Versorgung mit wohnungsnahen, öffentlichen Grünanlagen 1992

Methode

In die Bestandsanalyse sind alle im Grünflächenverzeichnis geführten und somit öffentlichen Freiflächen der Nutzungsart “Park- und Grünanlagen” eingegangen.

Für die Ost-Berliner Bezirke war vorab der voraussichtliche Status der Freiflächen festzulegen, da der überwiegende Teil der zum Bearbeitungszeitpunkt im Grünflächenverzeichnis geführten Flächen noch im kommunalen Besitz und daher in der Rechtsträgerschaft der Grünflächenämter lag, eine Neuordnung bzw. eine Änderung der Eigentumsverhältnisse aber bei vielen Flächen zu erwarten war.

Als öffentlich wurden solche Flächen eingestuft, die nach Einschätzung der Grünflächenämter in deren Zuständigkeitsbereich bleiben und darüber hinaus einen öffentlichen Charakter aufweisen. Grundlage für diese Einschätzung bilden in der Regel Vorabstimmungen zwischen Naturschutz- und Grünflächenamt, Stadtplanungsamt, Wohnungsbaugesellschaften und der Treuhandanstalt (Stand: November 1991). In die Bestandsanalyse wurden alle vorhandenen Parkanlagen und Stadtplätze, aber auch Flächen innerhalb der großzügig durchgrünten Neubaugebiete, z.B. entlang der sogenannten Versorgungsachsen oder innerhalb eines großen Wohnhofs, einbezogen, die eine zusammenhängende Fläche von mehr als 1 ha aufweisen und allgemein zugänglich sind.

Die Aussagen zum voraussichtlichen Status der Flächen stellen den Stand November / Dezember 1991 dar und sind aus den genannten Gründen nach Klärung der Eigentumsverhältnisse und Zuständigkeiten zu überprüfen.

Bewertung der Erholungseignung

Entsprechend der Tatsache, daß auch siedlungsnahe Grünanlagen die Funktion eines wohnungsnahen Freiraums erfüllen können, wurden bei der Bewertung der Erholungseignung alle Grünanlagen über 0,5 ha im Hinblick auf die Einhaltung der an den wohnungsnahen Freiraum gestellten Mindestanforderungen überprüft (vgl. Kellermann 1974). Die Beurteilung der Grünanlagen erfolgte anhand des vorliegenden Daten- und Kartenmaterials.

Folgende Kriterien wurden zur Bewertung herangezogen:

  • Flächengröße
    Freiräume für die wohnungsnahe Erholung müssen eine Mindestgröße von 0,5 ha aufweisen, um die typenspezifische Nutzung zu ermöglichen. Bei Grünanlagen, die von Straßen zerschnitten werden und für die Größenangaben der einzelnen Teilflächen fehlen, werden die Freiräume nur dann berücksichtigt, wenn eine der Teilflächen größer als 0,5 ha ist.
  • Flächenform
    Der Freiraum muß zumindest in Teilbereichen breiter als 15 m sein. Flächen mit Böschungen müssen eine horizontale Fläche von mindestens 15 m aufweisen.
  • Zugänglichkeit
    Die ungehinderte Zugänglichkeit zum Freiraum muß garantiert sein. Grünanlagen dürfen nicht allseitig von Hindernissen umgeben sein, die den Zugang ausschließen. Hindernisse stellen stark befahrene Straßen (mehr als 10 000 Kfz/Tag), Bahntrassen, Wasserflächen und Einfriedungen (wie beim Kaulsdorfer Busch / Trinkwassergewinnungsgebiet) dar. Gegebenenfalls vorhandene Fußgängerbrücken bzw. -unterführungen oder Ampelanlagen, die die Barrierewirkung an vereinzelten Punkten aufheben können, wurden nicht berücksichtigt.
  • Umweltbelastungen
    Lärmbelastung und Luftverschmutzung beeinträchtigen die Erholungswirkung des Aufenthalts im Freien. Da detaillierte Messungen bzw. aufbereitete Daten bezogen auf die Situation in Grünanlagen zum Bearbeitungszeitpunkt nicht vorlagen, beschränkt sich der Aspekt Umweltbelastungen hier auf den Faktor Lärm durch Straßenverkehr.

Für Grün- und Freiflächen ist nach DIN 18005, 5.87 Schallschutz und Städtebau für die städtebauliche Planung ein Grenzwert von 55 dB (A) festgelegt. Dieser Grenzwert kann an einer Stadtstraße mit Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h bei freier Schallausbreitung schon bei einer Kfz-Belastung von 2000 Kfz pro Tag erreicht werden. Hauptverkehrsstraßen sind in der Regel mit weit über 10 000 Kfz pro Tag belastet. Dies entspricht einer Lärmbelastung von mehr als 60 dB (A), häufig von mehr als 70 dB (A). Lockere Vegetation in Grünanlagen bewirkt keine Lärmminderung. Eine Verringerung des Lärms ist lediglich bei zunehmender Entfernung von der Lärmquelle festzustellen. Aufgrund der Lage vieler Grünflächen an stark befahrenen Straßen ist ein großer Teil als stark lärmbelastet anzusehen und wäre somit als nicht nutzbar für die Erholung einzustufen. Als Mindestanforderung wurde definiert, daß zumindest ein Teil des Freiraums nicht von zu starken Umweltbelastungen betroffen sein darf. Dieses Kriterium wurde dahingehend präzisiert, daß ein Freiraum an einer stark befahrenen Straße – mit einer Lärmimmission von mehr als 70 dB (A) – nur dann als noch geeignet für die Erholung einzuschätzen ist, wenn der eine Mindesttiefe von 100 m von der Straße oder eine Mindestgröße von 1 ha aufweist. Mindestgröße bzw. -tiefe sollen gewährleisten, daß beim Freiraumaufenthalt ein räumlicher Abstand zur Straße möglich ist. Grünanlagen mit einer Größe über 1 ha wurden somit grundsätzlich als nutzbar eingestuft.

Mindestanforderungen hinsichtlich der Ausstattung mit Freiraumeinrichtungen wurden nicht in die Bewertung einbezogen, da einige Freiräume, vor allem in Ost-Berlin, in ihrer Ausstattung als ungenügend anzusehen sind. Defizite in diesem Bereich sind bei Vergabe entsprechender Mittel aber zu korrigieren und werden aus diesem Grund nicht als Ausschlußkriterium gewertet.

Der Britzer Garten in Neukölln und das ehemalige Gartenschaugelände in Marzahn stellen zwei Ausnahmen in der Bewertung dar. Beide Grünflächen sind durch Eintrittsgelder in ihrer Zugänglichkeit eingeschränkt und fallen nicht in die Zuständigkeit der Grünflächenämter. Aufgrund ihrer wichtigen Erholungsfunktion und der relativ geringen Höhe der Eintrittsgelder wurden sie trotzdem den uneingeschränkt nutzbaren Grünflächen zugeordnet.

Insgesamt 779 der öffentlichen Grünflächen wiesen eine Mindestgröße von 0,5 ha auf und wurden in die weitere Bewertung einbezogen. Von diesen konnten 557 als uneingeschränkt nutzbar eingestuft werden. 222 Grünanlagen genügten den Anforderungen nicht, davon wurden allein 84 aufgrund zu hoher Lärmbelastungen ausgeschlossen (vgl. Tab. 2).

Tab. 2: Verteilung der öffentlichen Grünflächen mit einer Größe von mehr als 0,5 ha auf die Berliner Bezirke differenziert nach Freiraumtyp und Bewertungsgruppe der Erholungseignung

Tab. 2: Verteilung der öffentlichen Grünflächen mit einer Größe von mehr als 0,5 ha auf die Berliner Bezirke differenziert nach Freiraumtyp und Bewertungsgruppe der Erholungseignung

Ermittlung der Einzugsbereiche

Alle als nutzbar ermittelten Grünanlagen wurden in die Grundkarten im Maßstab 1:20 000 eingetragen und mit einem Einzugsbereich versehen.

Die Einzugsbereiche wurden mittels Zirkelradius um den jeweiligen Freiraum ermittelt, wobei die Entfernung über die Luftlinie bestimmt wurde. Als Ausgleich für die Differenz zwischen Luftlinie und tatsächlichem Weg zur Grünanlage wurden jeweils 10 % von der maximalen Entfernung abgezogen. Damit ergab sich für den wohnungsnahen Freiraum ein Radius von 450 m.

Bei kleineren Freiräumen wurde die Mitte als Ausgangspunkt des Radius gewählt, bei größeren die Eingangsbereiche (ca. 100 m innerhalb des Freiraums).

Der Einzugsbereich einer Grünanlage kann durch psychische oder tatsächliche Barrieren, die innerhalb des Einzugsbereichs auftreten, verringert werden. Tatsächliche Barrieren sind z.B. Flüsse/Kanäle, Gleisanlagen, Flughäfen sowie Straßen mit einem Verkehrsaufkommen von über 10 000 Kfz pro Tag. Der schematisch festgelegte Einzugsbereich wurde durch die Berücksichtigung der vorhandenen Barrieren korrigiert.

Auch Waldflächen erhielten einen Einzugsbereich, sofern sie die Mindestanforderungen an Zugänglichkeit und Größe erfüllen. Dabei wurde davon ausgegangen, daß Randbereiche von Wäldern die Funktion eines wohnungsnahen Freiraums übernehmen können, während auf Landwirtschaftsflächen eine Erholungsnutzung ausgeschlossen ist bzw. sich auf wenige Randbereiche reduziert.

Berechnung des Versorgungsgrades

Nach den in Berlin gültigen Richtwerten wird die Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Grünanlagen bei 6 m2 wohnungsnaher Freifläche pro Einwohner als ausreichend angesehen. Ausgehend von diesem Richtwert wurde der Versorgungsgrad (m2 Grünfläche/Einwohner) in 4 Stufen unterteilt.

Es wird unterschieden zwischen versorgten Quartieren, in denen pro Einwohner mehr als 6 m2 wohnungsnahe Grünfläche vorhanden sind (Klasse 1), und nicht versorgten Bereichen, die keine nutzbare Grünfläche aufweisen (weniger als 0,1 m2/EW, Klasse 4). Als unterversorgt gelten alle Wohnblöcke mit einem Versorgungsgrad zwischen 0,1 und 5,9 m2/EW, wobei eine Versorgung unter 50 % des Richtwerts, d.h. weniger als 3 m2/EW, gesondert ausgewiesen wird (< 6,0 – 3,0 m2 = Klasse 2; < 3,0 – 0,1 m2/EW = Klasse 3). Zur Berechnung des jeweiligen Versorgungsgrades wurden die Einwohner im Einzugsbereich einer Grünanlage summiert und die Größe (m2) der Grünfläche durch die errechnete Einwohnerzahl dividiert. Dabei gelten alle Einzugsbereiche von Waldrändern als versorgt.

Dieser generalisierte Ansatz muß, wenn Aussagen zur Versorgungssituation im Einzelnen erforderlich sind, durch konkrete Beurteilung der möglichen Erholungsfunktionen in Wäldern bzw. an Waldrändern konkretisiert werden.

Die in Form einer Matrix vorgenommene Überlagerung des Versorgungsgrads mit der Baustruktur der Wohnblöcke stellt eine weitere Differenzierung der Versorgungssituation dar, enthält aber keine zusätzliche Wertung.

Ableitung des Quartiertyps

Die Baustruktur kann als Indikator für den zur Verfügung stehenden Anteil an privatem Freiraum angesehen werden. Gebiete unterschiedlicher Baustruktur, aber mit vergleichbarem Anteil an privaten/halböffentlichen Freiräumen wurden zusammengefaßt und in drei Kategorien unterschieden (vgl. Abb. 1):

  • extrem geringer Anteil an privaten / halböffentlichen Freiräumen
    Hierbei handelt es sich überwiegend um Gebiete mit geschlossener Blockbebauung (bis 1914) einschließlich aller behutsam sanierten Blöcke, die in diese Baustruktur integriert sind. Darüber hinaus zählen Kerngebiete und Mischgebiete zu dieser Kategorie.
  • geringer bis mittlerer Anteil an privaten / halböffentlichen Freiräumen
    Zu dieser Kategorie gehören alle Baustrukturen, die große begrünte Innenhöfe oder Zeilen aufweisen (Bebauung aus den 20er und 30er bzw. aus den 50er und 60er Jahren) und die Hochhaussiedlungen am Stadtrand mit großzügig bemessenen Grünflächen (Abstandsgrün) zwischen den Gebäuden. Weiterhin zählen auch die Wohnblöcke der Sanierungsgebiete innerhalb der geschlossenen Blockbebauung dazu, die vollständig entkernt wurden und somit größere Freiflächen aufweisen.
  • mittlerer bis hoher Anteil an privaten / halböffentlichen Freiräumen
    In dieser Kategorie sind alle Formen lockerer Bebauung (beispielsweise Einzel- oder Reihenhausbebauung) zusammengefaßt. Die Gebäude besitzen zu einem großen Teil eigene Gärten, so daß der Anteil an privatem Grün sehr hoch ist.
Abb. 1a: Beispiele verschiedener Baustrukturtypen: Extrem geringer Anteil an privaten/halböffentlichen Freiräumen
Abb. 1b: Beispiele verschiedener Baustrukturtypen: Geringer bis mittlerer Anteil an privaten/halböffentlichen Freiräumen
Abb. 1c: Beispiele verschiedener Baustrukturtypen: Mittlerer bis hoher Anteil an privaten/halböffentlichen Freiräumen

Abb. 1: Beispiele verschiedener Baustrukturtypen