Grundwassertemperatur 1998

Einleitung

Die Grundwassertemperatur im Ballungsraum von Berlin ist bzw. wird durch den Menschen tiefgreifend verändert.

Temperaturmessungen im oberflächennahen Grundwasser des Innenstadtbereichs zeigen, dass die Durchschnittstemperatur z. T. um mehr als 2 °C gegenüber dem dünner besiedelten Umland erhöht ist. Es zeichnet sich ab, dass auch langfristig mit einem weiteren Ansteigen der Grundwassertemperatur zu rechnen ist.

Abb. 1: Schematische Darstellung der Ursachen für die Beeinflussung der Grundwassertemperatur

Abb. 1: Schematische Darstellung der Ursachen für die Beeinflussung der Grundwassertemperatur

Die Ursachen für die Temperaturerhöhung sind vielfältig und stehen im direkten Zusammenhang mit der zunehmenden Urbanisierung an der Erdoberfläche. Es lassen sich dabei direkte von indirekten Beeinflussungen der Grundwassertemperatur unterscheiden (s. a. Abb. 1):

  • Unter einer direkten Beeinflussung der Grundwassertemperatur werden alle Wärmeeinträge in das Grundwasser durch das Abwasserkanalnetz, Fernheizleitungen, Stromtrassen und unterirdische Bauwerke wie Tunnel, U-Bahnschächte, Tiefgaragen etc. verstanden.
  • Sie umfassen auch Wärmeeinträge, die mit der Grundwasserwärmenutzung und -speicherung in Verbindung stehen.
  • Unter einer indirekten Beeinflussung der Grundwassertemperatur werden Prozesse im Zuge der Urbanisierung verstanden, die mit der Veränderung des Wärmehaushalts der bodennahen Atmosphäre entstehen. Nach Gross (1991) sind als wichtige Größen zu nennen:
    • Die Störung des Wasserhaushalts durch einen hohen Versiegelungsgrad
    • Die Veränderung der Bodeneigenschaften durch eine Anhäufung von Baukörpern (Veränderung der Oberflächenwärmeleitung und -wärmekapazität)
    • Die Änderung des Strahlungshaushaltes durch Veränderungen in der Luftzusammensetzung
    • Die anthropogene Wärmeerzeugung (Hausbrand, Industrie, Verkehr).

Durch die o. g. Unterschiede wird im Vergleich zum Umland eine Veränderung des Wärmehaushalts hervorgerufen. Die Stadt heizt sich langsam auf, speichert insgesamt mehr Wärme und gibt diese wieder langsam an die Umgebung ab, d. h. sie kann allgemein als ein riesiger Wärmespeicher betrachtet werden. Langfristig führt dieser Prozess zu einer Erhöhung des langjährigen Mittels der Luft- bzw. Bodentemperatur (vgl. Karten des Bereiches 04 Klima).

Die langfristige Erwärmung des Untergrundes führt auch zu einer Erwärmung des Grundwassers. Da die Temperatur die physikalischen Eigenschaften sowie die chemische und biologische Beschaffenheit des Grundwassers beeinflusst, kann auch eine Qualitätsverschlechterung die Folge sein.

Berlin bezieht sein Trinkwasser zu 100 % aus dem Grundwasser, welches fast ausschließlich im eigenen Stadtgebiet gewonnen wird. Auch einen Großteil des Brauchwassers für industrielle Zwecke liefert das Grundwasser. Daher ist der Schutz des Grundwassers vor tief greifenden Veränderungen wie z. B. der Grundwassertemperaturerhöhung von hoher Bedeutung – speziell vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Wasserwirtschaft.

Seit 1978 werden in tiefen Grundwassermessstellen, die über das ganze Stadtgebiet von Berlin verteilt sind, verstärkt Temperaturprofile aufgenommen und zu raumzeitlichen Darstellungen des Grundwassertemperaturfeldes verarbeitet und ausgewertet.

Das vorliegende Kartenwerk soll

  • der Beginn einer Dokumentation der zeitlichen Veränderung der Grundwassertemperatur unter dem Stadtgebiet sein und
  • als Genehmigungsgrundlage für grundwassertemperaturverändernde Maßnahmen dienen.

Zusätzlich kann es in Kombination mit anderen thematischen Karten wie z. B. der Geologie und Hydrogeologie zur Entscheidungsfindung und Vorplanung einer energetischen Bewirtschaftung des Grundwassers herangezogen werden.

Mit Hilfe von Wärmepumpen oder -sonden kann die überschüssige Wärme genutzt werden. Fossile Brennstoffe werden dadurch geschont und im Sinne einer zukunftsweisenden Energiepolitik zur Verringerung der Emission von schädlichen Klimagasen beigetragen.

Grundwassertemperatur und Temperaturjahresgang

Die Hauptwärmequelle für die Erde ist die Sonnenstrahlung die maßgeblich für die Oberflächentemperatur verantwortlich ist. Die eingestrahlte Sonnenenergie erwärmt den oberflächennahen Boden und dieser gibt die Wärme an die Atmosphäre und den Untergrund ab. Die von der Sonne stammende Energie beträgt an der Erdoberfläche im Mittel ca. 0,75 kW/m². Höhe, Exposition, Art der Erdoberfläche sowie Jahres- und Tageszeiten führen zu örtlichen und zeitlichen Abweichungen von diesem Mittelwert.

Die Oberflächentemperatur dringt mit abnehmender Intensität in den Untergrund ein. Die Eindringtiefe und die Geschwindigkeit mit der die Wärme transportiert wird, ist abhängig von der Wärmeleitfähigkeit des Untergrundes.

Beim Wärmetransport im Untergrund kann zwischen konduktivem und konvektivem Wärmetransport unterschieden werden.

Während beim konvektiven Wärmetransport die Wärmebewegung durch Materie wie z. B. Grund- und Sickerwasser erfolgt, wird beim konduktiven Transport Energie durch Stoßfortpflanzung zwischen den Molekülen transportiert.

Im Gegensatz zur Sonneneinstrahlung als Hauptwärmequelle der Erdoberfläche besitzt der aus dem Erdinnern zur Oberfläche gerichtete Erdwärmestrom, der seinen Ursprung in der Wärmeentwicklung beim Zerfall radioaktiver Isotope hat, nur eine untergeordnete Bedeutung.

In der kontinentalen Erdkruste ist die Wärmestromdichte – definiert als Wärmestrom pro Flächeneinheit senkrecht zur Einheitsfläche – regional verschieden. Nach Hurtig & Oelsner (1979) beträgt die Wärmestromdichte im Berliner Raum ca. 80 mW/m².

Die Temperatur oberflächennaher Grundwässer wird also im Wesentlichen durch den Energieaustausch zwischen Sonne, Erdoberfläche und Atmosphäre, untergeordnet durch den aus dem Erdinneren zur Oberfläche gerichtete Wärmestrom bestimmt.

Die regionale Jahresdurchschnittstemperatur an der Oberfläche in Berlin beträgt unter anthropogen unbeeinflussten Verhältnissen ca. 8,5 bis 9 °C.

Während die tageszeitlichen Schwankungen nur eine Tiefe von bis zu 1,5 m erfassen, reichen die jahreszeitlichen bis in eine Tiefe von ca. 20 – 30 m. Ab dieser Tiefe, in der jahreszeitliche Einflüsse nicht mehr zu registrieren sind, – der sog. neutralen Zone -, steigt die Temperatur in Abhängigkeit von der Wärmeleitfähigkeit der Gesteine und der regionalen Wärmestromdichte an (Abb. 2).

Im Berliner Raum beträgt der durchschnittliche Temperaturanstieg im Bereich bis ca. 300 m Tiefe 2,5 bis 3 °C / 100 m.

Abb. 2: Jahreszeitlicher Temperaturgang des Grundwassers

Abb. 2: Jahreszeitlicher Temperaturgang des Grundwassers

Oberflächengestalt und Grundwassersituation

Das in nahezu ostwestlicher Richtung verlaufende Warschau-Berliner Urstromtal trennt die Barnim-Hochfläche im Norden von der Teltow-Hochfläche und der Nauener Platte im Süden der Stadt (Abb. 3). Die Geländehöhen des Urstromtales betragen 30 bis 40 m NN, während die Hochflächen durchschnittlich 40 bis 60 m über NN liegen. Einzelne Höhen erheben sich bis über 100 Meter über das Meeresniveau (vgl. Karte 01.08, SenStadtUmTech 1998).

Abb. 3: Geologische Skizze von Berlin

Abb. 3: Geologische Skizze von Berlin

In Berlin ist der Porenraum der überwiegend sandig und kiesigen Sedimente der oberen 150 bis 200 Metern vollständig bis nahe an die Oberfläche mit Grundwasser erfüllt, das zur Trinkwasserversorgung der Stadt genutzt wird. Der Abstand vom Grundwasser bis zur Geländeoberkante (Flurabstand) schwankt je nach Morphologie und Geologie zwischen 0 m und wenigen Metern im Urstromtal sowie fünf bis über 30 Meter auf den Hochflächen (vgl. Karte 02.07, SenStadtUmTech 1997).

Die Grundwasserentnahmen zur Trink- und Brauchwassergewinnung haben zur Ausbildung von weit gespannten Senktrichtern der Grundwasseroberfläche geführt, die die natürlichen Flurabstände und Grundwasserfließgeschwindigkeiten erhöhen sowie die natürlichen Grundwasserfließrichtungen verändern. Dadurch sind in den Bereichen, in denen Brunnengalerien in der Nähe von Flüssen und Seen Grundwasser fördern, influente Verhältnisse entstanden, d. h. das Oberflächenwasser infiltriert als Uferfiltrat in das Grundwasser. Da das Oberflächenwasser aber durch vielfache Kühlwassereinleitungen von Heizkraftwerken ganzjährig erwärmt ist (wie z. B. im Bereich der Spree), führt diese Infiltration im Einzugsbereich des Oberflächengewässers zwangsläufig zu einer Erwärmung des Grundwassers.

Besiedlungsstruktur und klimatische Verhältnisse

Das Stadtgebiet von Berlin besitzt eine polyzentrale Besiedlungsstruktur, die durch das Vorhandensein zweier Hauptzentren, mehrerer kleinerer Stadtzentren sowie einem dichten Nebeneinander von Wohnen, Grünflächen, Gewerbe und Industrie charakterisiert ist. Größere Gewerbegebiete und Industrieansiedlungen liegen bevorzugt an den vom Stadtkern radial zum Stadtrand gerichteten Siedlungs- und Entwicklungsachsen sowie an kanalisierten Oberflächengewässern.

Stark vereinfacht lassen sich folgende Unterscheidungen treffen (Abb. 4):

Gebiete

  • ohne Besiedlung, überwiegend Vegetation
  • mit geringer bis mittlerer Siedlungsdichte und
  • mit hoher Siedlungsdichte, Stadtzentren und Industrieansiedlungen.
Abb. 4: Vereinfachte Darstellung der Besiedlungsstruktur von Berlin

Abb. 4: Vereinfachte Darstellung der Besiedlungsstruktur von Berlin

Bei der Betrachtung der in Berlin lokal vorherrschenden klimatischen Verhältnisse zeigt vor allem die baulich hochverdichtete Innenstadt tief greifende Veränderungen im Wärmehaushalt gegenüber dem Umland. Durch anthropogene Aktivitäten wird Energie als Wärme in die Stadtatmosphäre abgegeben. So beträgt die mittlere Jahreslufttemperatur im Außenbezirk Dahlem 8,9 °C, im Innenstadtbereich sind dagegen die durchschnittlichen Temperaturen bereits bis auf über 10 °C angestiegen (vgl. Karte 04.02, SenStadtUm 1993b).