Versiegelung 1990

Einleitung

Definition

Die Versiegelung von natürlichen Böden durch Überbauung hat eine Reihe von negativen Auswirkungen auf den Naturhaushalt und den Lebensraum des Menschen. Im folgenden gilt ein Boden dann als versiegelt, wenn er mit festen Materialien bedeckt ist. Dabei lassen sich versiegelte Flächen in bebaute und unbebaut versiegelte Flächen trennen. Neben baulichen Anlagen und mit Asphalt oder Beton vollständig versiegelten Oberflächen werden auch durchlässigere Beläge als versiegelt betrachtet, obwohl diese, wie z. B. Rasengittersteine oder breitfugiges Pflaster z. T. noch ein reduziertes Pflanzenwachstum erlauben.

Die Auswirkungen der Versiegelung sind vor allem in den Großstädten und Ballungsräumen zu spüren, wo ein hoher Anteil der gesamten Fläche versiegelt ist. Durch unterschiedlichste Bautätigkeiten nimmt der Grad der Versiegelung weiterhin zu. Dies gilt insbesondere für Berlin, wo durch die Wiedervereinigung und die Verlegung des Regierungssitzes eine verstärkte Flächennachfrage und Bautätigkeit zu verzeichnen ist.

Auswirkung der Versiegelung auf den Naturhaushalt

Die Auswirkungen von Versiegelung auf Klima, Wasserhaushalt, Boden, Flora und Fauna und den Lebensraum des Menschen werden im folgenden kurz beschrieben.

Die Versiegelung trägt zur Ausprägung eines speziellen Stadtklimas bei. Es kommt zu einer Aufheizung der Luft durch das hohe Wärmespeichervermögen von Gebäuden und asphaltierten Straßen. Vor allem im Sommer wird dadurch die nächtliche Abkühlung verringert (vgl. Abb.1).

Abb. 1: Temperaturverlauf über unterschiedliche Oberflächen

Abb. 1: Temperaturverlauf über unterschiedliche Oberflächen

Gleichzeitig wird auch die relative Luftfeuchtigkeit vermindert, da Vegetationsflächen und die davon ausgehende Verdunstung fehlen (vgl. Karte 04.04, 04.05, 04.06, 04.07 SenStadtUm 1993). Dies kann zum Auftreten von Extremwerten führen, die das Wohlbefinden des Menschen erheblich beeinträchtigen können.

In diesem Zusammenhang spielen nicht versiegelte Flächen wie z. B. Parkanlagen eine große Rolle; schon ab 1 ha Größe sind positive klimatische Auswirkungen auf das menschliche Wohlbefinden nachweisbar. Auch auf die Staub- und Schadstoffgehalte der Luft haben vegetationsbestandene Flächen Einfluß, da sie durch ihre großen Blattoberflächen in der Lage sind, Stäube und andere Luftschadstoffe zu binden.

Mit der Versiegelung des Bodens gehen durch den Verlust von Versickerungsflächen für Niederschläge tiefgreifende Veränderungen im Wasserhaushalt einher. Die für die Wasserversorgung notwendige Grundwasserneubildung wird reduziert. Das u. a. mit Reifenabrieb, Staub und Hundekot stark verunreinigte Regenwasser von versiegelten Flächen wird über die Kanalisation entweder direkt in den Vorfluter oder über ein Klärwerk abgeleitet (vgl. Karte 02.09, SenStadtUm 1992b). In Stadtgebieten mit Trennkanalisation (getrennte Ableitung von Regen- und Abwasser) fließt das Regenwasser direkt in die Gewässer und belastet vor allem kleine Gewässer durch die hohe Schmutzfracht. In Gebieten mit Mischkanalisation (gemeinsame Ableitung von Regen- und Abwasser) kann es bei starken Regenfällen zu einer Überlastung der Kanalisation oder der Pumpwerke kommen. Auch dann gelangt ungereinigtes Mischwasser direkt in die Gewässer. Außerdem kann die zunehmende Versiegelung in bestimmten Gebieten zu einer Hochwassergefährdung führen; dies spielt z. B. im Einzugsgebiet der Panke eine erhebliche Rolle (Geiger 1992).

Durch Versiegelung und Verdichtung werden die Funktionen des Bodens stark beeinträchtigt. Mit der Unterbindung der Wasser- und Sauerstoffversorgung werden die Bodenorganismen zerstört. Da kein Wasser mehr versickern kann, werden über die Luft und die Niederschläge eingetragene Schadstoffe nicht mehr im Boden gehalten und in die Oberflächengewässer gespült.

Die vollständige Versiegelung eines Bodens bewirkt den gänzlichen Verlust von Flora und Fauna. Aber auch die Versiegelung von Teilbereichen verursacht immer einen Lebensraumverlust. Biotope werden zerschnitten oder isoliert; empfindliche Arten werden zugunsten einiger anpassungsfähiger Arten verdrängt.

Neben den oben beschriebenen Folgen auf den Naturhaushalt hat der Grad der Versiegelung eines Stadtgebietes auch eine unmittelbare Auswirkung auf den Lebensraum des Menschen. So ist eine hohe Versiegelung meist gepaart mit einem Missverhältnis zwischen Einwohnerzahl und Freiflächenangebot. Die Aneinanderreihung von Gebäuden, häufig nur durch Asphalt- oder Betonflächen unterbrochen, kann auf die Bewohner eine bedrückende, monotone Wirkung haben. Natur, wie z. B. der Wechsel der Jahreszeiten, kann in der direkten Wohnumgebung nicht mehr erlebt werden. Es müssen weite Wege in Kauf genommen werden, um das Naturerlebnis am Stadtrand oder im Umland nachzuholen.

Entwicklung der Versiegelung

Die Entwicklung der Versiegelung spiegelt sich in der Ausdehnung der Siedlungs- und Verkehrsflächen wider. Zu den Siedlungsflächen werden in der Statistik des Statistischen Landesamtes, auf die hier Bezug genommen wird, auch die dazugehörigen Freiflächen wie z. B. Hausgärten und Grünanlagen oder Spielplätze innerhalb der Wohnblöcke mitgerechnet. Diese Flächen wurden bei der Versiegelungskartierung differenziert erfaßt.

Von 1979 bis 1989 stieg der Anteil der bebauten Grundstücksflächen und der Verkehrsflächen (ohne Bahnanlagen) an der Gesamtfläche West-Berlins um 2,4 %, vorwiegend auf Kosten landwirtschaftlich genutzter Flächen. Das entspricht einem täglichen Freiflächenverlust von 3.400 m2, etwa der Größe eines halben Fußballfeldes. Durchschnittlich wurden in dem genannten Zeitraum pro Jahr in West-Berlin Flächen in der Größenordnung von 115 ha durch Siedlungstätigkeit in Anspruch genommen. Der Britzer Garten im Vergleich hat eine Flächengröße von 85 ha, das Freizeit- und Erholungszentrum Wuhlheide eine Fläche von 114 ha.

Für den Ostteil der Stadt liegen keine genauen Angaben über die Entwicklung der Siedlungsfläche vor. Bis Mitte der 70er Jahre war die Bautätigkeit innerhalb der besiedelten Bereiche gering. Mit der Errichtung der großen Neubaugebiete Marzahn, Hellersdorf und Hohenschönhausen Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre wurden ehemalige Rieselfelder und Landwirtschaftsflächen am Stadtrand in großem Umfang für Wohnungsbauten in Anspruch genommen. Im Vergleich dazu ist die Wohnungsbautätigkeit in West-Berlin in den letzten Jahren eher als gering einzustufen. In Ost-Berlin wurden von 1981 – 1990 ca. 148 350 neue Wohnungen gebaut, in West-Berlin waren es im gleichen Zeitraum ca. 64 100 Wohnungen (vgl. Karte 06.03, SenStadtUm 1995c).