Kommunale Grünentwicklung 1870 bis 1920

Von 1870 bis 1877

Im Juni 1870 beschloss die Stadtverordnetenversammlung Berlins die Einrichtung einer besonderen “Parkdeputation” und die Berufung eines städtischen Gartendirektors. Am 1. Juli 1870 wurde der königliche Hofgärtner Gustav Meyer (1816-1877) in sein Amt eingesetzt. Damit beginnt die eigentliche Geschichte der Berliner Gartenverwaltung.

Das Amt des städtischen Gartendirektors umfasste die obere technische Leitung des gesamten städtischen Gartenwesens, die Leitung der Pflege und Unterhaltung aller Parks und Grünanlagen und des 3 ha großen Baumschulbetriebes sowie die Planung und Ausführung neuer Parkprojekte.

1870 betrugen die Ausgaben für das Stadtgrün 16.800 Mark. Hiervon wurden unterhalten: der Friedrichshain, Baumbestände bei Treptow, die Baumschule, ferner neun Schmuckplätze, wovon sieben lediglich mit Bäumen umpflanzte Kiesplätze waren (zwei Rasenplätze), außerdem 24 Straßen und Alleen mit Baumpflanzungen, 25 Schul- und Turngrundstücke und drei Anlagen mit Badeanstalten.

In Gustav Meyers Amtszeit bis 1877 wurden überwiegend schon vor 1870 geplante und begonnene Parkanlagen fertiggestellt. 1874 wurde der Friedrichshain nach Norden erweitert, um Flächenverluste durch den Bau eines Krankenhauses zu kompensieren. Hier entstand ähnlich wie im Humboldthain und später im Treptower Park in Form eines Hippodroms ein großer ovaler Spielplatz (250 m lang und 100 m breit).

Die damaligen städtischen Grünanlagen, “Volksgärten” genannt, sollten “Stätten der Bewegung, der Erholung, Orte geselliger Unterhaltung, auch des Naturgenusses, der Bildung und der Veredlung der Sitten” sein, wobei die Körperkultur im Freien noch eine unbedeutende Rolle spielte.

Für die Pflege und Unterhaltung der städtischen Parks und Grünanlagen sowie der Straßen und Plätze einschließlich deren Bepflanzung, als auch für den Neubau von Grünanlagen erhielt Berlin 1876 vom preußischen Fiskus 550.000 Mark als “Rente”.

1877 erreichten Berlins Einwohner die Millionengrenze. Die Kritik an den sozialen, hygienischen und städtebaulichen Mißständen des Wohnungswesens führte zu Verbesserungsvorschlägen auf allen Gebieten des Städtebaus. Für die Gesundheit der Wohnbevölkerung der Innenstadt wurden Erholungsanlagen gefordert. Ferner wird der Magistrat aufgefordert, alle Straßen, Plätze und Grünanlagen von der staatlichen in die kommunale Verwaltung zu übernehmen.

Von 1877 bis 1909

1877 wurde Hermann Mächtig (1837-1909) Nachfolger in der Leitung des Stadtgartenamtes, ein Mitarbeiter Gustav Meyers. Auch er stand in der Tradition der Lenné-Meyerschen Schule mit ihrem landschaftsgärtnerischen Stil.

Der Bau des Treptower Parkes wurde 1888 abgeschlossen (Baukosten 1,2 Mio. M.) sowie die Aufschließungsarbeiten des benachbarten Plänterwaldes (1873) begonnen.

1888 begann Mächtig mit dem Bau des Viktoriaparkes auf dem Kreuzberg, für den er selbst die Pläne entworfen hatte. Der preußische Fiskus hatte der Stadt das Gelände kostenfrei überlassen und das Projekt mit 134.000 M. bezuschusst. 1894 wurde der Park mit einem Kostenaufwand von 2,8 Mio. M. fertiggestellt.

1882 gab es in Berlin nur fünf städtische Spielplätze. Forderungen nach mehr Sport- und Spielplätzen erweiterten die Aufgaben des Stadtgartenamtes.

Von 1910 bis 1920

1909 stirbt Hermann Mächtig. Zu seinem Nachfolger wird 1910 Albert Brodersen (1857-1930) als Stadtgartendirektor berufen.

Um den sozialen und hygienischen Mißständen insbesondere im Wohnungswesen zu begegnen, wurde eine städtebauliche Gesamtplanung für Berlin gefordert mit funktionalen Flächendifferenzierungen, abgestuften Bauzonen, gesamtstädtischem Verkehrsplan sowie einem gesamtstädtischem Freiraumplan. Diese Forderungen führten 1909 zu einem Wettbewerb zur Erlangung eines Grundplanes für Groß-Berlin.

Dabei wurden die Arbeiten von Hermann Jansen, von Eberstadt, Möhring, Petersen sowie von Brix, Genzmer ausgezeichnet, die 1910 im Rahmen einer Allgemeinen Städtebauausstellung öffentlich gezeigt wurden.

Mit dem sich 1911 konstituierenden Zweckverband Groß-Berlin wurde die erste Planungsorganisation für Berlin geschaffen, die nun beim Feststellen von Fluchtlinien- und Bebauungsplänen, bei der Regelung der Verkehrsverhältnisse sowie bei der Erhaltung und Grundstückserwerb der von der Bebauung freizuhaltenden Flächen beteiligt wurde.

Die Reformbewegungen bewirkten eine Abkehr vom weitgehend repräsentativen “Schmuckgrün” zu benutzbarem “sanitären” bzw. sozialem Grün in den Städten. Beispiel dieses Funktionswandels war der preisgekrönte Wettbewerbsentwurf für den Schillerpark des Magdeburger Gartenarchitekten Friedrich Bauer (1872-1937), der im dichtbesiedelten Bezirk Wedding zwischen 1909 bis 1913 gebaut wurde.

Im Gegensatz zu den von Lenné, Meyer und Mächtig im Stile von Landschaftsgärten gestalteten “Volksgärten” versuchen die modernen Gartenarchitekten für die physische Aneignung der Parkanlagen mit Bewegung, Spiel und Sport, aber auch für kulturelle Darbietungen (Musik, Theater) funktional gestaltete Freiräume zu schaffen.

1910 veröffentlicht der Hauptausschuss zur Förderung von Leibesübungen in Groß-Berlin eine Denkschrift über die Spielplatznot. Nur wenige Gemeinden Groß-Berlins hatten bislang für Spielplätze gesorgt, die jedoch zu klein und daher überfüllt waren. Dies galt auch für die zu kleinen Spielplätze im Humboldthain und im Friedrichshain. Der einzige größere Spielplatz lag im Treptower Park.

An den Erweiterungsflächen des Viktoriaparkes konnten 1914 zwei Spielplätze gebaut werden. Ab 1912 hatte der Charlottenburger Gartendirektor Erwin Barth (1890-1933) vorhandene, meist repräsentative Stadtplätze zu “Gartenplätzen” mit integrierten Spielbereichen umgebaut bzw. neu angelegt.

Aber nicht nur zahlreiche Berliner Grünanlagen und Parks wurden in diesem Zeitraum geplant und gebaut. Am 27.03.1915 wurde auch der sogenannte Dauerwaldvertrag geschlossen. Der Zweckverband Groß-Berlin verpflichtet sich damit, die erworbenen Grundstücke (10.000 Hektar im Grunewald, in Tegel, Grünau, Köpenick und Potsdam) weder zu bebauen noch weiterzuverkaufen, sondern auf Dauer für die Bürger*innen als Naherholungsfläche zu erhalten.

Literatur: