Fischfauna 2002

Methode

Fische sind vergleichsweise langlebige, mobile Organismen, die mehrere trophische Ebenen (Niveaus im Nahrungsnetz) repräsentieren und im Verlauf ihrer Entwicklung bzw. ihres Lebenszyklus’ auf vielfältige, verschiedene Habitate oder Gewässerlebensräume angewiesen sind. Aufgrund dieser ausgeprägten Lebensraumansprüche wurden Fische als biologische Indikatoren für die Strukturvielfalt der Oberflächengewässer in die EG-WRRL aufgenommen. Eine gewässertypisch hohe Diversität autochthoner (einheimischer) Fischarten indiziert die gute ökologische Qualität eines Gewässers im Sinne der EG-WRRL, d.h. die Intaktheit eines Gewässer-Ökosystems und damit auch seinen Wert für den Arten- und Biotopschutz.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass erst mit dem Nachweis der natürlichen Reproduktion die Existenz von Populationen belegt ist. In der Regel wird der Nachweis einer hohen Fischartenzahl positiv beurteilt, da diese – sofern nicht durch Besatzmaßnahmen verursacht – auf das Vorhandensein vielfältiger verfügbarer Lebensräume und Ressourcen hindeutet und damit auf eine große Strukturvielfalt.

Ebenfalls positiv zu bewerten ist das Vorhandensein stabiler Populationen gefährdeter Fischarten. Sie stellen in der Regel die höchsten Lebensraumansprüche und sind demzufolge von negativen Einflüssen am ehesten betroffen. Aufgrund dessen ist der Gefährdungsgrad einer Art in der aktuellen Roten Liste als Gradmesser für die Schutzwürdigkeit eines Lebensraumes geeignet.

Analog zur Ausgabe 1993 wurden die genannten Informationen zur fischfaunistischen Gewässerbewertung für die Kartendarstellung wie folgt aufbereitet:

Für jedes untersuchte Gewässer können der Karte direkt die präsenten Fischarten und die Fischartenzahl entnommen werden, und die nachgewiesenen Arten wurden farblich kodiert dargestellt,

a) nach ihrem Gefährdungsgrad entsprechend der aktuellen Roten Liste Berlins (vgl. Tab. 1, Wolter et al. 2003) und

b) nach ihrer relativen Häufigkeit im Gewässer.

Um die Farbgestaltung nicht zu überfrachten, wurde die Artenhäufigkeit in drei Klassen dargestellt: seltene Arten wurden bei wiederholten Beprobungen nur unregelmäßig und in Einzelexemplaren nachgewiesen, häufige waren bei allen Befischungen in größerer Stückzahl präsent. Die dritte Gruppe bildeten Arten, die nur in relativ geringen Stückzahlen aber regelmäßig gefangen wurden. Ihr Bestand wurde als stabil, die Häufigkeit als gering bzw. mäßig eingeschätzt.

Ebenfalls beibehalten wurde eine gewässertyp-spezifische Bewertung der untersuchten Gewässer hinsichtlich ihrer Fischartenzahl. Entsprechend ihrer Entstehungsgeschichte, Fläche, Vernetzung, Art und Kontinuität der Wasserversorgung sowie Besiedelungsmöglichkeiten für Fische, wurden bereits in der ersten Ausgabe neun Typen festgelegt und diese – da sie sich bewährt haben – beibehalten:

  • Fließgewässer
  • Flussseen
  • natürliche Landseen
  • künstliche Landseen
  • Rückhaltebecken
  • Kleingewässer
  • Kanäle
  • Gräben
  • Klärwerksableiter

Künstliche Seen und Regenrückhaltebecken bilden fischfaunistisch eigenständige Gewässertypen, da ihre Fischvorkommen mindestens auf Initialbesatz, in der Regel auf fortgesetzten Besatz zurückzuführen sind und deren Fischgemeinschaft deshalb weder eine Besiedlungsgeschichte noch eine gewässerspezifische Bestandsentwicklung reflektiert.

Klärwerksableiter und Regenrückhaltebecken sind die fließenden, bzw. stehenden Kleingewässer mit dem höchsten Ausbauzustand. Erstgenannte unterscheiden sich darüber hinaus von den übrigen Typen durch eine im Jahresverlauf relativ gleichbleibende Wasserführung, während vergleichbare Fließe und Gräben regelmäßig austrocknen.

Die Gruppe der Kleingewässer beinhaltet alle stehenden Tümpel, Weiher, Teiche, Sölle u.ä. mit einer Fläche bis zu einem Hektar. Alle übrigen Kategorien erklären sich selbst.

Aus den aktuellen Fangdaten wurde für jeden Gewässertyp der Mittelwert für die Anzahl der einheimischen (autochthonen) Fischarten berechnet. Neozoen (nicht heimische Arten) wurden dabei nicht berücksichtigt, um aus natur- und artenschutzfachlichen Gründen zu verhindern, dass besetzte faunenfremde Fischarten ein mögliches, durch Beeinträchtigungen verursachtes Fehlen einheimischer Arten kompensieren. Von diesem Mittelwert wurde eine Abweichung um eine Fischart nach oben oder unten zugelassen und dieser Bereich als zu erwartendes, mittleres Fischarteninventar des jeweiligen Gewässertyps in Berlin definiert. Die typspezifischen Bereichsgrenzen sind in der Kartenlegende aufgeführt.

Wie bereits erläutert, impliziert eine hohe Fischartenzahl einen vielfältig strukturierten, ökologisch wertvollen Lebensraum, weshalb eine Fischartenzahl über dem typspezifischen Durchschnitt positiv und darunter negativ bewertet wurde.

Da der Durchschnitt der nachgewiesenen Fischartenzahl für alle Gewässertypen separat ermittelt und bewertet wurde, finden sich in der Karte z.B. auch positiv bewertete Klärwerksableiter, sofern sie mehr Fischarten aufweisen als andere. Diese scheinbare Absurdität, ein hochgradig degeneriertes Gewässer gut zu bewerten, ergibt sich aus dem ausschließlichen Vergleich der Gewässer innerhalb eines Typs.

Einerseits wird damit deutlich, dass der gewählte typspezifische Mittelwert als Instrument zur Bewertung der ökologischen Integrität eines Gewässers oder seines ökologischen Zustands gemäß EG-WRRL ungeeignet ist. Den Mittelwert in diesem Sinn zu verwenden, wäre wirklich absurd.

Andererseits ermöglicht der vorgenommene fischfaunistische Vergleich der Gewässer die Entwicklung von gewässertyp-spezifischen fischökologischen Potentialen, wie sie für die Umsetzung der EG-WRRL erforderlich sind.

Die Wasserrahmenrichtlinie verlangt, für künstliche oder anthropogen degradierte Gewässer das beste ökologische Potential zu definieren, d.h. die beste, unter den gegebenen Gewässernutzungs- und -zustandsbedingungen erreichbare Fischartengemeinschaft. Vom Bestzustand ausgehend, ist das bis 2015 zu erreichende gute ökologische Potential zu entwickeln.

Hier liegen die Stärken der durchschnittlichen Fischartenzahl der Gewässertypen, wie sie die Karte darstellt. Innerhalb der künstlichen und degradierten Gewässer (Regenrückhaltebecken, Klärwerksableiter, Kanäle und künstliche Seen) lassen sich positive Referenzen identifizieren, die auf das mögliche fischfaunistische Potenzial des jeweiligen Gewässertyps verweisen.

Für die Umsetzung der EG-WRRL sind allerdings weiterführende Untersuchungen erforderlich, um diese Artenzahlen mit Angaben zur Dominanz- und Altersstruktur Fischarten zu unterlegen und Referenzzönosen zu entwickeln.