Dem Vergessen entrissen

Ein Architekturpreis würdigt den Unternehmer Julius Berger

von Karen Eva Noetzel

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Julius Berger

Manuel Biedermann ist glücklich. Der Name seines Urgroßvaters wird dem Vergessen entrissen. Der Urenkel hat viel dafür getan, damit an seinen Vorfahren, einst eine berühmte Berliner Unternehmerpersönlichkeit, die früher in der Charlottenburger Meinekestraße wohnte, erinnert wird.

Der Tischlermeister hat eine Webseite eingerichtet, wo Interessierte etwas über das Leben des Urgroßvaters erfahren; auch Zeitzeugen können sich hier melden. Das (leere) Mausoleum des Urgroßvaters auf dem jüdischen Friedhof in Weißensee ist aufwendig restauriert. Im vergangenen Jahr konnte Manuel Biedermann ins polnische Bydgoszcz (Bromberg) reisen. Dort feierten die Stadtväter von heute einen der Ihren von damals mit der Anbringung einer Gedenktafel am von ihm gestifteten Säuglingsheim, heute ein Kulturzentrum.

Jetzt haben der Verein Architekturpreis Berlin und der Konzern Bilfinger, der bis vor kurzem noch den Namen Berger in seinem Namen mitführte, einen Preis zu Ehren des Urgroßvaters gestiftet: den mit 10.000 Euro dotierten Julius-Berger-Preis. Er würdigt unternehmerische Initiativen zur Stadtentwicklung. Am 20. September 2013 wurde er zum ersten Mal verliehen.

Die Jury unter Vorsitz des früheren Daimler-Chefs und Berliner Ehrenbürgers Edzard Reuter hat sich für das Roma-Integrationsprojekt in der Harzer Straße in Neukölln entschieden, „wegen des besonderen unternehmerischen Muts“, so das Preisgericht. Die katholische Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mit ihrem Projektmanager Benjamin Marx hat acht heruntergekommene Häuser mit 137 Wohnungen saniert, in denen seit Jahren Roma-Familien aus dem rumänischen Dorf Fontanelle leben. Seit der Instandsetzung ist es überall aufgeräumt, es gibt eine Anlaufstelle der Caritas, Sprach- und Nähkurse und eine Gesundheitsvorsorge für die Kinder.

Unternehmerischen Mut, den hat auch Julius Berger bewiesen. Er machte ihn zu einem leidenschaftlichen, zielstrebigen und cleveren Selfmademan, der über dem Geschäft nie Herzlichkeit und Aufrichtigkeit vergaß. Als Sohn eines Fuhrunternehmers ist Julius Berger vor 151 Jahren, am 22. September 1862, im westpreußischen Zempelburg in ärmlichsten Verhältnissen zur Welt gekommen. Mit zwölf ging Julius Berger nach Berlin in die Lehre, besuchte die Abendschule, brach mit sechzehn die Berufsausbildung ab und kehrte in den Heimatort zurück.

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Verleihung des Julius-Berger-Preis am 20. September 2013

Der Aufstieg begann mit dem Transport von Kies und Steinen. Nach einigen Jahren hatte Berger so viel Geld beisammen, dass er Geschäft und Wohnsitz in die Provinzhauptstadt Bromberg verlegen konnte. 1910 erfolgte der Umzug in die Reichshauptstadt Berlin. Als einer der ganz Großen im Baugeschäft errichtete Berger später Tausende Kilometer Eisenbahnstrecke in Ostund Westpreußen, Posen und Pommern, in der Türkei und in Persien, eine Brücke über den Nil und den 8,3 Kilometer langen Hauenstein-Basistunnel in der Schweiz. Berger baute Bahnhöfe, Deiche, Häfen, Molen, Viadukte, Kanäle und anderes mehr – und bewegte für die Berliner U-Bahn Steine und Sand, über und unter der Erde.

Mit der Machtübertragung an die Nazis zählte Julius Bergers Erfolg nicht mehr. Er war Jude. Unter dem Druck antisemitischer Propaganda schied er im Dezember 1933 aus dem Vorstand seiner Firma aus. Trotzdem glaubte er nicht an die „fürchterlichen Pläne, von denen man raunte“. Julius Berger und seine Frau Flora wurden am 14. September 1942 vom Güterbahnhof Moabit aus nach Theresienstadt in den Tod deportiert.

Manuel Biedermann hat 2008 mit der letzten, noch lebenden Enkelin Bergers, seiner Großtante Ingeborg Loew in Buenos Aires, Kontakt aufgenommen. „Wir telefonieren regelmäßig jede Woche miteinander“, erzählt Biedermann. Die 92-jährige Ingeborg sei begeistert, dass ihr Großvater heute wieder auf so vielfältige Weise Anerkennung und Würdigung erfahre.

Manuel Biedermann
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