Großartige Filme. Spannende Begegnungen.
Bild: Esra Rotthoff/JFBB
Bild: Thomas Goethe
Welche Themen werden denn aktuell in jüdischen Filmen verhandelt?
Thematisch geht es so vielfältig zu wie im jüdischen Alltag. Sehr stark vertreten ist natürlich immer noch die Aufarbeitung der Shoa und ihrer Traumata, die sich nun in der dritten Generation wiederum völlig anders bemerkbar machen. In jüdischen Filmen aus Israel spielt das Verhältnis zu arabischen Israelis und Arabern eine Rolle, in letzter Zeit in Dokumentarfilmen oft auch das zwischen aschkenasischen Juden und solchen, die aus arabischen und afrikanischen Ländern eingewandert sind. Das Beschäftigen mit zwischenmenschlichen Beziehungen in der Familie und im Freundeskreis ist eine weitere Konstante im jüdischen Kino. Das Schöne ist, dass ganz unterschiedliche Erfahrungen thematisiert werden – von Aussteigern in Brasilien bis zur jüdischen Community in Uganda, von der animierten Trauma-Verarbeitung aus Belarus bis zu Filmen wie „Der Passfälscher“, der der langen Liste der filmischen Reflexionen der Shoa einen neuen Blickwinkel hinzufügt: den des jugendlichen
Überlebenswillens in fürchterlichen Zeiten.
Herr Stein, Sie selbst sind kein Jude, wie kam es dazu, dass Sie das jüdische Filmfestival veranstalten?
Das Festival wurde 1995 von Nicola Galliner ursprünglich noch im Rahmen der Kulturarbeit der Jüdischen Gemeinde Berlin gegründet und später selbständig von ihr geleitet. Ihr gebührt der große Dank für die bisherige Entwicklung. Mit dem Übergang in den Ruhestand hat sie das JFBB vor zwei Jahren in unsere Hände gelegt. Seit mehr als 30 Jahren veranstalten meine Geschäftspartnerin Doreen Goethe und ich mit einem großartigen Team das Festival des osteuropäischen Films in Cottbus, welches weltweit als ein führendes seiner Art gilt. Thematische Schnittmengen zum JFBB gab es dabei auch schon früher. Frau Galliner vertraut uns aufgrund unserer langjährigen Erfahrung und weil unsere Festivals bereits über Jahre hinweg miteinander kooperieren. Unserem Team, vor allem in der Programmabteilung, gehören Juden und Nichtjuden, gebürtige Deutsche und Nichtdeutsche an. Aber wie ich bereits oben beschrieben habe, zur Normalität in der Gesellschaft sollte eben auch gehören,
dass man nicht danach fragt oder hinsichtlich dessen trennt, wer oder was man ist.
Bild: Thomas Goethe
Wer wählt denn aus, welche Filme beim Festival gezeigt werden?
Ein fünfköpfiges Programmkollektiv. Programmdirektor ist Bernd Buder, mit dem wir bereits seit vielen Jahren in Cottbus erfolgreich zusammenarbeiten. Er wird maßgeblich unterstützt von der Filmwissenschaftlerin Dr. Lea Wohl von Haselberg, der israelischen Filmproduzentin Naomi Levari, dem Filmemacher Arkadij Khaet, der im vergangenen Jahr für seinen Kurzfilm MASEL TOV COCKTAIL den Grimme-Preis gewonnen hat, sowie dem Betreiber der Streaming-Plattform T-Port, Amos Geva. Die Zusammenarbeit macht unglaublich viel Spaß, und es sprudeln, jenseits der eigentlichen Recherche, Sichtung und Programmauswahl, derart viele Ideen, dass wir das „Festival-Logbuch“ eigentlich schon für die nächsten Jahre gut gefüllt haben.
Im Fokus des Festivals stehen die beiden Wettbewerbe um den besten Spiel- und Dokumentarfilm, welche Sektionen gibt es noch?
Richtig, in den beiden genannten Wettbewerben werden auch unsere vier Preise vergeben: Die beiden Hauptpreise sind der Erinnerung an die jüdische Kinolegende Gershon (Gerhard) Klein gewidmet und werden von dessen Töchtern Jacqueline Hopp und Madeleine Budde gestiftet. Auch den Dialog-Preis und den Nachwuchsförderpreis verdanken wir privatem Engagement, sie werden vom Potsdamer Unternehmer Stephan Goericke gestellt. Zu den weiteren Sektionen gehören das „Kino Fermished“, welches in diesem Jahr vor allem Frauen vor und hinter der Kamera in den Mittelpunkt rückt, sowie die Sektion „Serial fresh“, in der es sich – wie man bereits dem Namen entnehmen kann – um neue Serien rund um jüdische Themen dreht. Die fünfte Sektion rückt einen Anlass oder eine Person ins Zentrum unseres Interesses. In diesem Jahr widmen wir der Regisseurin, Autorin und Präsidentin der Berliner Akademie der Künste, Jeanine Meerapfel eine Hommage. Diese geht jedoch deutlich über eine
ansonsten übliche Werkschau hinaus. Ihre – teilweise Jahrzehnte alten – Filme beeindrucken auch heute noch durch ihre thematische und politische Aktualität. Deshalb werden wir in einem Doppelfeature ausgewählte Filme mit jeweils einem inhaltlich passenden, aktuellen Film einer jungen Filmschaffenden kombinieren und immer im Anschluss an eine Doppelvorführung mit beiden Filmemacherinnen ausführlich diskutieren. Das wird gewiss sehr informativ, spannend und natürlich auch amüsant.
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- Senatskanzlei -
Redaktion Zeitschrift aktuell
Susanne Zöchling