Verkehrsmengen DTV 1993

Einleitung

Entwicklung der Verkehrsmengen

Mit dem Anstieg der Verkehrsmengen in den letzten Jahrzehnten verursacht der Kraftfahrzeugverkehr zunehmende und gravierende Beeinträchtigungen und Belastungen. Durch seinen hohen Flächenbedarf, durch Gewässerverunreinigungen, Zerschneidungseffekte und starke Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraumes vermindert der Kfz-Verkehr die Lebens- und Aufenthaltsqualität besonders in den urbanen Siedlungsräumen. Mit wachsendem Verkehrsaufkommen steigen die Unfallzahlen im Straßenverkehr und mit ihnen die Zahlen der Verkehrstoten und -verletzten. Die bodennahen Luftschadstoffemissionen stellen vor allem im innerstädtischen Bereich eine erhebliche Gesundheitsgefährdung dar. Außerdem beeinträchtigt der wachsende Verkehrslärm das physische, psychische und soziale Wohlbefinden.

In absehbarer Zeit ist eine Verringerung der Verkehrsmengen nicht zu erwarten. Mit Öffnung der innerdeutschen Grenzen, der schrittweisen Entwicklung eines gemeinsamen Lebens- und Wirtschaftsraumes sowie den sich verstärkenden Verflechtungen mit Ost-Europa ist das Verkehrsaufkommen auf den Straßen in Berlin und dem Umland deutlich angewachsen. Nach Untersuchungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist auch langfristig in der Region Berlin mit einer weiteren Zunahme des motorisierten Individualverkehrs zu rechnen.

Abbildung 1 zeigt für beide Stadthälften eine kontinuierlich steigende Bestandsentwicklung bei den Pkw, die im Ostteil der Stadt im ersten Jahr der Wiedervereinigung zusätzlich einen besonders steilen Aufwärtstrend aufweist. Bereits in den Jahren von 1970 bis 1980 nahm die Anzahl aller im Straßenverkehr zugelassenen Kfz in Ost-Berlin um 87 % von rund 139 000 auf 261 000, in West-Berlin dagegen nur um 46 % von 411 000 auf 661 000 zu. Hier hatte die verstärkte Motorisierung der Bevölkerung bereits in den 60er Jahren eingesetzt, so daß der weitere Zuwachs in den Folgejahren geringer ausfiel. In den Jahren 1980 bis 1995 erhöhte sich der Kraftfahrzeugbestand im Ostteil der Stadt weiter um rund 59 %, im Westteil in demselben Zeitraum um 45 %. Somit verdreifachte sich die Anzahl der Kfz in Ost-Berlin in einem Zeitraum von 25 Jahren auf 415 000 (plus 197 %), in West-Berlin dagegen fand aus den genannten Gründen immerhin noch eine Verdoppelung auf 873 000 statt (plus 112 %).

Abb. 1: Kraftfahrzeugbestand und Kraftstoffverbrauch in Berlin 1970 – 1995

Abb. 1: Kraftfahrzeugbestand und Kraftstoffverbrauch in Berlin 1970 – 1995

Von den insgesamt fast 1,3 Mio zugelassenen Kfz auf den Berliner Straßen müssen die Zahlen der Pkw besonders herausgestellt werden, weil sie die Menge des motorisierten Individualverkehrs maßgeblich bestimmen. Ihre Zahl erhöhte sich in Ost-Berlin von 1970 bis 1995 um 350 % von 84 000 auf 380 000. In West-Berlin verdoppelte sich im Zeitraum von 1970 bis 1995 die Anzahl der Pkw von 373 000 auf 745 000.

Der Benzinverbrauch entwickelte sich sehr viel moderater als die Zunahme der Fahrzeuge selbst. Der relativ steile Anstieg nach 1989 ist damit zu erklären, daß nach der politischen Wende in der DDR in Ost-Berlin und dem Berliner Umland die Zahl der Pkw sprunghaft anstieg, sich die Zahl der Tankstellen aber erst im Laufe der letzten Jahre erhöhte, so daß viele Ostberliner und Brandenburger Autofahrer in den ersten Jahren nach der Wende vor allem nach West-Berlin zum Tanken fuhren, während die Entwicklung heute durch das preiswertere Benzinangebot im Berliner Umland eher umgekehrt verläuft.

Motorisierungsgrad

Der Motorisierungsgrad, also das Verhältnis von Pkw zur Einwohnerzahl, stellte sich 1970 für Ost- und West-Berlin auch unterschiedlich dar. So kamen 1970 in Ost-Berlin 77,5 Pkw auf 1 000 Einwohner, im westlichen Teil der Stadt 175,4, also fast 100 Fahrzeuge mehr auf 1 000 Einwohner. 1995 liegen – auch bedingt durch die Vereinigung – die Zahlen deutlich näher beieinander als zuvor: in Ost-Berlin stehen nun je 1 000 Einwohner 302, in West-Berlin 346 Pkw zur Verfügung (vgl. Abb. 2). Im Vergleich zu anderen Städten liegt Berlin damit noch auf einem günstigen Niveau. So weisen München mit 570 und Hamburg mit rund 500 Pkw/1 000 Einwohner weit höhere Werte auf.

Abb. 2: Motorisierungsgrad in Berlin 1970-1995 (nach Angaben des Landeseinwohneramtes Berlin, des Statistischen Landesamtes sowie der Senatsverwaltung für Wirtschaft Berlin)

h6. Für den Ostteil der Stadt können für den Zeitraum von 1991-93 aufgrund der Kennzeichenumstellung aller Fahrzeuge keine Aussagen über die Bestandsentwicklung getroffen werden.

Die flächenbezogene Motorisierung in Ost-Berlin betrug 1995 rund 1 000 Kraftfahrzeuge pro Quadratkilometer (Kfz/km2), in West-Berlin aufgrund der höheren Siedlungsdichte mit rund 1 800 Kfz/km2 deutlich mehr.

Neben der ständigen Zunahme der Kraftfahrzeuge und der insgesamt gefahrenen Kilometer wandelte sich die räumliche Verteilung des Verkehrs durch neue und veränderte Verkehrsströme. Konzentrierten sich vor der Wiedervereinigung Berlins Fahrten vom Ostteil der Stadt in Richtung Potsdam oder Brandenburg auf den Autobahnring um West-Berlin, so sind sie heute zum großen Teil auf innerstädtische Autobahnen und Stadtstraßen verlagert. Durch Autofahrten von Arbeitnehmern und Besuchern zwischen Ost- und West-Berlin entstand ein neues Verkehrsaufkommen zwischen den früher getrennten Bezirken. Ein- und Ausfallstraßen in Richtung Umland, die früher in West-Berlin kaum zu nutzen waren, werden heute im Berufspendler- wie im Ausflugsverkehr sehr viel mehr belastet als zuvor.