Berlin entwickelt neue Luftreinhaltungsstrategie 2030 für wirksamen Gesundheitsschutz

Pressemitteilung vom 06.10.2021

WHO verschärft Richtwerte für Luftqualität – EU-Kommission wird in den kommenden Jahren nachziehen, mit Folgen für alle hochbelasteten Städte in Europa

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat ihre weltweit maßgeblichen Richtwerte für die Luftqualität aktualisiert – und dabei deutlich verschärft. Die Festlegungen, die Ende September in Genf erstmals präsentiert worden sind, markieren neue, niedrigere Grenzwerte für die Belastung mit Luftschadstoffen wie Stickstoffdioxid (NO2) oder Feinstaub (PM10), bei deren Überschreitung ein deutliches Risiko für die Gesundheit besteht. Die WHO will mit der Veröffentlichung, gut anderthalb Jahrzehnte nach der letzten Richtwerte-Festlegung von 2005, einen Prozess in den Ländern der Welt anstoßen, um in den kommenden Jahren möglichst flächendeckend Anpassungen der nationalen Luftqualitätsgrenzwerte an die neuen Richtwerte zu erreichen.

Die geltenden EU-weiten Grenzwerte, die auch dem aktuellen Berliner Luftreinhalteplan zugrunde liegen, sind derzeit noch deutlich weniger streng. Die EU-Kommission plant allerdings eine Überarbeitung mit Blick auf die WHO-Empfehlungen. Ein erster Vorschlag wird bereits im kommenden Jahr erwartet.

Regine Günther, Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz: „Die Verschärfung der WHO-Richtwerte ist richtig. Das Ziel einer gesunden, lebenswerten Stadt für alle steht für uns im Vordergrund. Gerade Ärmere, die in den verkehrsbelasteten Quartieren deutlich mehr Schadstoffen ausgesetzt sind, werden von diesem Schritt profitieren. Berlin hält die derzeit gültigen EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxid und Feinstaub ein. Wir haben uns darüber hinaus – als einzige deutsche Kommune – schon 2019 verpflichtet, mit einer neuen Luftreinhaltestrategie 2030 ambitioniertere Ziele analog zu den WHO-Empfehlungen zu erreichen. Daran werden wir konsequent arbeiten.“

Die meisten Luftschadstoffe stammen nach wie vor aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe, ob im Straßenverkehr, bei der Hausheizung, in Kraftwerken oder Industrieanlagen. Die Belastung mit Kohlenmonoxid und Schwefeldioxid konnte in Berlin aber durch wirksame Filteranlagen und Katalysatoren bei Fahrzeugen bereits unter die jetzt verschärften WHO-Richtwerte gedrückt werden.

Großer Handlungsbedarf besteht aber weiterhin im Straßenverkehr, der Hauptquelle für das Reizgas Stickstoffdioxid (NO2). Berlin konnte hier zwar erstmals im Jahr 2020 den aktuell geltenden EU-Grenzwert im gesamten Stadtgebiet einhalten, vor allem durch modernisierte Fahrzeugflotten – auch die Belastung mit Feinstaub (PM10) lag im fünften Jahr in Folge deutlich unter den Grenzwerten. Doch die momentan gemessenen Schadstoffmengen liegen trotz dieser Erfolge teils mehrfach über dem nun verschärften WHO-Richtwert.
Eine schnellere Umstellung der Kfz-Flotten auf emissionsfreie Elektrofahrzeuge ist daher nach dem Klimaschutz auch aus Luftreinhaltungsgründen dringend notwendig. Zugleich sind Maßnahmen für insgesamt weniger Autoverkehr in Wohngebieten, die Ausweitung von Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen, eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung sowie den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, sicherer Radinfrastruktur und attraktiver Fußwege dringend geboten. Eine Mobilitätswende mit diesen und weiteren Maßnahmen ist in den vergangenen Jahren in Berlin bereits unübersehbar eingeleitet worden – es gilt aber, sie nun konsequent fortzuführen und möglichst zu beschleunigen.

Weniger Autoverkehr ist auch der Schlüssel zur Senkung der Feinstaubbelastung aus dem Verkehr. Die größte Belastung kommt dabei nicht (mehr) aus dem Auspuff, sondern aus dem Abrieb von Reifen, Fahrbahn und Bremsen sowie der Aufwirbelung von Straßenstaub, wofür es wenig technische Minderungsmöglichkeiten gibt.
Gerade die besonders gesundheitsschädlichen, nur weniger als 2,5 Mikrometer großen Partikel PM2,5 stammen nicht nur aus Berliner Quellen: Mehr als zwei Drittel der Belastung gehen auf importierte Emissionen aus dem Berliner Umland sowie aus Polen zurück, sei es aus dem Straßenverkehr, fossil betriebenen Kraftwerken, Heizungsanlagen oder der Landwirtschaft. So werden die neuen WHO-Richtwerte für Partikel PM2,5 selbst im Flächenland Brandenburg noch um fast das Doppelte überschritten.
Schon deshalb ist klar, dass Berlin die WHO-Empfehlungen für Feinstaub nicht nur aus eigener Kraft erreichen kann. Ergänzende Regelungen auf Bundes- und EU-Ebene vor allem bei Kraftfahrzeugen, in der Landwirtschaft und bei Heizungsanlagen sind unverzichtbar, um die großräumige Belastung deutlich zu senken.

Die Ankündigung der WHO ist im Internet unter folgendem Link zu finden:
https://www.who.int/news/item/22-09-2021-new-who-global-air-quality-guidelines-aim-to-save-millions-of-lives-from-air-pollution

Die folgende Übersicht zeigt die Luftqualitätswerte in Berlin für drei wesentliche Schadstoffe (NO2, PM10, PM2,5) im Vergleich mit den aktuellen EU-Grenzwerte sowie den neuen und den alten Richtwerten der Weltgesundheitsorganisation WHO.

  • Luftqualitätswerte in Berlin

    Übersicht zu den Schadstoffen (NO2, PM10, PM2,5)

    PDF-Dokument (89.6 kB)