Oberflächenabfluss, Versickerung und Gesamtabfluss aus Niederschlägen 1990

Kartenbeschreibung

Die Karte des Gesamtabflusses (Karte 02.13.3), die nur in der digitalen Ausgabe des Umweltatlas veröffentlicht wurde, zeigt für die hoch versiegelten Innenstadtbereiche (S-Bahn-Ring) Gesamtabflüsse im Bereich von 350-450 mm/a, im hochverdichteten City-Bereich und einigen Industriegebieten liegen die Werte noch darüber. Hier verdunsten also – bezogen auf die Niederschlagsmeßwerte (in 1 m Höhe), die etwa 10-15 % unter den bodengleichen Niederschlägen liegen – nur etwa 150 mm/a. Die locker bebauten Außenbereiche der Stadt weisen Abflüsse von 250-350 mm/a auf. Verglichen mit den Abflüssen des unversiegelten Außenraumes oder der Umgebung Berlins, wo die Werte etwa um 150 mm/a liegen, kann Berlin als Insel stark erhöhter Abflüsse betrachtet werden. Die Reduzierung der Verdunstung durch Versiegelung und Vegetationsmangel führt hier zu 2-3-fach erhöhten Abflüssen gegenüber dem natürlichen Zustand.

Nur in wenigen Bereichen treten bedingt durch geringe Niederschläge bei gleichzeitig geringem Flurabstand Grundwasserzehrungen, also negative Werte der Abflußbildung, auf, da hier die Vegetation durch die Nachlieferung aus dem Grundwasser mehr Wasser verdunsten kann als durch die Niederschläge zugeführt wird.

Die Karte des Oberflächenabflusses (02.13.1) zeigt, daß in den kanalisierten Gebieten der Innenstadt durchschnittlich etwa 250 mm/a der Kanalisation zugeführt werden, Spitzenwerte liegen bei mehr als 350 mm/a. Im Außenbereich sind es – in den kanalisierten Gebieten – um die 100 mm/a.

Die Karte der Versickerung (02.13.2) zeigt ein zunächst überraschendes Bild. Danach versickert in der Innenstadt mit etwa 120 mm/a annähernd so viel Niederschlag wie in den Wäldern. Deutlich höhere Versickerungsleistungen um 200 mm/a weisen die lockerer bebauten Siedlungsgebiete des Außenbereichs auf, in den Gebieten mit geringem Anschlußgrad an die Kanalisation steigen die Werte bis auf 300 mm/a. In den nicht kanalisierten Siedlungsgebieten versickert der gesamte Abfluß mit etwa 300-350 mm/a und Maximalwerten von über 400 mm/a.

Im Ergebnis läßt sich festhalten:

  • der durch den hohen Versiegelungsgrad der Innenstadt bedingte Effekt der reduzierten Durchlässigkeit der Böden wird durch den Effekt der Herabsetzung der Verdunstung zu großen Teilen wieder aufgehoben, so daß die innerstädtischen Versickerungsleistungen höher sind, als zunächst angenommen wurde und nahezu “natürlichen” Verhältnissen entsprechen.
  • ausschlaggebend für die Versickerungsleistung ist erst in zweiter Linie das Ausmaß der Versiegelung, in erster Linie wird sie durch den tatsächlichen Anschlußgrad an die Kanalisation bestimmt. Die Art der Versiegelung, d.h. die unterschiedlichen Versickerungsleistungen der verschiedenen Belagsarten spielt ebenfalls eine bedeutende Rolle.
  • durch die Herabsetzung der Verdunstung durch die Versiegelung in den locker bebauten Bereichen bei gleichzeitig geringem Anschlußgrad an die Kanalisation sind die Versickerungsleistungen in diesen Gebieten am höchsten und betragen etwa das Doppelte der “natürlichen” Versickerung.

Im Urstromtalbereich kann das Sickerwasser, bedingt durch die durchlässigen Sande, die das Grundwasser überlagern, direkt und vollständig zur Grundwasseroberfläche versickern. Hier entspricht die berechnete Versickerung der Grundwasserneubildung. Auf den Grundmoränenhochflächen des Barnim und des Teltow überlagern jedoch lehmige und damit schlecht wasserdurchlässige Schichten das meist gespannte Grundwasser. Hier werden die tief eingeschnittenen Fließe weitgehend vom gespannten Grundwasser bzw. über sandige und damit durchlässige Schichten in der Grundmoräne gespeist. Nur die nicht über die Vorfluter abgeführten Sickerwassermengen (berechnete Versickerung) können als echte Speisung des die Grundmoräne unterlagernden Hauptgrundwasserleiters angesehen werden. Diese Wassermengen gelangen als unterirdischer Abfluß in den Urstromtalbereich. Die Aufteilung ist jeweils abhängig von den konkreten hydrogeologischen Verhältnissen. Ein Vergleich der gemessenen und der berechneten Abflüsse zeigt, daß z.B. im Einzugsgebiet des Neuenhagener Mühlenfließes etwa 35 % der errechneten Versickerung unterirdisch in den Urstromtalbereich entwässert, während das Tegeler Fließ nahezu den gesamten aus der Versickerung gebildeten Abfluß seines Einzugsgebietes oberirdisch wieder abführt.

Die Verdunstung der Gewässerflächen, die in der Karte nicht dargestellt werden, liegt etwa 160 mm/a über den auf sie herabgehenden Niederschlägen, so daß den Gewässern Berlins insgesamt ca. 9 Mio. m³ Wasser im Jahr durch Verdunstung entzogen werden.

Bei einigen hochversiegelten Flächen lagen keine Angaben darüber vor, ob das anfallende Regenwasser über die Kanalisation abgeleitet wird. Aus diesem Grunde wird für diese Flächen der gesamte entstehende Abfluß in den Karten als Versickerung ausgewiesen. Der Grad der Versiegelung und die Höhe des Abflusses läßt es jedoch in einigen Fällen als unwahrscheinlich erscheinen, daß das Wasser tatsächlich versickert. Daraus folgt, daß der Anteil des Oberflächenabflusses eher unterschätzt, der der Versickerung eher überschätzt wird.

Mit Hilfe der Flächengrößen der Bezugsflächen konnten auch die Abflußvolumen errechnet und anschließend bilanziert werden (vgl. Tab. 3).

Tab. 3: Langjährige Mittelwerte der Abflußbildung

Tab. 3: Langjährige Mittelwerte der Abflußbildung

Die Berechnungen zeigen, daß etwa 60 % des Niederschlages verdunsten und damit etwa 200 Mio. m³/Jahr als Gesamtabfluß zur Verfügung stehen. Drei Viertel davon versickern in den Untergrund, ein Viertel wird über die Kanalisation abgeführt. Obwohl die Mischkanalisation nur etwa ein Viertel der gesamten kanalisierten Fläche einnimmt, entsteht hier mehr als ein Drittel des Oberflächenabflusses. Stellt man die versickernde Wassermenge von ca. 150 Mio. m³, die wie bereits beschrieben nicht vollständig dem Grundwasser zugeführt wird, dem Trinkwasserverbrauch von ca. 250 Mio. m³ pro Jahr gegenüber, wird deutlich, daß hier ein erhebliches Defizit besteht. Dieses Defizit wird durch oberirdische Zuflüsse (Spree, Havel) sowie die unterirdische Heranführung von Grundwasser aus dem Umland ausgeglichen. Das Oberflächenwasser wird bei ufernahen Grundwasserentnahmen als Uferfiltrat sowie durch Grundwasseranreichungsanlagen an den Wasserwerken genutzt.

Abb. 4: Wasserhaushalt Berlins (langjährige Mittelwerte in Mio. m³, ohne Gewässer)

Abb. 4: Wasserhaushalt Berlins (langjährige Mittelwerte in Mio. m³, ohne Gewässer)

Im Umweltinformationssystem liegt für jede kanalisierte Fläche des Trennsystems die Angabe vor, in welchen Vorfluter bzw. in welches Gewässer oder in welchen Gewässerabschnitt sie entwässert. So können Bilanzen erstellt werden, welche Regenmengen die Gewässer im Durchschnitt aufzunehmen haben. Betroffen sind etwa 150 Gewässer oder Gewässerabschnitte. Tabelle 4 zeigt die abschnittsweise zusammengefaßten Einleitungsmengen in die Gewässer Berlins. Die Oberflächenabflüsse im Bereich des Mischsystems werden mit Ausnahme der Anteile, die bei Starkregen über die Notauslässe der Pumpwerke und die Regenüberläufe des Kanalnetzes ebenfalls direkt in die Gewässer gelangen, den Klärwerken zugeführt, von wo aus sie nach einer entsprechenden Abwasserbehandlung zusammen mit dem ebenfalls behandelten Schmutzwasser in die Gewässer eingeleitet werden.

Tab. 4: Oberflächenabfluß aus der Trennkanalisation in die Gewässer Berlins (langjährige Mittelwerte)

Tab. 4: Oberflächenabfluß aus der Trennkanalisation in die Gewässer Berlins (langjährige Mittelwerte)

Mit dem Modell bzw. Programm ABIMO steht ein Instrument zur Verfügung, mit dem auch Simulationen mit veränderten Ausgangsbedingungen vorgenommen werden können. Insbesondere ist hier die Abschätzung der zu erwartenden Veränderung des Wasserhaushalts durch städtebauliche Projekte zu nennen. Die Abschätzung der Effekte von Entsiegelungsmaßnahmen oder Abkopplungsmaßnahmen wären eine weitere Anwendungsmöglichkeit. Mit entsprechend differenzierten Eingangsdaten kann das Programm auch für Einzelvorhaben auf Grundstücksebene kleinteilig angewendet werden. Änderungen der Modellparameter durch Einbeziehung aktueller Untersuchungsergebnisse sind jederzeit möglich.