02.23 Hochwasser und Überschwemmungen

Methode

Für Gebiete, für die ein Hochwasserrisiko festgestellt wurde, sind HWGK und HWRK zu erarbeiten bzw. aktualisieren und ÜSG festzusetzen. Die HWGK zeigen, welche Flächen bei Hochwasserereignissen unterschiedlicher Eintrittswahrscheinlichkeit betroffen sind. In Berlin werden entsprechend HWRM-RL folgende drei Hochwasserszenarien betrachtet:

  1. Hochwasser mit niedriger Wahrscheinlichkeit oder extremes Ereignis (seltenes Ereignis, HQselten/ HQextrem)
  2. Hochwasser mit mittlerer Wahrscheinlichkeit (mittleres Ereignis, HQmittel)
  3. Hochwasser mit hoher Wahrscheinlichkeit (häufiges Ereignis, HQhäufig)

Nach den Festlegungen in der Flussgebietsgemeinschaft Elbe sind die Hochwasserereignisse bzw. Hochwasserszenarien wie in Tabelle 1 definiert.

Tab. 1: Definition Hochwasserereignisse/Hochwasserszenarien

  • Ereignis

    Beschreibung

  • seltenes Ereignis
    (HQselten / HQextrem)

    Ein HQselten bzw. HQextrem ist statistisch gesehen ein sehr seltenes Ereignis. Unter Extremereignissen sind Ereignisse zu verstehen, die das Versagen von Hochwasserschutzeinrichtungen, ungünstige Kombination seltener Hochwasserereignisse oder eine ungünstige Kombination seltener Hochwasserereignisse und Abflussbeeinträchtigungen baulicher oder sonstiger Art darstellen. Für die Elbe wird grundsätzlich dort, wo Hochwasserschutzanlagen vorhanden sind, das Extremereignis mit Versagen von Hochwasserschutzanlagen dargestellt. Für die Darstellung von Überschwemmungsflächen wird das HQ200, welches statistisch gesehen alle 200 Jahre auftritt, verwendet. In Bereichen, in denen keine Hochwasserschutzanlagen vorhanden sind, wird ebenfalls HQ200 dargestellt.

  • mittleres Ereignis
    (HQmittel)

    Das HQmittel steht nach der Definition in der europäischen HWRM-RL für ein Hochwasserereignis, welches statistisch gesehen alle 100 Jahre auftritt (HQ100). Das bedeutet nicht, dass ein solches Ereignis nicht auch mehrfach in hundert Jahren auftreten kann. Das HQ100 wird nach deutschem Wasserrecht für die Ausweisung von Überschwemmungsgebieten verwendet.

  • “häufiges Ereignis
    (HQhäufig)”

    Ein HQhäufig ist ein Hochwasserereignis, welches statistisch deutlich häufiger als einmal in 100 Jahren auftritt. An den Gewässern in der FGG Elbe werden für ein HQhäufig Wiederkehrwahrscheinlichkeiten von 5, 10 oder 20 Jahren angesetzt.

  • HQ: Abkürzung für Hochwasserabfluss.

In Berlin wurden die HWGK für die verschiedenen Hochwasserszenarien mit den entsprechenden Wahrscheinlichkeiten basierend auf unterschiedlichen Methoden ermittelt. Zum einen war ein abgestimmtes Vorgehen mit dem Land Brandenburg notwendig, da die Gewässer von Brandenburg nach Berlin fließen und die Havel auch wieder das Land Berlin nach Brandenburg verlässt. Zum anderen musste die Methode an die naturräumlichen Gegebenheiten und die Datenverfügbarkeit angepasst werden. Die methodischen Ansätze werden weiter unten zusammenfassend beschrieben, wobei Tabelle 2 einen Überblick über die angewandten Methoden sowie die weiterführenden Studien gibt. Für eine detaillierte Beschreibung der Methode wird auf die entsprechenden Studien verwiesen.
HWGK für Hochwasser mit mittlerer Wahrscheinlichkeit stellen die Grundlage der ÜSG dar, die entsprechend behördlich festgesetzt werden. Es findet eine öffentliche Beteiligung statt, um betroffene Bürger und Interessengruppen einzubeziehen. Das ermöglicht es, lokale Kenntnisse und Bedenken zu berücksichtigen und die Akzeptanz der Maßnahmen zu fördern.

  • HWGK

    Methode (Studie)

  • Müggelspree und Gosener Wiesen

    Hydrodynamische Modellierung (IWU 2015)

  • Untere Havel / Untere Spree

    Pegelstatistik (IWU 2014)

  • Erpe

    Niederschlag-Abfluss-Modell gekoppelt mit hydraulischem Modell (IPS 2013)

  • Panke

    Niederschlag-Abfluss-Modell gekoppelt mit hydraulischem Modell (IPS 2009)

  • Tegeler Fließ

    Niederschlag-Abfluss-Modell gekoppelt mit hydraulischem Modell (Koenzen et al. 2011)

  • Wuhle

    Niederschlag-Abfluss-Modell gekoppelt mit hydraulischem Modell (ProAqua 2021)

Müggelspree und Gosener Wiesen

Die Berliner Müggelspree und der Gosener Kanal liegen im Rückstaubereich der Stauhaltung Mühlendamm. Die Wasserstände werden maßgeblich durch die Steuerung der Wehre und Schleusen an der Schleuse Mühlendamm, der Schleuse Kleinmachnow und der Oberschleuse bestimmt. Durch die Steuerung und das große Retentionsvermögen der Stauhaltung ist ein direkter Zusammenhang zwischen der Jährlichkeit der Durchflüsse und der Wasserstände nicht immer gegeben. Hochwasserschadensereignisse müssen nicht zwangsläufig mit außergewöhnlich hohen Zuflüssen der Spree im Zusammenhang stehen. In der Vergangenheit erfolgte die Steuerung situationsbezogen bzw. nach anderen Prämissen.

In Vorbereitung der Ableitung der HWGK wurden umfassende Untersuchungen zu den Einflussmöglichkeiten einer gezielten Wehrsteuerung durchgeführt, mit dem Ziel, das Risiko negativer Auswirkungen von Hochwasserereignissen zu minimieren. Mit dem hydronumerischen Modell GERRIS/HYDRAX der Bundesanstalt für Gewässerkunde wurden für Hochwasserereignisse aus den Jahren 1975, 1994 und 2011 durch instationäre, eindimensionale Berechnungen der Einfluss der Wasserstandssteuerung im Hochwasserfall untersucht. Ausgehend von vergangenen Ereignissen wurden in Zusammenarbeit mit dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Steuerungsszenarien entwickelt, wobei verschiedene, bestehende Ziele und Restriktionen berücksichtigt wurden: Im Hochwasserfall sollen die Schäden durch Überschwemmungen in Siedlungsbereichen minimiert, Bauwerke mit Holzpfahlgründungen durch das notwendige Absenken des Wasserstandes im Wehrbereich der Schleuse Mühlendamm nicht beschädigt und die Schifffahrt so lange wie möglich aufrechterhalten werden.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Auswirkungen von Hochwasserabflüssen der Spree durch entsprechende Steuerung der Wehre reduziert werden können. Zwischen der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt des Bundes als übergeordnete Behörde des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes (Betreiber der Wehre und Schleusen) und der für Wasserwirtschaft zuständigen Senatsverwaltung wurde eine Verwaltungsvereinbarung geschlossen, um durch vorausschauende Steuerung der Wasserstände in der Stauhaltung Berlin die nachteiligen Folgen von Hochwasser zu verringern.

Für den Bereich Gosener Wiesen wurden die Ergebnisse des Landes Brandenburg übernommen, da bei Hochwasser die Landesgrenze Berlin/Brandenburg überströmt wird und dieser Bereich durch die entwickelte Methode nicht abgedeckt wird (IWU 2015).

Untere Havel / Untere Spree

Der Berliner Bereich der Unteren Havel / Unteren Spree ist Teil der Stauhaltung Brandenburg. Die Vorgehensweise wird an die Vorgehensweise des Landes Brandenburg angepasst, um so einen methodisch einheitlichen Ansatz für die Stauhaltung Brandenburg zu gewährleisten. Für sieben Pegel (Charlottenburg Unterpegel (UP), Sophienwerder, Spandau UP, Freybrücke/Tiefwerder, Pfaueninsel, Potsdam Abz. und Potsdam Lange Brücke) wurde eine extremwertstatistische Auswertung der Wasserstände für den Zeitraum 1964-2013 durchgeführt. Diese Hochwasserstände bilden Stützstellen des Wasserspiegelgefälles für ein 100-jährliches Ereignis. Die Wasserspiegellage wurde durch lineare Interpolation der Stützstellen unter Berücksichtigung des durch unterschiedliche Durchflüsse und Querschnitte bedingten Gefällewechsels abgeleitet. Für die Überschwemmungsgebeite erfolgte eine Differenzierung in durchströmtes (Überschwemmungsgebiet Untere Havel I) und überstautes (Überschwemmungsgebiet Untere Havel II) Gebiet, um aufgrund der hydraulischen Gegebenheiten spezifische Ausnahmen hinsichtlich der Nutzungsbeschränkungen zu normieren (IWU 2014). Aktuell erfolgt im Rahmen des Nationalen Hochwasserschutzprogramm eine Überarbeitung der Hochwassergefahrenkarten.

Erpe, Panke, Tegeler Fließ und Wuhle

Die Methodik zur Ermittlung der HWGK an Erpe, Panke, Tegeler Fließ und Wuhle ist grundsätzlich vergleichbar. Zur Ermittlung der Durchflüsse eines Hochwasserereignis wurde für das entsprechende Einzugsgebiet ein hydrologisches Niederschlag-Abfluss-Modell unter Berücksichtigung der relevanten abflussbildenden Faktoren wie Flächennutzung, Topografie, Bodenverhältnisse, Versiegelung sowie Einflüsse der Bewirtschaftung und Regenwassereinleitungen aufgestellt. Das Modell wurde anhand von Niederschlags- und Klimadaten sowie gemessenen Abflüssen kalibriert und validiert. Die ermittelten Bemessungsabflüsse waren dann Eingangsgröße in die hydraulische Modellierung zur Berechnung der Wasserstände und Fließverhältnisse. Es wurden eindimensional-(in)stationäre Modelle verwendet. Grundlage der hydraulischen Modelle sind im Wesentlichen geometrische Daten über Fließquerschnitte sowie Angaben zu Fließverhältnissen und Rauheiten. Hierzu wurden Querprofile aus der Vermessung unter Verwendung des DGMs um die Vorlandbereiche erweitert. Auch das hydraulische Modell wurde kalibriert und validiert. Hier wurden auf die Wasserstandsganglinien sowie auf die im Zuge der Vermessung erfassten Wasserstände zurückgegriffen. Mittels dieses Modells wurden die Wasserspiegellagen für die Hochwassereignisse als auch die von Hochwasser betroffenen Gebiete berechnet (IPS 2009, IPS 2013, Koenzen et al. 2011 und ProAqua 2021).