Meine Identität II

Auf meinen Brief im letzten aktuell (Ausgabe 82) bekam ich drei Antworten aus Israel, fünf aus den USA und drei aus England; es war auch eine Verwandte der Familie Leiser dabei. Das war viel mehr, als ich jemals erwartet hatte. Viele kannten den Witz, und manche haben mir noch eine Ergänzung geschrieben über das Schuhgeschäft Stiller, oder dass gar keine Regenschirme bei Leiser verkauft wurden, but who cares, so war es in meiner Erinnerung und so will ich es bewahren.

Alle schrieben in sehr wenigen Zeilen ihre Kindheitserinnerungen, von Fluchten, neu anpassen, wieder flüchten, usw. Wir kennen ja die Geschichten, denn wir haben sie alle selber auch erlebt. Und das Thema hinter diesen Geschichten ist die Einsamkeit, die die Kinder (also wir) damals gespürt hatten, und vielleicht noch immer fühlen. Wer interessierte sich damals für die Erfahrungen von Kindern? Was uns gesagt wurde war: „Ihr seid ja nur Kinder, ihr habt ja nichts verstanden und nichts gespürt.“ Aber ich bin sicher, dass die wirklichen Opfer jeden Krieges die Kinder sind, das waren wir.

Die emotionalste Antwort bekam ich aus England: Jemand mit meinem Alter wohnte in derselben Straße wie wir, und wahrscheinlich gingen wir in dieselbe Schule (Adass Jisroel in die Artilleriestraße). Wir wohnten nebeneinander! Vielleicht spielten wir auch zusammen auf der Straße, wenn schönes Wetter war. Leider hat derjenige keinen Computer, also korrespondieren wir per Post, das dauert etwas länger.

Danke Leiser für den Witz, danke aktuell für die Möglichkeit, sich selber, anderen, der eigenen Vergangenheit, begegnen zu können.


Dr. Nathan Durst
Chiffre 109102