Klimaanalyse 2022

Methode

Die Klimaanalyse basiert auf der Durchführung einer Modellierung der Wind- und Temperaturverhältnisse im Land Berlin. Die Modellierung wurde im Jahr 2022 durchgeführt und es wurde die Software FITNAH 3D (Flow over Irregular Terrain with Natural and Anthropogenic Heat Sources) in der Version 2022v003 der GEO-NET Umweltconsulting GmbH genutzt. Im Weiteren werden die Rahmenbedingungen der Modellierung zusammenfassend dargestellt sowie auf die Begründung zur Auswahl einer Klimamodellierung sowie auf die genutzten metrologischen Rahmenbedingungen eingegangen. Eine umfängliche Beschreibung der durchgeführten Modellierung erfolgt innerhalb der technischen Beschreibung Klimamodellierung Berlin 2022 (SenStadt 2025a).

Begründung zur Nutzung einer Klimamodellierung

Die Untersuchung und Erfassung des Stadtklimas kann mit Hilfe verschiedener Methoden erfolgen. Hierzu zählen Feldmessungen und Fernerkundungsverfahren genauso wie Windkanalstudien und die Anwendung numerischer Simulationsmodelle. Gerade numerische Simulationsmodelle sind in vorteilhafter Weise in der Lage, die aufgrund der großen Komplexität der Bebauungsstrukturen räumlich und zeitlich sehr stark veränderlichen meteorologischen Größen zu erfassen.

Unabhängig von den jeweiligen Maßstabsebenen und Aufgabenstellungen basieren alle Modelle anderer Anbieter auf dem gleichen mathematisch-physikalischen Gleichungssystem. Lediglich im Detail finden sich durch die räumliche Auflösung bedingte Unterschiede im Detaillierungsgrad der in das Modell eingehenden Nutzungsstrukturen. Weitere Informationen zum eingesetzten Modell sowie den zugrunde liegenden synoptischen Rahmenbedingungen werden nachfolgend beschrieben bzw. sind der Dokumentation zu entnehmen (SenStadt 2025a).

Methodische Konzeption des Klimamodells FITNAH 3D

Das Grundgerüst des dreidimensionalen Modells FITNAH besteht aus den Erhaltungsgleichungen für Impuls, Masse und innerer Energie sowie Bilanzgleichungen für Feuchtekomponenten und Luftbeimengungen. Die verschiedenen turbulenten Flüsse werden mit Hilfe empirischer Ansätze mit den berechenbaren mittleren Größen verknüpft. Der dabei auftretende turbulente Diffusionskoeffizient wird aus der turbulenten kinetischen Energie berechnet, für die eine zusätzliche Gleichung gelöst wird.

Die Erwärmungs- und Abkühlungsraten in der Atmosphäre aufgrund der Divergenz der langwelligen Strahlungsflüsse werden über ein Verfahren berechnet, bei dem die Emissivität des Wasserdampfes in der Luft berücksichtigt wird.

Bei detaillierten Simulationen in realem Gelände müssen neben der Orographie insbesondere auch der Einfluss von Wäldern und urbanen Strukturen auf die Verteilung der meteorologischen Größen realitätsnah berücksichtigt werden. Hierzu sind in FITNAH besondere Parametrisierungen vorgesehen.

Ein Wald oder Baumbestand findet über bestandsspezifische Größen wie Baumhöhe, Bestandsdichte und Baumart Eingang in das Modell. Damit gelingt es u.a., die Reduzierung der mittleren Geschwindigkeit im Bestand, die Erhöhung der Turbulenz im Kronenbereich und die starke nächtliche Abkühlung im oberen Kronendrittel in Übereinstimmung mit verfügbaren Beobachtungen zu simulieren.

Unter Berücksichtigung der stadtspezifischen Größen Gebäudehöhe, Versiegelungs- und Überbauungsgrad und anthropogene Abwärme kann die typische Ausbildung der städtischen Wärmeinsel bei verringerter mittlerer Strömung simuliert werden (vgl. Groß 1989).

Das gesamte Gleichungssystem einschließlich der Parametrisierungen wird in ein dem Gelände folgenden Koordinatensystem transformiert. Damit gelingt es insbesondere, die Randbedingungen der verschiedenen meteorologischen Größen am unteren Rand, dem Erdboden, problemspezifisch zu formulieren. Die Berechnung der Erdoberflächentemperatur erfolgt über eine Energiestrombilanz, bei der fühlbarer und latenter Wärmestrom, der Bodenwärmestrom, kurz- und langwellige Strahlungskomponenten sowie der anthropogene Wärmestrom Berücksichtigung finden.

Die Differentialgleichung des benutzten Gleichungssystems wird auf einem numerischen Gitter gelöst. Die verwendete räumliche Maschenweite, also der Abstand zwischen den Gitterpunkten, beträgt in beide horizontale Raumrichtungen 10 m. Die vertikale Gitterweite ist nicht äquidistant und in der bodennahen Atmosphäre sind die Rechenflächen besonders dicht angeordnet, um die starke Variation der meteorologischen Größen realistisch zu erfassen. So liegen die untersten Rechenflächen bis in eine Höhe von 22 m bei 2 m, darüber hinaus bei 4 m. Nach oben hin wird der Abstand zwischen den Gitterpunkten immer größer und die Modellobergrenze liegt in einer Höhe von 3.000m über Grund. In dieser Höhe wird angenommen, dass die am Erdboden durch Orographie und Landnutzung verursachten Störungen abgeklungen sind.

Meteorologische und synoptische Rahmenbedingungen der Modellierung

Neben den modellinternen Festsetzungen wie der räumlichen Auflösung und der Parametrisierung der Nutzungsstruktur spielen auch die meteorologischen Randbedingungen als ‚Antrieb‘ für die Klimasimulation eine große Rolle. Für den Modellantrieb wurden langjährige Messdaten der DWD-Stationen Tegel und Tempelhof herangezogen. Die Messdaten wurden ausgewertet, um ein für die betrachtete Wetterlage repräsentatives Temperaturniveau zu ermitteln. Diese Werte werden in das Klimamodell eingespeist, um die sommerliche Situation repräsentativ abbilden zu können. Der Einfluss der unterschiedlichen Stadtstrukturen auf das städtische Klima spielt sich dann innerhalb dieses Werteniveaus ab.

Die Auswertung der langjährigen Messdaten ergab eine Häufigkeitsverteilung der Lufttemperatur um 21 Uhr während der betrachteten austauscharmen sommerlichen Wetterlage an der Station Tegel 21,2 °C in 2 m über Grund bzw. 20,7 °C an der Station Tempelhof. Die Werte beider Stationen sind somit ähnlich ausgeprägt, wobei letztere für den Modellantrieb verwendet wurde. Die auftretenden Windgeschwindigkeiten sind vergleichsweise gering und bedingen einen herabgesetzten Luftaustausch in der bodennahen Luftschicht. Bei gleichzeitiger hoher Ein- und Ausstrahlung können sich somit lokal humanbiometeorologische und lufthygienische Belastungsräume ausbilden. Charakteristisch für diese (Hochdruck-) Wetterlage ist die Entstehung eigenbürtiger Kaltluftströmungen (Flurwinde), die durch den Temperaturgradienten zwischen kühlen Freiflächen und wärmeren Siedlungsräumen angetrieben werden.

Langjährige mittlere monatliche Anzahl an autochthonen Nächten in der Periode 1991 – 2020 der DWD-Station Tegel

Abb. 3: Langjährige mittlere monatliche Anzahl an autochthonen Nächten in der Periode 1991 – 2020 der DWD-Station Tegel

Die langjährige mittlere Anzahl an autochthonen Nächten im Land Berlin in der Periode 1991 – 2020 zeigt Abbildung 3. Dabei treten die Monate August und September mit 9 bzw. 8,5 Tagen hervor. Während der Sommermonate Juni, Juli und August beträgt die Summe 23 Tage, was einem Anteil von etwa 25 % der Nächte entspricht. Im Durchschnitt sind 65,6 Tage pro Jahr festzustellen. Daher wird eine autochthone Wetterlage für die Modellierung angenommen, auch weil sich bei sogenannter autochthoner („eigenbürtiger“) Wetterlagen die lokalklimatischen Besonderheiten in einer Stadt besonders gut ausprägen, da es in den Nachtstunden nur eine geringe „übergeordnete“ Windströmung gibt. Eine solche Wetterlage wird durch wolkenlosen Himmel und einen nur sehr schwachen überlagernden großräumigen Wind gekennzeichnet. Häufig gehen die sommerlichen Hitzeperioden mit diesen Wetterlagen einher.

Die Auswertung der langjährigen Messdaten wurden zum Start der Klimasimulation als Rahmenbedingung eingespeist. Zudem wurde das Untersuchungsgebiet in eine großräumige Simulation eingebettet („Nesting“), um die regionalen Kaltluftströmungen mit ihrem Einfluss auf das Stadtgebiet Berlin abzubilden.

Bei der durchgeführten Klimamodellierung wurden die großräumigen synoptischen Rahmenbedingungen entsprechend festgelegt, die autochthonen Wetterlage entsprechen:

  • Starttemperatur: 20,7 °C um 21 Uhr,
  • Bedeckungsgrad 0/8,
  • Sonnenhöchststand am 21. Juni,
  • relative Feuchte der Luftmasse 50 %,
  • Nesting mit der „Deutschland-Rechnung“ (GEO-NET 2022).

Durchführung der Modellierung

Die Modellrechnungen wurden jeweils abends zur Zeit des Sonnenunterganges gestartet und bis Sonnenaufgang des übernächsten Tages durchgeführt. Die Zeitschnitte, zu denen die Modellergebnisse ausgelesen werden sollen, können prinzipiell frei ausgewählt werden (Minuten bis Stunden). Ausgewertet und in Form von Karten dargestellt werden die einzelnen Klimaparameter zu verschiedenen prägnanten Zeitpunkten (MEZ), die Rückschlüsse auf klimatische Funktionen und Bedeutungen zulassen.

Der Termin 22:00 Uhr repräsentiert kurz nach Sonnenuntergang den Umschwung von der Einstrahlungs- zur Ausstrahlungssituation und steht für den Beginn einer Phase mit großer Abkühlungsdynamik in den unterschiedlich strukturierten Teilflächen im Stadtgebiet. Der Termin 04:00 Uhr steht für die maximale Abkühlung innerhalb des Stadtkörpers in einer hochsommerlichen Strahlungsnacht. Beide Zeitpunkte sind daher vor allem für die Charakterisierung des nächtlichen Luftaustausches relevant. Der Zeitschnitt 14:00 Uhr ist darüber hinaus für die Beurteilung der bioklimatischen Situation am Tag geeignet, da zu diesem Zeitpunkt sowohl die solare Einstrahlung und in ihrer Folge auch die Lufttemperaturen stark ausgeprägt sind. Der Zeitpunkt 14:00 Uhr als Auswertezeit war darüber hinaus auch notwendig für die in der aktuellen Fassung der Planungshinweiskarten neu einbezogene Bewertung der bioklimatischen Belastungen während des Tages (vgl. Karte 04.11, Planungshinweise Stadtklima 2022).

Kontakt

Leilah Haag