Das Leben in der Großstadt

BMW Guggenheim Lab in Berlin

_von Dr. Frank Ebbinghaus, Senatskanzlei_

Metropolen erfahren zahlreiche Zuschreibungen, denen meist eine ambivalente Wahrnehmung zugrunde liegt. Kein Wunder: Denn in Großstädten spielt das Leben in einer stark verdichteten Form, wodurch sich gleichermaßen ihre Faszination wie ihre Problemlage erklärt. Was beispielsweise gerne als melting pot, als Schmelztiegel unterschiedlicher Kulturen ausgegeben wird, kommt weniger euphemistisch als Integrationsproblem daher. Und stellt sich in der erweiterten Form als Frage des sozialen Zusammenhalts.

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Das Modell des BMW Guggenheim Lab, Nach New York und Berlin zieht das Lab nach Mumbai

Die Fokussierung auf junge bis jugendliche Erlebniswelten, die inzwischen zum Markenzeichen hipper Großstadtkultur avanciert sind, gilt anders gewendet auch als Herausforderung durch den demografischen Wandel, also: Wie bleibt die Stadt für die wachsende Zahl alter Menschen lebenswert? Ein weiteres Reizthema, das gerade in Berlin aktuell ist, firmiert unter dem Kampfbegriff „Gentrifizierung“. Und meint, dass auf die Nomaden einer kulturellen Avantgarde, die herunter gekommene Stadtquartiere in angesagte Kreativstandorte verwandeln, das Geld folge. Und damit ein Verdrängungsprozess Alteingesessener wie jener Motoren des Veränderungsprozesses selbst, die steigenden Mieten und gediegenen Lebensansprüchen begüterter Zugezogener weichen müssten.

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Das Guggenheim Lab findet in New York regen Zuspruch

Die Liste metropolitaner Herausforderungen ließe sich beliebig verlängern. Fast unvorstellbar erscheint, über all dies eine Käseglocke zu legen, um binnen weniger Monate sämtliche Probleme auf einen Schlag zu lösen. Genau dies aber strebt das BMW Guggenheim Lab an, das im Laufe des Jahres 2012 seine Zelte in Berlin aufschlagen will. Letzteres darf man durchaus fast wörtlich nehmen. Denn zu den Besonderheiten dieses Projekts zählt eine temporäre und mobile, gleichwohl ästhetisch höchst anspruchsvolle, ja geradezu programmatische Heimstatt, die in Berlin auf dem Gelände des Kulturprojekts Pfefferberg in Berlin-Mitte, der einstigen Brauerei Pfeffer, entstehen soll.

Dort werden dann für rund drei Monate unter dem Titel „Confronting Comfort“ am Beispiel Berlins drängende Fragen von Lebensqualität, Wohlstandsstreben, sozialer Verantwortung und Nachhaltigkeit erörtert und „zukunftsweisende Lösungsansätze für das Leben in der Stadt“ entwickelt. Dabei fehlt es nicht an hochkarätigen Fachleuten verschiedenster Disziplinen. Wirklich spannend könnte es werden, wenn das obligatorische Experten-Palaver auf die lebensweltlich gestählten Erfahrungen und Bedürfnisse interessierter Berlinerinnen und Berliner stößt, was ausdrücklich erwünscht ist. Natürlich lässt sich der Diskurs auch am heimischen Computer unter www.bmwguggenheimlab.org führen.

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Ähnlich wie hier in New York wird die Veranstaltung auch in Berlin präsentiert werden

Was dieses Projekt außergewöhnlich macht, ist seine globale Dimension. Denn nicht nur in Berlin, auch in New York (wo das BMW Guggenheim Lab zum selben Thema seit August 2011 ein schickes Domizil geöffnet hat) und später in Mumbai soll im gleichen Rahmen über dieselben Fragen debattiert werden – was zwangsläufig höchst unterschiedliche Antworten zeitigen wird. Darin kann man eine Einladung zu Dialog und Austausch sehen. Weshalb zum Abschluss des Drei-Städte-Zyklus im Solomon R. Guggenheim Museum in New York eine Sonderausstellung zu zentralen Aspekten stattfindet, die an den verschiedenen Standorten des BMW Guggenheim Lab behandelt, untersucht und präsentiert wurden. Den Stationen New York-Berlin- Mumbai sollen noch zwei weitere Zyklen des BMW Guggenheim Lab folgen, die sich in Metropolen Nord- bzw. Südamerikas, Europas und Asiens anderen drängenden Fragen großstädtischer Lebenswirklichkeit widmen. Fast scheint es, als sei bereits die äußerst aufwändige Organisation des BMW Guggenheim Labs eine Anverwandlung der Komplexität moderner Metropolen. Ein spannendes Experiment ist es allemal.