Stadtstruktur / Stadtstruktur - Flächentypen differenziert 2021

Einleitung

Die Karten und Daten zu Flächennutzung und Stadtstruktur des Umweltatlas gehen auf Konzepte und Strategien aus den 1980er Jahren zurück. Datengrundlagen, Methode und Ziel der Erhebung haben sich seitdem zum Teil verändert. Gleichzeitig hat die differenzierte, stadtweit flächendeckende Realnutzungskartierung immer mehr an Bedeutung gewonnen.

Von der räumlichen und fachlichen Differenzierung her ist die Realnutzungskartierung für eine Vielzahl von Anwendungen im Umweltbereich und in der Stadt- und Landschaftsplanung von grundlegender Bedeutung und auch in Zukunft eine unverzichtbare Grundlage. So werden aus den Kartiereinheiten bspw. Indikatoren abgeleitet, die Eingang in die Erarbeitung verschiedener ökologischer Planungsgrundlagen und in die gesamtstädtische raumbezogene Planung finden.

Die Informationen über die reale Flächennutzung und die Flächentypen / Stadtstruktur werden dabei, wie andere im Rahmen des Informationssystems Stadt und Umwelt (ISU) erarbeitete Daten auch, auf einem einheitlichen räumlichen Bezugssystem verwaltet und bearbeitet. Dies ermöglicht die Überlagerung der Datenbestände untereinander und gewährleistet eine problemlose fachübergreifende Datenauswertung.

Der Raumbezug des Informationssystems Stadt und Umwelt (im Folgenden ISU5) und die Fachdatenbestände zu den Nutzungsdaten werden zwischen den bisher 5-jährigen Aktualisierungszyklen (zuletzt 2020) ab 31.12.2021 jährlich fortgeschrieben. Hintergrund dafür ist die Tatsache, dass es im Land Berlin einerseits keine jahresaktuelle Erfassung der realen Flächennutzung auf gesamtstädtischer Ebene gibt, anderseits der Bedarf an möglichst aktuellen Informationen aufgrund der zahlreichen Veränderungen in der Landnutzung stetig zunimmt. Der Schwerpunkt der jährlichen Fortschreibung liegt auf der Aktualisierung der dem Informationssystem Stadt und Umwelt zugrunde liegenden statistischen Blöcke sowie der Erfassung von Nutzungsänderungen aufgrund von baulichen Veränderungen. Der Umfang der jährlichen Fortschreibung ist damit geringer als der der 5-jährlichen Fortschreibung, in der eine größere Auswahl an Geo-Fachdatensätzen zur Prüfung der realen Flächennutzung herangezogen wird. Umfangreiche Informationen zum Hintergrund des ISU, den verschiedenen Flächennutzungen und -typen sowie den 5-jährlichen Fortschreibungen sind in der Gesamtdokumentation 2020 zu finden (SenSW 2021).

Zusätzlich zur Aktualisierung der Geometrie und Nutzungsdaten wurde im Zuge der jährlichen Fortschreibung 2021 eine geometrische Anpassung der ISU5-Block(teil)flächengrenzen an die ALKIS-Bezirks- und Landesgrenzen durchgeführt.

Abb. 1: Beispielhafte Stadtstrukturtypen aus verschiedenen Phasen der Berliner Siedlungsentwicklung

Abb. 1: Beispielhafte Stadtstrukturtypen aus verschiedenen Phasen der Berliner Siedlungsentwicklung

Nach 1918 – Groß-Berlin

Neue Bauformen entwickelten sich großflächig erst, nachdem 1918 per Gesetz die Errichtung von Seitenflügeln und Quergebäuden verboten wurde. Gleichzeitig lösten gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften die privaten Bauherren als Hauptträger des Wohnungsbaus ab. Sie ersetzten die bisher vorherrschende parzellenweise Bebauung durch größere, zusammenhängende Wohnsiedlungen außerhalb der Ringbahn, am damaligen Stadtrand Berlins. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch den Zusammenschluss von Berlin mit seinen Umlandgemeinden zu Groß-Berlin im Jahr 1920, was eine einheitliche Bauplanung ermöglichte. Auch den siedlungsbezogenen Freiräumen wurde größere Bedeutung beigemessen, was sich in Größe, Nutzbarkeit und Gestaltung der nicht bebauten Siedlungsräume, aber auch in der öffentlichen Freiraumgestaltung zeigte. In dieser Zeit entstanden die großen Volksparks und Kleingartenanlagen, die sich ringförmig um den Innenstadtkern der Jahrhundertwende erstreckten. Einige Siedlungen mit ihrem Wald- und Obstbaumbestand, wie die Zehlendorfer Onkel-Tom-Siedlung, weisen zudem noch auf den früheren Landschaftscharakter hin.

Nach 1945 – Die geteilte Stadt

Massive Zerstörungen während des 2. Weltkriegs und die politische Spaltung Berlins im Jahr 1948 beeinflussten die weitere städtebauliche Entwicklung. 30 % aller Gebäude waren damals total zerstört oder schwer beschädigt.

Zerstörungen nahezu gleichen Ausmaßes – mit stellenweise destruktiven Wirkungen auf den historischen Stadtgrundriss und die Bausubstanz – gingen in den nachfolgenden Jahrzehnten mit den teils radikal umgesetzten Plänen, wie z. B. der autogerechten Stadt und dem sozialistischen Städtebau, in beiden Stadthälften einher.

Der Westteil der Stadt erhielt im Rahmen des Wiederaufbauprogramms (Marshall-Plan) wirtschaftliche Hilfen. So konnten die Kriegszerstörungen durch große Bautätigkeit in den 1950er und 1960er Jahren kontinuierlich beseitigt werden. In der Innenstadt wurden kriegsbedingte Baulücken geschlossen bzw. ganze Blöcke durch Flächensanierung und Sanierung durch Entkernung, verbunden mit Abriss und Neubau, umgestaltet. Entwicklungsziele waren damals die Entlastung der dichten Innenstadtbebauung, die Trennung der städtischen Funktionen und die Schaffung breiter Trassen für den motorisierten Individualverkehr. Im Stadtrandbereich entstanden große geschlossene neue Wohnsiedlungen mit relativ hohem Freiflächenanteil als Abstandsgrün und Industriegebiete zwischen alten Dorfkernen auf ehemaligen Freiflächen. Ab Ende der 1970er Jahre begann sich die Baupolitik auf die Wiederbelebung der Innenstadt zu konzentrieren. Die Wiedergewinnung der durch Krieg und Mauerbau weitgehend zerstörten historischen Innenstadt war das zentrale Thema der Internationalen Bauaustellung 1984/87. Die Bautätigkeit beschränkte sich im Wesentlichen auf kleinere brachliegende Flächen verstreut im Stadtgebiet und auf die behutsame Sanierung vorhandener Bausubstanz.

Im Ostteil Berlins, der zunächst keine wirtschaftliche Unterstützung erhielt, sondern im Gegenteil durch Reparationen zusätzlich belastet war, begann der Wiederaufbau in größerem Stil erst nach dem Mauerbau 1961 und mit der Industrialisierung des Ost-Berliner Bauwesens. Im Mittelpunkt stand in den 1960er Jahren die Neugestaltung des Stadtzentrums auf kriegszerstörten und kahl geschlagenen Flächen. Damals war geplant, die alte Bebauung der Vorkriegszeit als kapitalistisches Erbe nicht wieder aufzubauen, die verbliebenen Reste auf weiteren Flächen abzureißen und durch einen sozialistischen Städtebau zu ersetzen. Neuer Wohnraum entstand in den 1950er und 1960er Jahren relativ wenig. Als Folge großer Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem unzureichenden Wohnungsangebot wurde 1971 die Wohnungsbaupolitik zum Schwerpunkt des sozialen Programms der DDR erklärt. Die Großsiedlungen entstanden im Ostberliner Zentrum und vor allem in großem Maßstab am Stadtrand in Marzahn, Hohenschönhausen, Lichtenberg und später in Hellersdorf. Sie wurden in industrieller Fertigbauweise errichtet. In diesem Zuge entstanden ebenfalls in der Peripherie Berlins neue Kleingartenareale. Erst spät wurde die vorhandene Altbausubstanz als erhaltenswerter Wohnraum erkannt, für deren Sanierung jedoch kaum Mittel bereitstanden.

Nach 1989 – Die wiedervereinte Stadt

Bis 1992 wurden die im Bau befindlichen Plattenbausiedlungen im Ostteil der Stadt fertig gestellt. Im Westteil wurden in dieser Phase nur geringfügige Ergänzungen im Baubestand vorgenommen. In den Jahren 1993 bis 1997 war die Siedlungsentwicklung zum einen durch die Entstehung neuer Vorstädte im Außenbereich, wie zum Beispiel auf ehemaligen Äckern in Karow-Nord, geprägt. Zum anderen wurden in den Folgejahren im Stadtzentrum zahlreiche Großprojekte wie rund um den Potsdamer Platz errichtet. Zudem wurden im Rahmen der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme „Hauptstadt Berlin – Parlaments- und Regierungsviertel“ in der Mitte Berlins zahlreiche Regierungsbauten errichtet sowie öffentliche Räume und Mahnmale angelegt. Zugleich wurden weitere städtebauliche Entwicklungsbereiche auf einigen ausgedehnten Konversionsflächen (vorwiegend ehemals von Gewerbe, Forschung, Industrie und Militär / Polizei genutzte Flächen), z. B. in Johannisthal / Adlershof, im Bereich der Rummelsburger Bucht und an der Oberhavel, förmlich festgelgt und Konzepte entwickelt, um die Entstehung neuer urbaner Stadtteile zu befördern. Mitte der 1990er Jahre wurde klar, dass der erwartete Entwicklungsboom Berlins ausblieb. Die Abwanderung ins Umland wurde zum dominierenden demografischen Faktor. Der Wohnungsmarkt entspannte sich, erste Büro- und Gewerbebauten standen leer. Aufgrund dieser geänderten entwicklungspolitischen und ungünstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wurden die ursprünglichen Planungsziele nachgesteuert und Baumassen deutlich verringert. So wurde die Entwicklungsmaßnahme Wasserstadt Berlin-Oberhavel in Spandau bereits im Jahr 2006 aufgehoben, die Baumaßnahmen eingestellt. Für die noch nicht bebauten Flächen im Entwicklungsbereich Rummelsburger Bucht wurden weniger massive Bautypologien entwickelt und realisiert.

Seit 1997 verlief der Wohnungsneubau in Berlin rückläufig und hatte im Jahr 2000 infolge des Abbaus von Förderungen wieder das Niveau von 1991 erreicht. Bis ca. 2011 stagnierte der Wohnungsbau danach auf niedrigem Niveau. An die Stelle von Großbauprojekten traten in dieser Zeit individuelle Baulückenschließungen, Bestandsausbau und Nachverdichtung vornehmlich auf Flächen der Innenentwicklung. Den Schwerpunkt bildeten dabei Mehrfamilienhäuser mit größeren Eigentumswohnungen sowie Ein- bis Zweifamilienhäuser. Dementsprechend konzentrierte sich der Wohnungsneubau auf die Bezirke und Ortsteile Spandau, Weißensee, Pankow, Treptow, Köpenick, Marzahn und Hellersdorf, wo in Bestandsgebieten offener Bauweise eine Nachverdichtung stattfand (vgl. FNP-Bericht 2020, SenStadtWohn 2020a). Zudem wurden große Teile der Innenstadt-Altbauquartiere vorwiegend im Ostteil der Stadt ebenso wie nahezu alle Plattenbau-Großsiedlungen mit Hilfe verschiedener Förderprogramme zur Stadterneuerung und zum Stadtumbau in der Bausubstanz und im Wohnumfeld saniert. In den letzten Jahren hat in Folge der stark zunehmenden Bevölkerungsentwicklung der Wohnungsneubau deutlich zugenommen. Der Stadtentwicklungsplan Wohnen 2030 (SenStadtWohn 2020b) weist 14 neue Stadtquartiere auf, insgesamt wird ein Potenzial für rund 200.000 neue Wohneinheiten ausgewiesen. So entstehen oder sind in der planerischen Vorbereitung neue Wohnquartiere unterschiedlicher Typologie und Dichte auf Konversionsflächen, auf Flächen des Außenbereichs sowie insbesondere auf zahlreichen städtischen Brachflächen. Kleinteilige Bauvorhaben sollen im Rahmen der Nachverdichtung realisiert werden. Diese Prozesse werden die Stadt voraussichtlich die nächsten 10-15 Jahre begleiten.

Ebenfalls stark zugenommen haben in den letzten 10 bis 15 Jahren hallenartige Bauten des (großflächigen) Einzelhandels samt dazugehöriger Erschließungs und Kfz-Stellflächen.

Freiflächen entlang des Mauerstreifens und brachgefallene Bahnflächen, die sich aufgrund der Jahrzehnte währenden Teilung in mancher Hinsicht zu wertvollen Bestandteilen des Biotop- und Freiraumsystems entwickelt hatten, wurden nach der Wiedervereinigung teilweise zu städtischen Parkanlagen oder Gedenkstätten umgestaltet oder konnten als naturnahe Flächen gesichert werden und tragen als neue berlintypische Bestandteile zur vielfältigen Freiraumstruktur der Stadt bei (z. B. Nordbahnhof, Gleisdreieck, Mauerpark, Gedenkstätte Bernauer Straße, Südgelände, Biesenhorster Sand). Es entstanden im Zuge der städtebaulichen Entwicklungsprojekte auch vollständig neue öffentliche Grünflächen, die vielfach als Landschaftsparks konzipiert neben der Erholungsfunktion zunehmend auch Aufgaben und Funktionen für den Naturschutz und die Landschaftspflege erfüllen. Die Umweltatlaskarte „Freiflächenentwicklung“ (06.03) (SenStadtWohn 2021f) stellt die einzelnen Gewinne und Verluste an Grün- und Freiflächen differenziert dar.