Die orts- und naturnahe Versickerung von Regenwasser ist einer kanalgestützten Regenentwässerung aus rechtlichen, wasserwirtschaftlichen, ökologischen sowie ökonomischen Gründen prinzipiell vorzuziehen (Drucksache des Abgeordnetenhauses 18/0212 und 18/0447). Versickerung stellt die technische Einbringung von Niederschlagswasser durch entsprechende Anlagen in den Untergrund dar. Die Möglichkeit der Versickerung von Niederschlagswasser direkt vor Ort wird maßgeblich durch die geologischen und hydrogeologischen Gegebenheiten, wie Aufbau des Untergrundes, Wasserdurchlässigkeit und die Grundwasserverhältnisse bestimmt. Bei der Planung von Versickerungsanlage sind neben den Eigenschaften des Untergrundes als weitere Einflussfaktoren mögliche Bodenverunreinigungen oder Altlasten, die Eigenschaft angeschlossener Flächen, die Verfügbarkeit von Flächen sowie wasserbehördliche und rechtliche Vorgaben zu berücksichtigen.
Für die Planung von Versickerungsanlagen sind somit möglichst genaue Kenntnisse der örtlichen geologischen und hydrogeologischen Gegebenheiten und der Wasserdurchlässigkeit des Sickerraumes erforderlich. Die Wasserdurchlässigkeit ist die Eigenschaft des Untergrundes, Wasser in seinem Porenraum zu leiten, welche in erster Linie von der Korngrößenverteilung der Lockersedimente, dem Gefüge und damit vom effektiven Porenvolumen des Untergrundes abhängt. Lockersedimente mit hohen Sandgehalten haben eine wesentlich höhere Durchlässigkeit als tonige, schluffige Sedimente, beispielsweise aus Geschiebemergel. Zur Charakterisierung der Wasserdurchlässigkeit des Untergrundes wird als Bodenkenngröße die gesättigte hydraulische Leitfähigkeit verwendet (kf-Wert, Durchlässigkeitsbeiwert).
Die hydraulischen Anforderungen von Versickerungsanlagen an den Untergrund liegen z.B. nach DWA-Regelwerk A-138 zwischen kf= 1*10-3 m/s und kf= 1*10-6 m/s. Je nach Ausgestaltung der Versickerungsanlage sind unterschiedliche Mächtigkeiten des Untergrundes bei der Bemessung der Anlagen relevant. Bei Flächenversickerung ist die Eigenschaft des Oberbodens (0,3 bis 0,5 m unter Geländeoberkante (GOK)) maßgeblich. Für Mulden oder auch Tiefbeete liegt der für die Bemessung relevante Horizont zwischen 0,6 m und 1,0 m unter GOK. Deutlich größere Tiefen (1,0 m bis 2,5 m oder tiefer) sind für die Bemessung von Mulden-Rigolen-Systeme zu betrachten.
Direkte Messungen der Wasserdurchlässigkeit bzw. gesättigten hydraulischen Leitfähigkeit sind aufwändig und liegen für Berlin nur vereinzelt vor. Häufig wird die Wasserdurchlässigkeit aus der Bodenart und der Lagerungsdichte ermittelt. Die für die Beurteilung der Wasserdurchlässigkeit des Bodens wichtigen Bodenkenndaten sind in Berlin nicht flächenhaft verfügbar bzw. liegen nur teilweise als Konzeptkarte vor. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass für Versickerungsanlagen auch tiefere, in Bodenkarten nicht enthaltene Schichten relevant sind. Die Ingenieurgeologische Karte Berlins 1 : 5.000 (SenStadtWohn 2017a) stellt den geologischen Aufbau der Lockergesteine in der Regel bis 10 m Tiefe dar, jedoch sind Oberboden sowie Aufschüttungen von weniger als 5 m Mächtigkeit nicht in der Darstellung enthalten. Als Ergänzung der Ingenieurgeologischen Karte, die aktuell nur etwa die Hälfte der Landesfläche abdeckt, wurde in den 1990er Jahren für ausgewählte, sehr wenige Blattschnitte eine Karte der Versickerungsfähigkeit oberflächig anstehender Lockergesteine erstellt (SenStadt 1990).
Für Berlin sind ca. 160.000 Bohrungen in der geologischen Landesdatenbank archiviert, Sie enthalten Informationen über den geologischen Aufbau des Untergrundes wie Stratigrafie (zeitliche Abfolge), Petrografie (Gesteinszusammensetzung) und Genese (Entstehung) sowie z. T. auch bodenphysikalische Kennwerte. Die gewählte Methode basiert auf der Vorgehensweise zur Ableitung der Versickerungspotentialkarte für die Hansestadt Hamburg (Stadt Hamburg 2018), die auf die Berliner Verhältnisse angepasst wurde. Für die Ableitung und Darstellung der Wasserdurchlässigkeit des Untergrundes wurden die vorhandenen Bohrungen ausgewertet. Hierzu wurden die einzelnen Gesteinsschichten und Petrographien zu Gesteinsklassen klassifiziert bzw. reduziert, wobei zwischen „starker bis mittlerer" und „mittlerer bis geringer" Wasserdurchlässigkeit unterschieden wird. Die räumliche Darstellung der Wasserdurchlässigkeit des Untergrundes erfolgt in einer Karte, die die Mächtigkeit der obersten stark bis mittel wasserdurchlässigen Schicht von der Oberfläche bis zu einer Tiefe von 5,0 m unter GOK zeigt (vgl. Karte 02.22.1). Eine weitere Karte zeigt die Mächtigkeit der stark bis mittel wasserdurchlässigen Schicht zwischen einer Tiefe von 1,0 bis 5,0 m unter GOK, da für die Bemessung von Versickerungsanlagen (Mulden-Rigolen-Systeme) teilweise nur dieser Bereich relevant ist (vgl. Karte 02.22.2).
Die Karte über die Wasserdurchlässigkeit des Untergrundes stellt in erster Linie eine Übersicht zur planerischen Umsetzung und Durchführbarkeit möglicher Maßnahmen zu dezentralen Versickerung von Niederschlagswasser dar. Sie soll zum einen als ein strategisches Instrument zur Steuerung stadtweiter Prozesse genutzt werden. Zum anderen kann sie dem „Anwender" — Sachbearbeiter, Planer und Bauherren — als eine Informationshilfe dienen und Hinweise für Maßnahmen zur Versickerung anbieten.
Die Karte über die Wasserdurchlässigkeit des Untergrundes entbindet nicht von der Pflicht für einzelne Projekte die hydraulischen Standortvoraussetzungen für Versickerungsanlagen durch Sondierung oder Bohrungen vor Ort nachzuweisen.