Die radiologische Situation in Berlin

Auch in Berlin kommt zur natürlichen Radioaktivität, die ohnehin in der Umwelt vorhanden ist, die künstliche, die vom Menschen verursachte Strahlenbelastung hinzu.

Radioaktive Stoffe sind in erheblicher Menge bei den über 600 oberirdischen Tests von Kernwaffen in den Jahren zwischen 1945 und 1980 freigesetzt und verbreitet worden (“Fallout”). Sie konnten auch in Berlin nachgewiesen werden.
Ein weiterer messbarer Anstieg der Umweltradioaktivität war in Berlin nach dem Unfall im ukrainischen Kernkraftwerk Tschernobyl am 26. April 1986 zu verzeichnen.

Radioaktive Stoffe wurden durch den Brand bei diesem Unglück hoch in die Atmosphäre gerissen. Vom 05. bis 09. Mai des Jahres 1986 zog eine Fahne mit Luft aus dem Unfallgebiet über Berlin. Zu Ablagerungen kam es vor allem dort, wo Regen radioaktive Stoffe aus der Luft niederschlug (Washout). In Berlin regnete es in der ersten Maiwoche nicht. Die Belastung blieb sowohl absolut als auch im Vergleich zu anderen deutschen Regionen sehr gering.

Die Aktivität der in Berlin produzierten Lebensmittel (z.B. Rohmilch) ist ein Abbild der örtlichen Umweltbelastung. Die Aktivität der in Berlin konsumierten Lebensmittel (die aus allen Weltteilen kommen können), ist ein Abbild der Verbreitung der radioaktiven Stoffe. Zur Untersuchung dient die Gesamtnahrung, die eine Person an einem Tag an Getränken und Speisen verzehrt. Es wird dazu ein Personenkreis ausgewählt, für den die Verpflegung überschaubar ist (z.B. Krankenhauspatienten oder Häftlinge).

Für diese beiden Medien (produzierte und konsumierte Lebensmittel) liegen Messreihen seit etwa 50 Jahren vor. Die Proben werden auf ihre Caesium-Aktivität hin untersucht. Da der radioaktive Stoff Caesium (Cs-137) eine Halbwertzeit von 30 Jahren aufweist und bei allen Kernspaltungen gebildet wird, eignet er sich für solche Langzeituntersuchungen.

Die Belastung der Gesamtnahrung war nach dem Tschernobyl-Unfall in etwa so hoch wie 1965/66. Dieser geringe Anstieg erklärt sich dadurch, dass die räumliche Verbreitung der Radioaktivität auf Teile Europas und Asiens beschränkt war. Die Kernwaffenversuche belasteten die gesamte Erdoberfläche mit radioaktiven Stoffen. Dementsprechend waren Produkte aus allen Anbaugebieten betroffen. Die Gesamtnahrung setzt sich aus Einzellebensmitteln vieler Ursprungsgebiete zusammen.

Der Tschernobyl-Effekt wurde dadurch teilweise ausgemittelt. Den Bericht zur radiologischen Situation in Berlin 25 Jahre nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl finden Sie hier:

  • Die radiologische Situation in Berlin 25 Jahre nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl

    Eine Betrachtung aus der Sicht der Strahlenmessstelle des Landes Berlin

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Radioaktivität in Pilzen und Wild

Während in den meisten Lebensmitteln wie, Milch, Gemüse, Obst und Fleisch der Gehalt an Caesium inzwischen weit unterhalb von einem Becquerel pro Kilogramm bzw. pro Liter liegt, können Lebensmittel aus Waldgebieten wie Pilze, Wildfleisch, Wildbeeren und selbst Teichfisch auch heute noch deutlich höhere Aktivitäten aufweisen. Sie sind damit praktisch die einzigen Lebensmittel, deren Aktivität eventuell noch auffällt.

Pilze können große Flächen des Waldbodens durchwurzeln und haben die Eigenschaft, Caesium einzusammeln und in sich anzureichern. Diese Pilze sind Teil der Nahrung des Wildes. In Maronenröhrlingen aus Berlin wurden in den vergangenen Jahren noch Caesium Aktivitäten von bis zu 150 Bq/kg gemessen, in Steinpilzen bis zu 90 Bq/kg. Zum Vergleich, in den höher kontaminierten Regionen Deutschlands wurden für Maronenröhrlinge noch bis zu mehreren 1000 Bq/kg und für Steinpilze bis zu mehreren 100 Bq/kg gemessen. In Proben von Rehfleisch aus Berlin wurden Werte zwischen 7 und 90 Bq/kg gemessen. Die Werte sind allmählich fallend.

Bei Wildschweinen hingegen ist keine kontinuierliche Abnahme der radiologischen Belastung festzustellen. Das liegt daran, dass Wildschweine bei ihrer Nahrungsaufnahme neben Pflanzen auch Erde zu sich nehmen und sich gern von Hirschtrüffeln ernähren, einer besonders belasteten Pilzart. Gelegentlich findet man daher sogar einen Anstieg der Aktivität in Wildschweinfleisch.

Orientiert man sich an dem für die Einfuhr in die EG festgelegten Grenzwert von 600 Bq/kg Caesium, liegen die Messwerte für Pilze- und Wildproben aus Berlin weit unter dieser Grenze. Der Gehalt eines Umweltmediums an radioaktivem Caesium nimmt dennoch aus zwei Gründen ständig ab: Zum einen zerfallen die Atome mit einer praktisch nicht beeinflussbaren Geschwindigkeit, so dass sich die Menge alle 30 Jahre halbiert, zum anderen nimmt das Caesium am allgemeinen Stoffwechsel teil und örtliche erhöhte Konzentrationen verteilen sich und verflachen allmählich.

Das Ergebnis der Pilzuntersuchungen ist nun, dass die Konzentrationen in Deutschland so weit gesunken sind, dass der Genuss aus radiologischer Sicht nicht mehr bedenklich erscheint.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass Pilze kein häufig verzehrtes Lebensmittel sind und, dass sie ebenso wie Caesium auch andere Stoffe wie z.B. giftige Schwermetalle in sich anreichern und daher im allgemeinen vom Verzehr großer Mengen abgeraten wird.

Schlussfolgerung für die Strahlenbelastung der Bevölkerung

Der Einfluss der zivilisatorisch bedingten Strahlenbelastung durch kerntechnische Anlagen, Atombombenversuche und den Reaktorunfall in Tschernobyl wird in der Bundesrepublik Deutschland flächendeckend überwacht. Auch die Strahlenmessstelle des Landes Berlin ist in dieses überwachungsprogramm eingebunden.

Die hauptsächliche Strahlenbelastung von Personen, nämlich im Durchschnitt fast die Hälfte, rührt von medizinischen Anwendungen her. Von Mensch zu Mensch schwankt dies, je nach dem ob der bzw. diejenige schon einmal geröntgt wurde oder ob eine Radiotherapie angesetzt war. Durchschnittlich ein Viertel der Belastung rührt von dem natürlichen radioaktiven Gas Radon her, das überall (aber im unterschiedlichen Maß – in Berlin dank der “sandigen“ Geologie nur in geringer Menge) aus dem Boden strömt. Ein weiteres Viertel ist etwa zu gleichen Teilen auf natürliche radioaktive Stoffe in der Nahrung, auf die Höhenstrahlung (aus dem Weltall) und die Bodenstrahlung (von natürlichen radioaktiven Stoffen im Erdboden) zurückzuführen.

In Berlin ist wegen der geologischen Verhältnisse die natürliche radiologische Belastung sehr gering. Das gilt dank der Gunst des Wetters 1986 auch für die unfallbedingte Belastung. Die zusätzliche Dosisbelastung der Berliner Bevölkerung im Zeitraum nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl betrug weniger als 5 % der mittleren Strahlenexposition durch natürliche Radionuklide – das ist etwa soviel wie die Zusatzbelastung durch die Höhenstrahlung bei einem Transatlantikflug.

Auswirkungen des Kernkraftwerkunglücks in Japan vom 11. März 2011

Am 11. März kam es in Japan in Folge eines schweren Erdbebens und des nachfolgenden Tsunami im Atomkernkraftwerk (AKW) Fukushima II zu einem Unfall. Radioaktivität trat zeitweise aus, da die AKW-Blöcke von der Energiezufuhr abgeschnitten waren und dadurch nicht ausreichend gekühlt werden konnten.

In den Medien wurden immer wieder Vergleiche zum Tschernobylunfall von 1986 gezogen. Die beiden Unfälle unterscheiden sich jedoch grundlegend, insbesondere da in Japan kein Brand radioaktive Stoffe in die oberen Luftschichten verbracht hat. Diese Gedankenverbindung hat viele Menschen in Deutschland und ganz Europa verunsichert. Dies spiegelte sich deutlich an Meldungen über steigende Verkaufszahlen von Strahlenmessgeräten und Jodtabletten.

Problematisch ist, dass eine zuverlässige Ermittlung der Messdaten ohne Fachwissen nicht möglich ist.

Besonders gefährlich ist der Trend Jodtabletten ohne medizinische Notwendigkeit einzunehmen, da dies gesundheitliche Schäden hervorrufen kann. Vor einer vorsorglichen Jodeinnahme muss daher gewarnt werden.
Weitergehende Informationen zum Jod erhalten Sie auf der Internetseite des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit.

Die Entfernung zu Deutschland und die vorherrschenden Wetterbedingungen führten dazu, dass Europa nicht durch in Japan freigesetzte Radioaktivität gefährdet ist. Radioaktivität ist nicht in gesundheitsbedenklicher Konzentration in Deutschland angekommen.

Das System zur überwachung des Vertrages über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser kann selbst geringfügige änderungen bzw. Erhöhungen der Radioaktivität in der Umwelt registrieren. Radioaktive Stoffe aus Japan können inzwischen in geringsten Spuren an deutschen Feinmessstellen nachgewiesen werden. Die Konzentration ist allerdings so gering, dass nach bisherigem Kenntnisstand keine Erhöhung der Umweltradioaktivität zu verzeichnen sein wird.

Die Messergebnisse können auf der Internetseite des Bundesamtes für Strahlenschutz eingesehen werden.