr oder weniger großräumigen Luftdruckunterschieden regionale Windsysteme ausbilden. In Berlin treten diese Wetterlagen im langjährigen Mittel (2001-2010) in Abhängigkeit von der betrachteten Station zwischen 61,9 % (Berlin-Grunewald) und 91,5 % (Berlin-Dahlem) auf (SenStadtUm 2015a). Dabei herrschen westliche Windrichtungen vor. In den Tälern wird die herangeführte Kaltluft kanalisiert, beschleunigt und auf diese Weise in die vergleichsweise windschwachere Innenstadt transportiert („Düseneffekt“). Um dieses Phänomen optimal ausnutzen zu können, sollten Uferbereiche freigehalten und in den Übergangszonen zu Gewässern die Bebauung offen gehalten werden.

Autochthone Wetterlagen ohne (oder mit nur sehr schwach ausgeprägten) übergeordneten Windsystemen treten in Berlin zwar seltener auf (8,5 % – 38,1 % der Jahresstunden). Für die Gesundheit der Stadtbevölkerung sind sie in aller Regel aber mit stärkeren Belastungen verbunden, da aufgrund von Inversionen der Abtransport von Luftschadstoffen gehemmt wird und es zur Ausprägung der städtischen Wärmeinsel kommt. Für diese Wetterlagen übernehmen lokale, thermisch und/oder orographisch induzierte Kaltluftabflüsse und Flurwindsysteme die Versorgung der Stadt mit Kalt-/Frischluft.

Der thermisch-orographisch induzierte Kaltluftabfluss ist auf Reliefunterschiede zurückzuführen, die in den frühen Morgenstunden zu einem hangparallelen Abfluss der sich abkühlenden Luft führt. Die Voraussetzung für planungsrelevante Kaltluftabflussvolumina ist eine großflächige Hangneigung von > 1 %, die zudem in Richtung einer (thermisch belasteten) Siedlungsfläche ausgerichtet sein sollte. Das flächenmäßig größte Kaltluftabflusspotential besitzt der Grunewald. Hier kann Kaltluft auf fast 3.500 ha abfließen. Insbesondere im nördlichen und östlichen Teil profitiert die angrenzende Wohnbebauung hiervon unmittelbar.

Rein thermisch induzierte Kaltluftleitbahnen sind demgegenüber deutlich häufiger und zudem homogener über das Stadtgebiet verteilt. Sie sind auf die kleinräumige Abfolge von lokalen Hoch- und Tiefdruckgebieten innerhalb Berlins während der Nachtstunden autochthoner Wetterlagen zurückzuführen und sorgen dafür, dass die über den warmen, dicht bebauten Siedlungsbereichen aufsteigende Luft bodennah durch vergleichsweise kühlere Luftmassen aus ihrem Umfeld, insbesondere größeren Grün-/Freiflächen ersetzt wird. Sie stellen insbesondere für den Innenstadtbereich die wichtigsten Entlastungswirkungen dar.

Ihre Wirkungsbereiche untereinander und gegen die der anderen Komponenten des Luftaustauschsystems flächenscharf abzugrenzen ist aufgrund von räumlichen Überschneidungen nicht ohne weitere modell- und messtechnische Analysen möglich. Allerdings lassen sich die Kernbereiche der einzelnen Leitbahnen auf Basis der Modellierung näherungsweise räumlich abgrenzen und damit überschlägig bilanzieren und vergleichen. Als Kernbereich des thermisch induzierten Leitbahntyps eigenen sich Grünzüge im besonderen Maße. Sie transportieren nicht nur die im Außenbereich erzeugte Kaltluft weiter, sondern reichern den Luftstrom mit zusätzlichen Kaltluftvolumina weiter an. Auch über breite Straßenzüge können relevante Mengen an Kaltluft in die Stadt transportiert werden. Hier müssen lufthygienisch belastete von unbelasteten Leitbahnen unterschieden werden (VDI 2015).

Die Ausweisung der Leitbahnen und ihrer Korridore erfolgte manuell als gutachterliche Einschätzung und orientiert sich an der Ausprägung des autochthonen Strömungsfeldes der durchgeführten FITNAH-Simulation. Die Abgrenzung der Leitbahnkorridore ist dabei nicht flächenscharf und bedarf im konkreten Planungsfall (z.B. einem Bauvorhaben) zumeist mindestens einer zusätzlichen gutachterlichen Einschätzung.

Für das Berliner Stadtgebiet wurden insgesamt 21 Leitbahnen identifiziert (vgl. Abbildung 7). Ihre Kernbereiche umfassen eine Fläche von insgesamt rd. 1.250 ha, was 1,4 % des gesamten Stadtgebietes entspricht. Jede Leitbahn stellt eine zentrale Komponente des Luftaustauschsystems Berlins dar. Daher sind alle baulichen Hindernisse zu vermeiden, die einen Kaltluftstau verursachen könnten. Grundsätzlich ist der Erhalt des Grün- und Freiflächenanteils anzustreben. Im Falle einer Bebauung sind die Bauhöhen möglichst gering zu halten und die Neubauten längs zur Leitbahn auszurichten. Randbebauungen sind gänzlich zu vermeiden.

Abb. 7: Kernzonen der Kaltluftleitbahnen („Leitbahnkorridore“) in Berlin

Für alle drei Hauptkomponenten des Berliner Luftaustauschsystems gilt gleicher Maßen, dass zwar ihre individuellen Strukturen (Luftleit- und Ventilationsbahnen), Potentialflächen (Kaltluftabflüsse) bzw. Kernzonen (Kaltluftleitbahnen) aus den Modellergebnissen und weiteren Sach- und Geodaten abgeleitet werden können. Eine flächenscharfe bzw. komponentenbezogene Abgrenzung ihrer spezifischen Einwirkungsbereiche – die in aller Regel deutlich über die oben dargestellten Flächen hinausgehen – kann allerdings aufgrund von gegenseitiger räumlichen Überlagerung und Beeinflussung ohne weitere vertiefende Untersuchungen nicht mit ausreichender Sicherheit geleistet werden.

Es ist allerdings möglich, den gesamthaften Kaltlufteinwirkungsbereich des Berliner Austauschsystems abzubilden und zu bilanzieren (vgl. Abbildung 8). Bestandteil dieser Analyse ist auch die aus den vielen kleineren und größeren Grünflächen sowie den stark durchgrünten Siedlungsräumen ausströmende Kaltluft. Diese lokalen Phänomene bilden das kleinste Mosaikstück des Berliner Luftaustausches und bieten vor allem Teilflächen von kaltluftleitbahn- bzw. kaltluftabflussfernen Siedlungsräumen eine klimaökologische Wohlfahrtswirkung (dies betrifft u.a. die Bezirke Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg).

Abb. 8: Summarischer Einwirkungsbereich der Komponenten des Berliner Luftaustauschsystems bei autochthonen Wetterlagen

Wie Abbildung 9 verdeutlicht, bestehen zwischen den Berliner Bezirken große Unterschiede in Bezug auf den absoluten und relativen Anteil der von der Kaltluft profitierenden Bewohner sowie der beeinflussten Siedlungsraumfläche. In allen genannten Kategorien nehmen die Bezirke Reinickendorf, Pankow und Spandau die drei günstigsten Ränge ein. Sie profitieren am stärksten vom Luftaustausch. Der Bezirk Reinickendorf sticht in der Statistik besonders heraus: ungefähr 80 % der Bewohner bzw. der Siedlungsraumfläche sind an Kaltluftflüsse angeschlossen. Es kann begründet davon ausgegangen werden, dass die deutlich unterdurchschnittliche nächtliche thermische Belastung und vor allem der sehr geringe Anteil an Block(teil)flächen der Klasse „ungünstige thermische Situation“ in den drei Bezirken sehr eng mit der guten Versorgung mit Kaltluft verbunden ist. Dieser Zusammenhang lässt sich in umgekehrter Weise auch für die Bezirke Tempelhof-Schöneberg und vor allem Friedrichshain-Kreuzberg unterstellen. In beiden Bezirken profitieren nur wenig mehr als 20.000 Einwohner (entspricht < 10 %) von den Kaltluftflüssen. Insgesamt profitieren in Berlin auf Grundlage der Modellergebnisse rd. 1 Mio. Einwohner (entspricht ca. 30 % der Gesamtbevölkerung) von der über das vielschichtige Luftaustauschsystem in die Stadt transportierten oder direkt in ihr produzierten Kaltluft.

Diese Werte verdeutlichen zum einen die zentrale Bedeutung des Kaltlufthaushaltes für Berlin. Sie zeigen zum anderen aber auch ein Verbesserungspotential auf, das es mithilfe von Maßnahmen zu erschließen gilt.

Abb. 9: Bilanzierung der Kaltlufteinwirkung auf den Siedlungsraum in Berlin nach Bezirken

Grün- und Freiflächen

Etwas mehr als der Hälfte der Berliner Grün- und Freiflächen ist die höchste Schutzwürdigkeit zugewiesen worden (Abbildung 10 und Abbildung 11). Diese Flächen umfassen die für die gegenwärtige Siedlungsstruktur besonders wichtigen klimaökologischen Ausgleichsräume. Ihre Klimafunktionen sind von sehr hoher Bedeutung. Bauliche Eingriffe sollten vermieden oder, sofern bereits planungsrechtlich vorbereitet (FNP-Bauflächen), unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Klimafunktionen erfolgen. Zur Optimierung der Ökosystemdienstleistung sollten eine gute Durchströmbarkeit der angrenzenden Bebauung, eine Vernetzung mit benachbarten Grün- und Freiflächen sowie ggf. eine Erhöhung der Mikroklimavielfalt angestrebt werden.
Neben sämtlichen kernstädtischen Grün-/und Freiflächen (u.a. Park am Gleisdreieck, Tempelhofer Feld, Großer Tiergarten) sind auch einige landwirtschaftliche Nutzflächen im Berliner Norden Bestandteil der höchsten Bewertungsklasse.

Rund einem Drittel aller Frei- und Grünflächen Berlins kann eine hohe Schutzwürdigkeit beigemessen werden. Den mit ca. 85 % weitaus überwiegenden Anteil daran machen die ausgedehnten Waldgebiete Berlins aus. Unter dem übrigen Flächenanteil dominieren vor allem Parkanlagen, Kleingärten und vegetationsbestimmte Brachflächen.

Diese Flächen stellen für die gegenwärtige Siedlungsstruktur wichtige klimaökologische Ausgleichsräume dar. Bauliche Eingriffe sollten äußerst maßvoll oder, sofern bereits planungsrechtlich vorbereitet (FNP-Bauflächen), unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Klimafunktionen erfolgen. Zur Optimierung der Ökosystemdienstleistung sollten eine gute Durchströmbarkeit der angrenzenden Bebauung, eine Vernetzung mit benachbarten Grün- und Freiflächen sowie ggf. eine Erhöhung der Mikroklimavielfalt angestrebt werden.

Damit weisen rd. 95 % aller Berliner Grün- und Freiflächen eine hohe bis sehr hohe klimaökologische Schutzwürdigkeit auf. Dies illustriert die herausragende Relevanz der meisten Grün- und Freiflächen für ein gesundes Berliner Stadtklima.
Flächen mit einer mittleren Schutzwürdigkeit stellen den Ergänzungsraum zum stadtklimatischen Ausgleichssystem dar, machen aber nur einen sehr geringen Anteil an der Gesamtfläche der Raumeinheit aus. Die angrenzende Bebauung profitiert von den bereit gestellten Klimafunktionen, ist in aller Regel aber nicht auf sie angewiesen. Allen übrigen Flächen wurde eine geringe Schutzwürdigkeit zugewiesen. Sie stellen für die gegenwärtige Siedlungsstruktur keine klimaökologisch relevante Dienstleistung bereit. Für alle Flächen mit einer geringen oder mittleren Schutzwürdigkeit gilt, dass ihre Bewertung im Falle ihrer Bebauung oder einer Bebauung ihrer näheren Umgebung neu vorgenommen werden muss.

Prozentuale Verteilung der Bewertungsklassen zur klimaökologischen Schutzwürdigkeit von Grün-/Freiflächen in Berlin

Abb. 10: Prozentuale Verteilung der Bewertungsklassen zur klimaökologischen Schutzwürdigkeit von Frei-/und Grünflächen in Berlin

Abb. 11: Räumliche Verteilung der Bewertungsklassen zur klimaökologischen Schutzwürdigkeit der Grün-/Freiflächen in Berlin

Karte 04.11.2 Ergänzende Planungshinweise

Flächen mit besonderen stadtklimatischen Missständen

Für alle Block(teil)flächen des Siedlungsraumes bzw. alle Straßenabschnitte mit einer weniger günstigen und vor allem mit einer ungünstigen thermischen Situation wird die Umsetzung von Maßnahmen empfohlen. Darüber hinaus existiert auch für einige Frei- und Grünflächen ein Potential zur Verbesserung ihrer klimatischen Ökosystemdienstleistungen (z.B. im Zusammenhang mit der Mikroklimavielfalt). Bei Flächen mit einem besonderen stadtklimatischen Missstand handelt es sich um denjenigen Ausschnitt der Flächenkulisse, für den aufgrund eines besonders hohen Belastungsniveaus ein prioritärer Handlungsbedarf besteht, der z.B. im Rahmen der Stadtsanierung oder des Stadtumbaus gedeckt werden könnte.

Um möglichst konkrete Hinweise für die drei Raumeinheiten (Siedlungsraum, Grün-/Freiflächen, Straßenraum) der Hauptkarte geben zu können, werden im Folgenden sechs Flächenkategorien unterschieden (vgl. Tabelle 1). Vier davon beziehen sich auf den Siedlungsraum. Hier wird zwischen den Funktionen Wohnen, Gewerbe/Industrie, Gemeinbedarf/Sondernutzungen und Kerngebiet unterschieden. Für Öffentliche Straßen, Wege und Plätze sowie Grün- und Freiflächen wurde je eine Kategorie prioritärer Handlungsräume ausgewiesen. Die Ausweisung beruht im Sinne eines fachplanerischen Hinweises auf rein klimatischen Aspekten. Eine Verknüpfung mit weiteren Vulnerabilitätsfaktoren erfolgt in einem weiteren Schritt (vgl. Kapitel „Flächen mit einer besonderen Vulnerabilität gegenüber dem Stadtklima“).

Tabelle 1: Kategorien und Methoden für die Ausweisung von Flächen mit besonderen stadtklimatischen Missständen

Tab. 1: Kategorien und Methoden für die Ausweisung von Flächen mit besonderen stadtklimatischen Missständen

h6. * WOZ= Abkürzung für die Kategorien der baulichen Nutzungen, steht für „Wohnzahl“; eingehende Beschreibung siehe SenStadt 2010

Flächenkategorien übergreifend sind 751 prioritäre Handlungsräume identifiziert worden. Den größten Anteil daran weist mit fast 60 % die Kategorie „Straßenabschnitte“ auf. In etwa einem weiteren Drittel sind die dem Siedlungsraum zugeordneten Kategorien subsummiert. Der Siedlungstyp „Wohnen“ stellt hierbei mit 107 Block(teil)flächen die größte Gruppe dar. Die restlichen ca. 10 % entfallen auf die Kategorie Park | Grünfläche | Stadtplatz | Promenade (Abbildung 12).

Prozentuale Verteilung der Flächenkategorien mit besonderen stadtklimatischen Missständen in Berlin

Abb. 12: Prozentuale Verteilung der Flächenkategorien mit besonderen stadtklimatischen Missständen in Berlin

Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass in allen Bezirken Flächen mit einem prioritären Handlungsbedarf identifiziert worden sind. Der räumliche Schwerpunkt liegt in den Bezirken Mitte (alle Flächenkategorien relevant) und Charlottenburg-Wilmersdorf (hier ist vor allem der Straßenraum von Bedeutung). In diesen beiden Bezirken sind fast 40 % aller vorrangig zu sanierenden Gebiete verortet. Einen nachgeordneten Brennpunkt bilden die Bezirke Tempelhof-Schöneberg, Marzahn-Hellersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg. In den Bezirken Reinickendorf und Steglitz-Zehlendorf hingegen treten nur einige wenige Hot-Spots auf (Abbildung 13 und Abbildung 14).

Bilanzierung der Flächen mit besonderen stadtklimatischen Missständen für die 12 Berliner Bezirke

Abb. 13: Bilanzierung der Flächen mit besonderen stadtklimatischen Missständen für die 12 Berliner Bezirke

Abb. 14: Flächen mit besonderen stadtklimatischen Missständen in Berlin

Flächen mit einer besonderen Vulnerabilität gegenüber dem Stadtklima

Die Ausweisung von Flächen mit einem besonderen stadtklimatischen Missstand basiert auf einer rein fachplanerischen, klimatischen Perspektive. Ihre Verknüpfung mit weiteren nicht-klimatischen Kriterien kann in Sinne einer räumlich differenzierten Vulnerabilitätsbetrachtung zusätzliche Entscheidungshilfen im Zusammenhang mit der Umsetzung von Maßnahmen insbesondere für die Raumeinheit „Siedlungsraum“ offenlegen.

Inwiefern einzelne Block(teil)flächen des Siedlungsraumes vulnerabel gegenüber der stadtklimatischen Situation sind, ist neben dem primären Kriterium des Aufenthalts-/Nutzungszeitpunktes noch von weiteren sekundären Faktoren abhängig. Hierzu gehört allen voran die demographische Zusammensetzung des betrachteten Quartiers. Darüber hinaus sind auch das Vorhandensein bestimmter sensibler Gebäude-/Flächennutzungen sowie der Versorgungsgrad von Wohngebieten mit adäquaten Grünflächen Faktoren, die einen Einfluss auf das Vulnerabilitätsniveau ausüben.

h5. Besondere Vulnerabilitäten aufgrund der demographischen Zusammensetzung

Als besonders sensibel gegenüber thermischem (Hitze-)Stress gelten gemeinhin vor allem der ältere Teil der Bevölkerung (über 65 Jahre [Ü65]) aufgrund der mit dem Alter steigenden Anfälligkeit für Herz-Kreislauferkrankungen sowie Kleinkinder unter 6 Jahren (U6) und vor allem Säuglinge aufgrund ihrer fehlenden bzw. nicht vollausgeprägten Fähigkeit zur Thermoregulation (Jendritzky 2007). Ein Zusammenhang zwischen einer erhöhten Mortalität und dem Auftreten von Hitzeperioden ist für den Raum Berlin-Brandenburg empirisch nachweisbar und lässt sich auch modelltechnisch abbilden (Scherber 2014, Scherer et al. 2013, Fenner et a. 2015).

Vertiefende Informationen zu den Zusammenhängen zwischen „Gesundheit und Stadtklima“ bietet der darauf bezogene Exkurs (Scherber 2016).

In Berlin leben etwa 850.000 Menschen, denen aufgrund ihres Alters eine besondere thermische Sensitivität unterstellt werden kann (Statistik BBB 2014). Das Verhältnis zwischen dem sensiblen älteren und dem sensiblen jüngeren Anteil der Bevölkerung liegt in etwa bei 3,4: 1. Dass die Risikogruppe der älteren Menschen deutlich größer ist als diejenige der Kleinkinder und Säuglinge ist für alle Bezirke gleichermaßen gültig. Am stärksten ausgeprägt ist dieses Phänomen im Bezirk Steglitz-Zehlendorf (5,3: 1), wo auch mit knapp 90.000 die insgesamt meisten thermisch sensiblen BerlinerInnen wohnen. In Friedrichshain-Kreuzberg – dem Bezirk mit der geringsten Anzahl an thermisch sensiblen Einwohnern (ca. 45.000) – kommen auf eine Person im Alter U6 lediglich 1,6 Ü65-Jährige.

In welchem Ausmaß sich aus dieser Sensitivität auch eine tatsächliche Vulnerabilität ableiten lässt, hängt im Wesentlichen von der geographischen Verteilung der Risikogruppen im räumlich differenzierten Belastungsfeld ab. Im Ergebnis besteht in ca. einem Drittel aller Block(teil)flächen eine hohe oder sehr hohe demographische Vulnerabilität. Ungefähr drei Viertel aller hitzesensiblen BerlinerInnen wohnen in diesen Gebieten (rund 650.000 Einwohner). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass lediglich auf einem vergleichsweise kleinen Gebiet Maßnahmen umgesetzt werden müssten, um einen hohen Anteil der vulnerablen Bevölkerungsgruppen thermisch zu entlasten.

Eine räumliche differenzierte Analyse auf Ebene der Berliner Bezirke zeigt, dass zwar eine grundsätzliche Übereinstimmung in der Verteilung der klimasensiblen Bevölkerungsgruppen mit den Raummustern der tatsächlichen demographischen Vulnerabilität besteht, dass aber doch einige wesentliche Unterschiede bestehen (Abbildung 15 und Abbildung 16).

So stellt der Bezirk Steglitz-Zehlendorf zwar die größte Gruppe an thermisch sensiblen Personen bei der demographischen Vulnerabilität nimmt der Bezirk aber nur Rang 7 ein. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass das Belastungsniveau hier insgesamt deutlich unter dem Durchschnitt liegt. Zum anderen wohnen die Risikogruppen gegenwärtig tendenziell in thermisch begünstigten Gebieten. Der umgekehrte Fall gilt für Pankow. Hier besteht absolut betrachtet die größte demographische Vulnerabilität, obwohl der Bezirk lediglich die viertgrößte sensible Population beheimatet.

Am unteren Ende der Skala entsprechen sich die beiden Ergebnisse demgegenüber: Spandau, Marzahn-Hellersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg weisen sowohl die geringste Anzahl sensibler Personen als auch der demographischen Vulnerabilität auf. Insbesondere für Friedrichshain-Kreuzberg gilt aber, dass der weitaus überwiegende Teil der sensiblen Bevölkerung auch in thermisch belasteten Gebieten wohnt (ca. 80 %). Einen höheren Anteil weist nur noch der Bezirk Lichtenberg auf (82 %). Auch Mitte und Neukölln liegen noch in der derselben Größenordnung.

Abb. 15: Demographische Vulnerabilität gegenüber der thermischen Belastung – Räumliche Analyse auf Ebene der Block(teil)flächen in Berlin

Demographische Vulnerabilität gegenüber der thermischen Belastung – Bilanzierung auf Ebene der Berliner Bezirke

Abb. 16: Demographische Vulnerabilität gegenüber der thermischen Belastung – Bilanzierung auf Ebene der Berliner Bezirke

h5. Besondere Vulnerabilitäten aufgrund stadtklimasensibler Gebäude-/Flächennutzungen

Als aus stadtklimatischer Perspektive sensible Flächen-/Gebäudenutzungen können vor allem solche bezeichnet werden, die bevorzugt von den Risikogruppen genutzt werden. Für die vorliegende Analyse wurden insgesamt acht verschiedene Nutzungstypen unterschieden: Krankenhäuser, Pflegeheime, Bibliotheken, Kindertagesstätten, Schulen, Horte, Spielplätze und Sportanlagen. In den Teilflächen drei übergeordneten Raumeinheiten der PHK 2015 existieren entsprechend dem Erfassungsstand gegenwärtig insgesamt rd. 7.300 entsprechende Einzelnutzungen. Den Hauptanteil machen mit etwa 64 % Spielplätze und Kindertagesstätten aus.

Insgesamt beheimaten rund 25 % des Siedlungsraumes, ca. 12 % aller Grün-und Freiflächen und 5 % aller Teilflächen der Raumeinheit Öffentliche Straßen, Wege und Plätze wenigstens einen klimasensiblen Nutzungstyp. In über 90 % der Fälle treten pro Teilfläche nicht mehr als zwei verschiedene Nutzungstypen gleichzeitig auf, im Einzelfall kommen aber auch bis zu sechs Typen als Cluster vor.

Die räumliche Verteilung der sensiblen Flächen-/Gebäudenutzungen innerhalb Berlins ist relativ homogen und zeigt mit Bezug zu den Bezirken eine hohe Korrelation mit der Bevölkerungssumme. Grundsätzlich gilt: Je mehr Einwohner ein Bezirk hat, desto mehr klimasensible Nutzungen treten auch auf. Der Bezirk Pankow steht demnach mit fast 700 betroffenen Block(teil)flächen am oberen Ende der Skala, während der Bezirk Spandau am unteren Ende auf etwas mehr als 350 Block(teil)flächen mit mindestens einer klimasensiblen Nutzung kommt. Die Auswertung zeigt, dass auch für dieses Thema eine Relevanz in allen Berliner Bezirken besteht.

Inwiefern sich aus dieser räumlichen Verteilung eine tatsächliche Vulnerabilität der einzelnen Gebiete ergibt, hängt im Wesentlichen von der geographischen Lage im differenzierten Belastungsfeld ab. Die absolut betrachtet größte Zahl an Flächen mit vulnerablen Nutzungen liegt im Bezirk Pankow, der auch die größte Anzahl sensibler (also potentiell vulnerabler) Flächen-/Gebäudenutzungen aufweist. Abgesehen von diesem Umstand lässt das Ergebnis keinerlei Zusammenhang mehr zwischen der Auftrittshäufigkeit vulnerabler und sensibler Nutzungen bzw. der Bevölkerungsstärke erkennen. Dieses liegt in den räumlich divergierenden prozentualen Anteilen von sensiblen Nutzungen in einer thermisch belasteten Umgebung begründet. Bezogen auf ganz Berlin beträgt der entsprechende Wert etwa 33 %. Innerhalb der zwölf Berliner Bezirke schwankt dieser Anteil aber beträchtlich zwischen ca. 15 % in Steglitz-Zehlendorf und fast 66 % in Marzahn-Hellersdorf (Abbildung 17).

Absolute Anzahl und relativer Anteil aggregierter sensibler Nutzungen in thermisch belasteter Umgebung in den 12 Berliner Bezirken

Abb. 17: Absolute Anzahl und relativer Anteil aggregierter sensibler Nutzungen in thermisch belasteter Umgebung in den 12 Berliner Bezirken

Demgegenüber entspricht die Rangfolge der absoluten Anzahl der vulnerablen Nutzungstypen exakt derjenigen der Rangordnung für die sensiblen Typen. Spielplätze und Kindertagesstätten treten auch hier sehr viel häufiger auf, als die übrigen Nutzungstypen. Sie machen weiterhin deutlich mehr als 50 % der insgesamt 2618 Teilflächen mit vulnerablen Flächen-/Gebäudenutzungen aus. Analog zur bezirklichen Auswertung bestehen aber auch hier größere Unterschiede in dem Umfang in dem aus klimasensiblen auch tatsächlich vulnerable Nutzungen werden. Besonders relevant ist die hohe Quote bei den Pflegeheimen und Krankenhäusern, die zu deutlich mehr als 50 % in einer thermisch belasteten Umgebung verortet sind und für die sich daher eine hervorgehobene Handlungspriorität ableiten lässt.

Absolute Anzahl und relativer Anteil der sensiblen Nutzungstypen in thermisch belasteter Umgebung in Berlin

Abb. 18: Absolute Anzahl und relativer Anteil der sensiblen Nutzungstypen in thermisch belasteter Umgebung in Berlin

h5. Besondere Vulnerabilitäten aufgrund einer Grünflächenunterversorgung

Über die Bereitstellung von Kaltluft hinaus stellen die Berliner Frei- und Grünflächen noch eine zweite zentrale klimaökologische Dienstleistung zur Verfügung: Sie sind Kühlinseln am Tage, die aktiv von (thermisch) gestressten Stadtbewohnern aufgesucht werden können und ihnen Erholung verschaffen. Anders als bei der Kaltluftproduktion – die für die Lieferung von relevanten Volumina auf größere zusammenhängende Flächen (> 1-2 ha) angewiesen ist – ist ein regelmäßiges Mosaik aus kleineren Grünflächen für die Kurzzeiterholung besonders geeignet. Nur so kann im Sinne einer sozial-ökologischen Gerechtigkeit sichergestellt werden, dass die Stadtbewohner aller Stadtteile ihren Erholungsbedarf erfüllen können (Scherer 2007).

Kleinräumig betrachtet sind Frei- und Grünflächen mit einem hohen Schattenanteil vor allem in solchen Gebieten von großer Bedeutung, in denen ein relevantes thermisches Belastungsniveau am Tage gemeinsam mit einer Unterversorgung an privaten Grünflächen auftritt. Eine Verknüpfung dieser beiden Parameter zeigt, auf welchen Block(teil)flächen eine besondere stadtklimatische Vulnerabilität aufgrund einer Unterversorgung mit Grünflächen besteht. Diese Flächen bedürfen einer besonderen Aufmerksamkeit bei der Bereitstellung von thermischen Komfortinseln (sog. „Pocket parks“) im privaten und öffentlichen Raum.

Insgesamt weisen 807 Block(teil)flächen des Siedlungsraumes eine Vulnerabilität gegenüber dem Stadtklima aufgrund einer Grünflächenunterversorgung auf (entspricht in etwa 5 % aller Block(teil)flächen oder 4 % bezogen auf deren Fläche). Die betroffenen Quartiere haben rd. 375.000 Einwohner, wovon ca. 80.000 einer Risikogruppe angehören. Damit ist ungefähr jeder 10te Berliner bzw. jedes 10te Mitglied der altersstrukturbezogenen Risikogruppe von dem untersuchten Missstand betroffen.

Die Flächen sind über das gesamte Berliner Stadtgebiet verteilt, räumliche Schwerpunkte sind aber erkennbar. Zu den Hot-Spots zählen die Bezirke Mitte und Pankow, die sowohl die meisten betroffenen Block(teil)flächen als auch die meisten betroffenen Bewohner aufweisen. Gemeinsam kommen sie auf einen Anteil von je ca. 30 % (130.000 Einwohner; 250 Blöcke). Beide Bezirke gehören nicht zu den tagsüber am stärksten belasteten Teilräumen Berlins, was darauf hindeutet, dass die Grünflächenversorgung hier mit Bezug zur thermischen Erholung ungünstig verteilt ist und/oder insgesamt zu wenige Erholungsflächen existieren. Der umgekehrte Fall gilt für den Bezirk Spandau. Er weist vergleichsweise viele tagsüber thermisch belastete Flächen aber nur vergleichsweise wenige aufgrund einer Grünflächenunterversorgung vulnerable Gebiete/Einwohner auf. Die beste Situation besteht in Steglitz-Zehlendorf, wo eine thermische relevante Unterversorgung für weniger als 10.000 Einwohner festgestellt werden konnte (Abbildung 19 und Abbildung 20).

Abb. 19: Räumliche Darstellung von Flächen mit einer besonderen Vulnerabilität gegenüber dem Stadtklima aufgrund einer Grünflächenunterversorgung in Berlin

Bilanzierung der Vulnerabilität gegenüber dem Stadtklima aufgrund einer Grünflächenunterversorgung in den 12 Berliner Bezirken

Abb. 20: Bilanzierung der Vulnerabilität gegenüber dem Stadtklima aufgrund einer Grünflächenunterversorgung in den 12 Berliner Bezirken

Karte 04.11.3 Maßnahmen

In der dritten Hauptebene der PHK 2015 sind den rund 45.000 Block(teil)flächen und Straßenabschnitten 413 individuelle Kombinationen aus 30 verschiedenen Maßnahmen und Planungshinweisen zugeordnet worden. Mit 312 verschiedenen Maßnahmenkombinationen entfällt ein Großteil davon auf den Siedlungsraum, was auch in den Flächenkulissen der Einzelmaßnahmen deutlich wird. Des Weiteren entfallen auf Grün-/Freiflächen 88 verschiedene Maßnahmenkombinationen, auf die Raumeinheit Öffentliche Straßen, Wege und Plätze 12 sowie auf Gewässer 1.

Die Zuordnung der Maßnahmen hängt vom Flächentyp, den individuellen Bewertungen in der Hauptkarte sowie in den ergänzenden Planungshinweisen sowie ggf. einiger zusätzlicher Sach- und Geoinformationen ab. Aufgrund des gesamtstädtischen Maßstabes konnten nicht alle Flächenspezifika umfassend in die Analyse einbezogen werden, so dass die in Tabelle 2 zusammengefassten Ergebnisse als Vorschläge zu verstehen sind, die bei der Betrachtung einer konkreten Fläche oder einer spezifischen Maßnahme einer erneuten Überprüfung und Konkretisierung bedürfen (=Suchräume). In diesem Zusammenhang sollte dann auch eine vertiefte Diskussion über unterstützende Instrumente und Werkzeuge zur Umsetzung der Maßnahmen erfolgen.

Detallierte Ausführungen zu den 30 Einzelmaßnahmen können dem Begleitdokument zur PHK entnommen werden (SenStadtUm 2015). Weitere Informationen können auch dem Berliner Stadtentwicklungsplan Klima bzw. und seiner Konkretisierung (SenStadtUm 2011), der Städtebaulichen Klimafibel (MVI 2012) sowie dem Handbuch Stadtklima (MUNLV 2010) entnommen werden.

Tabelle 2: Empfehlungen zu raumeinheiten-spezifischen Maßnahmen als dritter Hauptebene der Planungshinweiskarte Stadtklima Berlin 2015

Tab. 2: Empfehlungen zu raumeinheiten-spezifischen Maßnahmen als dritter Hauptebene der Planungshinweiskarte Stadtklima Berlin 2015