Nicht in die Schultüte gelegt

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Im Herbst 2003 bat ich die Leserinnen und Leser von aktuell , mir ihre Erinnerungen an ihre Schulzeit in Berlin und Einschulungsfotos zu schicken. Die Resonanz war überwältigend. Vielen herzlichen Dank! Ich erhielt inzwischen mehr als 100 Briefe und E-Mails.

Lange Zeit fehlte mir die „zündende“ Idee, schließlich konnte ich zwei Partner gewinnen: Das Anne Frank Zentrum und die Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum. Das Anne Frank Zentrum in Berlin ist die deutsche Partnerorganisation des Anne Frank Hauses Amsterdam. Es arbeitet mit Kindern und Jugendlichen und engagiert sich gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. Die Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum forscht zur jüdischen Geschichte Berlins und macht sie durch Ausstellungen und Publikationen begreifbar.

Im Herbst 2008 sind wir an die Öffentlichkeit getreten. Das Thema lautet, den Brauch der mit Süßigkeiten gefüllten Schultüte aufnehmend: Nicht in die Schultüte gelegt – Schicksale jüdischer Kinder 1933-1942 in Berlin. Wir betreten mit unserer Projektidee ein relativ neues Feld und stellen uns einer Herausforderung. Wie erklärt und thematisiert man die Shoa gegenüber Kindern? Von Beginn an arbeiten wir deshalb gemeinsam mit Kindern verschiedener Berliner Grundschulen. Es entsteht ein „Kinderexpertenkreis“. Nur so können wir sicher sein, dass wir die Bedürfnisse der Kinder treffen. Wir wollen nicht traumatisieren, aber auch nicht banalisieren und wir müssen eine Brücke in die Gegenwart, die Erlebniswelt der Kinder heute schaffen. Die Schultüte wird zur Zeitmaschine …

Wir arbeiten mit den Kindern zu den Themen ‚Freundschaft‘ und ‚Ausgrenzung‘, über ‚plötzlich wegmüssen‘, ‚neu ankommen‘ und ‚fremd sein‘. So fragen wir nach eigenen Einschulungsfotos und sprechen darüber, welche Eigenschaften die Kinder an ihrem besten Freund schätzen, was sie verbindet und was dazu führen könnte, diese Freundschaft zu lösen oder welche Sachen sie mitnähmen, wenn sie nur einen kleinen Koffer hätten. Ich erzähle den Kindern dann einige der Geschichten, die Sie mir geschickt haben und zeige dazu Fotos. Die Kinder diskutieren sehr engagiert und sind neugierig. Wichtig ist uns, mit dem Projekt auch Kinder mit sogenanntem „Migrationshintergrund“ zu erreichen.

Es wird eine Ausstellung entstehen, die durch Berliner Grundschulen wandert. Außerdem kooperieren wir mit der Humboldt-Universität im Bereich Grundschulpädagogik. Eine kleine Broschüre, die unseren derzeitigen Stand der Werkstatt widerspiegelt, liegt bereits vor.

Als Schirmherrn haben wir – und darüber freuen wir uns sehr im vierzigsten Jahr des Bestehens des Einladungsprogramms für ehemalige Berlinerinnen und Berliner – den damaligen Regierenden Bürgermeister Berlins, Dr. Klaus Schütz, gewonnen.


Carolyn Naumann
Chiffre 109101