Gebietsheimische Pflanzen

Ein Blick auf violett blühende Heide-Nelken. Sonnenlicht fällt auf einige Blüten links im Bild. Die zarten, gestielten Blüten überragen den übrigen Teil der krautartigen, sattgrünen Pflanzen. Sie haben schlanke Blütenkelche mit fünf gleichmäßigen Kronblättern, die am oberen Ende gezähnt sind.

Heide-Nelke

"'ne echte Berliner Pflanze!"

“‘ne echte Berliner Pflanze” – so wird im Volksmund gern eine echte Berlinerin oder ein echter Berliner genannt. Es sei dahingestellt, wie das genau definiert wird, aber auf jeden Fall hat die Herkunft etwas damit zu tun.

Vielleicht geht der Ausspruch ja zurück auf die Frage nach gebietseigenen oder gebietsfremden Pflanzen. Dahinter steckt biologisch gesehen die Bestrebung Berlins, die gebietseigene genetische Vielfalt zu erhalten. Denn der industriellen Pflanzen- und Saatgutproduktion fehlt häufig der Bezug zu den regionalen Bedingungen. Die gebietseigene genetische Vielfalt kann dadurch verloren gehen. In der Folge droht die Verdrängung heimischer Arten.

Schon der Erhalt und die weitere Ausbreitung von regionaltypischen Arten tragen zur Stärkung der genetischen Vielfalt und zur Förderung spezifischer Lebensräume bei.

Berlin gehört auch zur Uckermark

Während der Streit darüber, wer nun als echte Berliner Pflanze durchgeht, zum Glück für immer ungeklärt bleiben wird, ist das bei den Pflanzen ganz klar geregelt.

Deutschlands einheimische Arten sind solche, die ohne menschliche Hilfe eingewandert oder hier entstanden sind. Innerhalb dieser wird zwischen “gebietseigenen” und “gebietsfremden” Pflanzen unterschieden. “Gebietseigen” sind nun solche, die aus Populationen einheimischer Sippen eines bestimmten Naturraums stammen. Sie haben sich in diesem über einen langen Zeitraum in vielfachen Generationenfolgen vermehrt. Deshalb unterscheiden sie sich genetisch von Populationen der gleichen Art aus anderen Naturräumen in Deutschland.

Und deshalb kann man auch scherzhaft sagen, dass der Nordosten Berlins, der Teil der auf der Hochfläche des Barnim liegt, zur Uckermark gehört. Denn das Land Berlin gehört in Bezug auf die krautigen Pflanzen zu den Vorkommensgebieten “Ostdeutsches Tiefland” (Nr. 4) und “Uckermark mit Odertal” (Nr. 22). Für Berlin heißt das: Nur Pflanzen aus diesen Vorkommensgebieten zählen als “gebietseigen”.

Insgesamt gibt es für die krautigen Pflanzen in Deutschland 22 dieser Vorkommensgebiete bzw. Herkunftsregionen. Bei den Gehölzen gibt es insgesamt nur sechs Vorkommensgebiete in Deutschland. Hier zählt Berlin zum “Mittel- und Ostdeutschen Tief- und Hügelland” (Nr. 2).

Pflanzen von hier kennen sich aus

Warum ist es von Bedeutung, diese Unterscheidung zu treffen, wo doch gebietsfremde und gebietseigene Arten ganz ähnlich aussehen? Der wichtige Unterschied liegt in der evolutionären Anpassung an die besonderen Bedingungen eines Naturraums. Die Arten unterscheiden sich deshalb auch genetisch. Gebietseigene Pflanzen weisen andere Merkmale und Reaktionsmuster auf als gebietsfremde Pflanzen derselben Art. Sie sind besser an die regionalen Bedingungen angepasst.

Gebietseigene Pflanzen sind deshalb eine wesentliche Grundlage für die biologische Vielfalt.

Warum sind "Berliner Pflanzen" gut für Berlin?

  • Gemeinsam sind wir stark: Pflanzen und Tiere:
    Gebietseigene Pflanzen und die Tiere, die sie bestäuben oder als Nahrungsquelle nutzen, haben sich nach der letzten Eiszeit über tausende von Jahren gemeinsam entwickelt. Bei dieser Koevolution sind gegenseitige Abhängigkeiten und Anpassungen entstanden, auf die beide Seiten zum Teil angewiesen sind. Diese sehr lange gemeinsame Entwicklung von Pflanzen und Tieren ist deshalb der Schlüssel für die biologische Vielfalt in den jeweiligen Vorkommensgebieten bzw. Naturräumen.
  • Besseres Anwachsen
    Aufgrund ihrer Anpassung an die regionalen Umweltbedingungen wachsen gebietseigene Pflanzen meist besser an. Außerdem sind sie oft kräftiger. Selbst wenn der Anschaffungspreis bisweilen höher ist: Es rechnet sich.
  • Größere Anpassungsfähigkeit
    Gebietseigene Pflanzen verfügen oft über eine hohe genetische Variabilität. Die Pflanzen können flexibel auf natürliche oder vom Menschen verursachte Umweltveränderungen – wie z. B. den Klimawandel – reagieren. Die genetische Vielfalt erhöht die Überlebenschancen der Arten.
  • Bessere Umweltbilanz
    Durch die Vor-Ort-Gewinnung von Pflanzmaterial und die Anzucht in regionalen Betrieben werden Transportwege verringert und damit die Umweltbilanz verbessert.

Im Frühjahr 2015 wurde für die IGA Berlin 2017 mit der Anlage von großen Wiesenflächen unter Verwendung von gebietseigenem Saatgut begonnen. Es handelt sich um das “Wiesenmeer” im südlichen Teil der Gärten der Welt. Die Auswahl der Saatgutmischungen wurde eng mit dem “Verband deutscher Wildsamen- und Wildpflanzenproduzenten” abgestimmt. Auch die Struktur der Böden musste für die jeweilige Wiesenart entsprechend vorbereitet und angepasst werden. Um die Vielfalt der Möglichkeiten zu zeigen, wurden drei verschiedene Gras- und Kräutermischungen für das “Wiesenmeer” verwendet:

  • Frischwiese (u. a. mit Wiesen-Glockenblume und Fettwiesen-Margerite)
  • Trockenrasen (u. a. mit Silber-Fingerkraut und Heide-Nelke)
  • Kalk-Trockenwiese (u. a. mit Skabiosen-Flockenblume und Wiesen-Salbei)

Die Pflege des “Wiesenmeers” erfolgt auch an den jeweiligen Wiesentyp angepasst. So werden die Frischwiese zweimal, der Trockenrasen und die Kalk-Trockenwiese zunächst sogar nur einmal im Jahr gemäht. Breiten sich hier Hochstaudenfluren zu stark aus, muss aber auch hier ein zweiter Mahdgang durchgeführt werden damit die Trockenrasenarten nicht verdrängt werden. Zur Förderung der biologischen Vielfalt ist zudem vorgesehen, Teilflächen wechselnd ungemäht zu belassen.

Was kann ich tun?

Säen und seien Sie doch auch eine Berliner Pflanze!
Wer im eigenen Garten “‘ne echte Berliner Pflanze” ansiedeln möchte, sollte nicht zur Standard-Rasen- oder gängigen Wiesenmischung greifen. In Deutschland sind Produzenten regionalen Saatguts an zwei Zertifikaten erkennbar: “VWW-Regiosaaten” und “Regiozert”.

Mehr erfahren?

Wenn auch Sie die “Berliner Pflanzen” in Ihrem eigenen Garten fördern wollen, finden Sie ausführliche Informationen zu diesem Thema in der