Die Berliner Luft muss besser werden! Denn trotz umfangreicher Maßnahmen werden die europaweit verbindlichen Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) an zahlreichen Hauptverkehrsstraßen in unserer Stadt nach wie vor überschritten. Um die Gesundheit der Berlinerinnen und Berliner zu schützen, müssen die Grenzwerte so schnell wie möglich eingehalten werden.
Eine echte Emissionsminderung ist nur möglich, wenn die Fahrzeuge wirklich sauberer werden. Um Fahrverbote weitestgehend vermeiden zu können, müssen die technischen Möglichkeiten zur Emissionsminderung bei Fahrzeugen ausgeschöpft werden. Möglich sind zum Beispiel der Ersatz hoch emittierender Fahrzeuge durch Elektrofahrzeuge, Gasfahrzeuge oder saubere Fahrzeuge der neuesten Dieselgeneration, aber auch die Nachrüstung von Bestandsfahrzeugen mit Stickoxidminderungstechnologien.
- Wie wird die Luftqualität in Berlin im Jahr 2020 sein? Wie groß ist der Handlungsdruck?
- Welche technischen Maßnahmen zur Emissionsminderung bei Fahrzeugen gibt es?
- Welche Unterstützung brauchen Flottenbetreiber? In welchem Umfang und wie schnell sind Nachrüstungen machbar?
Zur Diskussion dieser Fragen hatte die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz am 17. September 2018 zum Workshop geladen. Rund 30 Vertreter*innen von (Wirtschafts- und Umwelt-)Verbänden, Unternehmen, Ämtern und Verwaltung folgten der Einladung zum praxisorientierten Austausch.
In seiner Begrüßung ordnete Michael Thielke, Abteilungsleiter Umweltpolitik bei der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, das Problem zunächst in die übergeordnete Problemlage ein: Die Grenzwerte für Feinstaubimmissionen werden in Berlin inzwischen weitestgehend eingehalten, Stickstoffdioxidgrenzwerte werden aber nach wie vor an zahlreichen viel befahrenen Straßen in der Stadt überschritten. Am 9. Oktober 2018 entscheidet das Verwaltungsgericht, ob die bislang auf den Weg gebrachten Maßnahmen zur Senkung der Schadstoffbelastung in der Luft ausreichen, oder ob weitergehende Maßnahmen notwendig sind. Es drohen u.a. Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge.
Vor diesem Hintergrund präzisierte Martin Lutz, Fachgebietsleiter für Luftreinhaltung in der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz in seinem Vortrag „Luftreinhaltung in Berlin: Handlungsbedarf, rechtliche Rahmenbedingungen und Maßnahmenszenarien“, welche Maßnahmen im Land Berlin bereits mit welchem Effekt umgesetzt werden, welche (weiteren) Maßnahmen für den neuen Luftreinhalteplan für Berlin, 2. Fortschreibung vorbereitet werden und welchen Effekt diese voraussichtlich auf die Qualität der Berliner Luft hätten. Im Anschluss an diese einführenden Vorträge kamen drei Vertreter aus der Praxis zu Wort, um von ihren Erfahrungen mit der Umstellung auf alternative Antriebstechniken zu berichten.
Wege der Emissionsminderung – Erfahrungen aus der Praxis
Zunächst berichtete Jörg Kirst vom ADAC Berlin-Brandenburg in seinem Vortrag „Der Dieselmotor – Zukunft oder Ende?“ über Möglichkeiten und Grenzen der Nachrüstung von Diesel-Pkw mit verschiedenen technischen Systemen (Abgasrückführung, NOx-Speicherkat, SCR-System+Harnstoff). In seinem technischen Prüfzentrum in Landsberg hat der ADAC Abgasmessungen nach neuestem Stand der Technik durchgeführt und dabei gezeigt, dass zum Beispiel die Nachrüstung von Diesel-Pkw mit SCR-Katalysatoren – entgegen der Auffassung der Fahrzeughersteller und des Bundesverkehrsministeriums – zu vertretbaren Kosten technisch machbar und eine Minderung der NOx-Emissionen um bis zu 95 Prozent möglich ist. Lokale Fahrverbote dürfen daher nach Ansicht des ADAC nur das allerletzte Mittel sein.
Mit seinem Vortrag „Emissionsminderung durch Hardware-Nachrüstung – Beispiele aus der Praxis“ ergänzte Torsten Mareck von den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) die Ausführungen von Herrn Kirst um Erfahrungen mit der Nachrüstung von Bussen mit SCRT-Systemen. Die BVG hat in den letzten Jahren bereits über 200 Busse nachgerüstet, die Nachrüstung von bis zu 180 weiteren Fahrzeugen ist bis Anfang kommenden Jahres vorgesehen. Die Nachrüstungen haben zu einer Reduzierung der Abgasemissionen der Busse geführt und damit zur Verbesserung der Luftqualität in Berlin beigetragen. Demgegenüber steht allerdings ein etwas höherer Wartungsaufwand. en. Eine Neubeschaffung von Bussen mit Dieselantrieb der Euronorm 6 oder zukünftig auch mit Elektroantrieb bringt noch höhere Emissionsminderungen und ist damit besser als die Nachrüstung von Altfahrzeugen. Neben emissionsarmen Fahrzeugen sind verkehrstechnologische Maßnahmen wie zusätzliche Busspuren (in der Fahrbahnmitte) oder die Priorisierung des ÖPNV bei Ampelschaltungen wichtig für die weitere Verbesserung der Luftqualität. Mittel- bis langfristig bietet nur die Elektromobilität ein echtes Ausstiegsszenario.
Die Deutsche Post hat über die Firma StreetScooter eigene elektrisch angetriebene Lieferfahrzeuge für die Paketzustellung entwickeln lassen, weil alle Fahrzeughersteller abgelehnt hatten. Bundesweit sind inzwischen über 8.000 StreetScooter-Elektrofahrzeuge und 10.000 StreetScooter-Pedelecs im Einsatz. Andreas Sujata von StreetScooter berichtete im dritten Praxisvortrag „Innovationen im Bereich Mobilität bei Deutsche Post DHL Group: aktueller Stand, Entwicklungen, Herausforderungen“ über die Erfahrungen mit dem Einsatz der Fahrzeuge: wie sind die Reichweiten im realen Betrieb, wo gibt es Probleme (Heizen im Winter?), wie hoch sind die Kosten und wie ist die Resonanz bei den Fahrern?
Der erste Workshop-Teil endete interaktiv. Mittels einer Kartenabfrage wurden die TeilnehmerInnen gebeten, die folgenden drei Fragen zu beantworten:
- Was sind Ihre Ideen/Vorschläge für Maßnahmen im Luftreinhalteplan?
- Welche Maßnahmen sollten Ihrer Ansicht nach NICHT umgesetzt werden bzw. funktionieren nicht?
- Was sind aus Ihrer Sicht die größten Hemmnisse auf dem Weg zu sauberen Fahrzeugen und sauberer Luft?
Nach der Mittagspause wurden die Antworten auf diese Fragen diskutiert. Größtenteils Einigkeit bestand zum Beispiel hinsichtlich der Notwendigkeit der Förderung von alternativen Antrieben und der fehlenden Rahmenbedingungen für technische Nachrüstungen. Kritisch diskutiert wurden hingegen unter anderem die Einführung von (zonalen oder streckenbezogenen) Fahrverboten oder der Nutzen einer bundeseinheitlichen Plakettenregelung.
Welche Fördermöglichkeiten gibt es?
Der letzte Workshop-Teil widmete sich dann der Vorstellung verschiedener Fördermöglichkeiten. Zunächst präsentierte Andreas Bißendorf vom IBB Business Team GmbH das Förderprogramm für „Wirtschaftsnahe Elektromobilität WELMO“ der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Verkehr und Betriebe. Ziel des Förderprogramms ist es, mittelständischen Unternehmen und Selbständigen mit Sitz in Berlin den Umstieg auf emissionsarme Antriebe zu erleichtern. Zu diesem Zweck werden die Beratung zu und Investitionen in elektrisch betriebene Fahrzeuge oder Ladeinfrastruktur mit Zuschüssen gefördert.
Florian Schnoor aus der „Lotsenstelle Fonds Nachhaltige Mobilität“ beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur stellte anschließend das „Sofortprogramm Saubere Luft“ der Bundesregierung vor. Zur kurzfristigen Verbesserung der Luftqualität in Städten mit NO2-Grenzwertüberschreitungen werden zusätzliche Fördermittel von bis zu 1 Mrd. Euro, davon 750 Mio. Euro vom Bund, zur Verfügung gestellt. Gefördert werden können Maßnahmen aus den Bereichen Elektromobilität, Digitalisierung kommunaler Verkehrssysteme und Nachrüstung von Dieselbussen im ÖPNV. Zahlreiche Kommunen haben bereits Förderanträge gestellt, die zum Teil auch bereits bewilligt wurden.
Der Workshop endete mit einer regen Abschlussdiskussion zu Wegen und Möglichkeiten der Luftreinhaltung in Berlin und einem Schlusswort von Herrn Lutz zum weiteren Vorgehen bei der Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Berlin, 2. Fortschreibung.
Die Präsentationen zu der Veranstaltung erhalten Sie auf Anfrage. Bitte wenden Sie sich an Herrn Schlickum, E-Mail: Volker.Schlickum@senmvku.berlin.de