Berliner Zoo Geschichte/n

In Zeiten von Monarchie, Diktatur und Demokratie
von Dr. Clemens Maier-Wolthausen, Kurator

Es war ein eher trauriges Provisorium, welches Martin Hinrich Lichtenstein am 1. August 1844 der Öffentlichkeit übergab. Der „Zoologische Garten bei Berlin“ lag vor den Toren der Stadt im Tiergarten und war schlecht zu erreichen, seine Tierhäuser waren noch nicht fertig und der Tierbestand eher klein. Das im folgenden Jahr veröffentlichte Verzeichnis der zu besichtigenden Tiere enthielt nur etwa 100 Arten mit wenig mehr Individuen.

Plan des Zoologischen Gartens bei Berlin 1845

Plan des Zoologischen Gartens bei Berlin 1845

Ein bürgerliches Projekt

In der neuen Dauerausstellung in seinem ältesten erhaltenen Stilbau, dem Antilopenhaus, schildert der Berliner Zoo, wie aus diesem noch unfertigen Gebilde der artenreichste Zoo der Welt und die wichtigste Freizeiteinrichtung Berlins wurden. Die Ausstellung zeigt, wie sehr sich der älteste deutsche und weltweit neuntälteste noch bestehende Zoo in einem stets wechselseitigen Entwicklungsverhältnis zur Stadt Berlin befand. Berlin, seine Mächtigen und die Bürger profitierten vom Zoo, dieser konnte aber seinerseits ohne Berlins Mächtige und Bürger nicht existieren. Sie waren seine Besucher, spendeten ihm Geld, kauften die Aktien und spendeten die Tiere. Von Anfang an hatte der Zoo eine doppelte Basis: Staat und Regierung unterstützten und finanzierten ihn – gleichzeitig aber war er auch ein bürgerliches Projekt. Initiiert von Mitgliedern der bürgerlichen Elite Berlins, war der Zoo fest in die damaligen bürgerlichen Ideale von Bildung eingebettet und die 1845 erfolgte Gründung des Aktienvereins machte ihn – nicht ausschließlich, aber zu einem großen Teil – im wahrsten Sinne zum Besitz der Berliner Bürger.

Lutz Heck und Hermann Göring in der Schorfheide, 21. Oktober 1934

Lutz Heck und Hermann Göring in der Schorfheide, 21. Oktober 1934

Kulturgeschichte

Die Ausstellung zeigt das Wechselverhältnis aller Beteiligten durch beinahe 175 Jahre Berliner Zoogeschichte. Und zwar als eine Kultur- und Wissenschaftsgeschichte. In der Ausstellung sind die Epochen der Stadtgeschichte die Leitmotive und der Zoo wird als Teil dieser Stadtgeschichte gezeigt.

Das bedeutet auch, dass der von Berlin ausgehende Kolonialismus, rassistische Traditionslinien und nationalsozialistische Hybris auch als Teil der Geschichte des Zoos angenommen werden. Völkerschauen im Zeichen kolonialer Konzepte einer Höherwertigkeit der weißen Europäer, eine frühe Anpassung und letztlich eine aus ideologischer Überzeugung erfolgte Indienststellung des Zoos für die Politik der Nationalsozialisten sind ebenso Teil dieser Geschichte wie die stetig verbesserten Haltungsbedingungen und kuschelige Eisbärenjunge.

Das Antilopenhaus, ältester erhaltener Stilbau des Berliner Zoos und Ort der Ausstellung, 2016

Das Antilopenhaus, ältester erhaltener Stilbau des Berliner Zoos und Ort der Ausstellung, 2016

Besondere Herausforderungen

Eine entscheidende Herausforderung für die Ausstellungsmacher war die besondere Geschichte der Geburt der Ausstellungsidee. Der Zoo-Aufsichtsrat beschloss im Herbst 2015, dass der Zoo der öffentlichen Kritik, er würde sich seiner Vergangenheit nicht stellen, ergebnisoffen gegenübertreten würde. Denn tatsächlich war klargeworden, dass viele in der Presse geäußerte Vorwürfe zutreffend und für den Zoo beschämend waren. So gab es zwar Veröffentlichungen zur Zoogeschichte, die auch Zwangsarbeit im Zoo erwähnten und eine ältere Untersuchung zur Person des Zoodirektors zwischen 1932 und 1945, Lutz Heck, sowie die kürzlich im Auftrag des Zoos erschienene Untersuchung Monika Schmidts zu den jüdischen Aktionären. Aber immer noch stand eine Büste Hecks unkommentiert im Garten. In Beratung mit dem Kurator wurde dann eine Ausstellung im historischen Umfeld des Zoos favorisiert, die die gesamte Zoogeschichte wie auch die Geschichte der Anbiederung der Zooleitung an das nationalsozialistische Regime zeigt. Damit sollten auch Vor- und Wirkungsgeschichte der zwölf Jahre Nationalsozialismus dargestellt werden.

Um die Unabhängigkeit der Inhalte zu gewährleisten, wurde ein Wissenschaftlicher Beirat aus prominenten Forscherinnen und Forschern zur Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts und insbesondere zur Geschichte des Nationalsozialismus, der Verfolgung der europäischen Juden und zum Antisemitismus herangezogen. Dieser begleitete die Erstellung des Manuskripts und sicherte es gegen mögliche Einflussnahme seitens des Zoos ab. Diese wurde aber auch zu keinem Zeitpunkt versucht.

Flusspferde „Knautschke“ und „Nante“, Juni 1988

Flusspferde „Knautschke“ und „Nante“, Juni 1988

Ein ungewöhnlicher Ort

Die besonderen Umstände, die zur Ausstellung führten und das ungewöhnliche Umfeld für eine historische Ausstellung waren bedeutende Faktoren in der Planung und in der Auswahl der Inhalte. Von Anfang an war klar, dass die Ausstellung vom Zoodesign gelöst werden musste. Da das Ziel war, die Geschichte der Institution offen und ehrlich auch mit den dunklen Kapiteln zu erklären, konnte sie nicht im eher kuscheligen und grün gehaltenen Ton der Hinweisschilder des Zoos gestaltet sein. Designer und Kurator entwickelten ein völlig eigenes Design mit eigener Tonalität.

Im Foyer des ältesten erhaltenen Gebäudes des Zoos zeigt die Ausstellung auf etwa 130 qm die Geschichte einer Berliner Bildungseinrichtung. Zentral in ihrer Mitte ist das schmerzhafte Kapitel der Anbiederung der Zooleitung an das nationalsozialistische Regime platziert – die Nazifizierung der Belegschaft und des Aufsichtsrates, die Zwangsarbeit und die Versuche der Zooführung, von den Aktienverkäufen der durch das Regime verfolgten jüdischen Zooaktionäre zu profitieren. Die gezeigten Dokumente sind größtenteils dem Archiv der Zoologischer Garten Berlin AG entnommen. Zur Vertiefung der Ergebnisse ist eine Monographie zum 175sten Jubiläum des Zoos im Jahre 2019 geplant.

  • Dauereintrittskarte mit einer Frau, um 1900

    Dauereintrittskarte, um 1900

  • Dauereintrittskarte mit einem Mann, um 1900

    Dauereintrittskarte, um 1900

Dr. Clemens Maier-Wolthausen
Kurator der Ausstellung