Das ist die Berliner Luft

Moderne Klima- und Energiepolitik

_von Dr. Frank Ebbinghaus, Senatskanzlei_

Eigentlich müsste die berühmte Berliner Luft über jede CO 2 -Bilanz erhaben sein. Schließlich reimt sich „Luft“ gleich dreimal auf „Duft“ – so jedenfalls in Paul Linckes unsterblicher Ode ans Berliner Lebensgefühl. Was damals vor allem „duftete“, war die dicke Luft der Mietskasernen und Industrieunternehmen.

Neuartikel9 1

Kaum zu glauben: Dieses Windrad steht in Berlin, und zwar im Bezirk Pankow.

Heute sind die rauchenden Schlote verschwunden, Berlin ist Vorreiter beim Klimaschutz. Bereits seit 1990 hat Berlin ein Energiespargesetz. Auf dieser Grundlage hat der Senat Maßnahmen zur Sanierung von privaten und öffentlichen Gebäuden beschlossen. Ein Beispiel: Die größte Solaranlage der Stadt erzeugt auf dem Dach des Wasserwerks Tegel bis zu 178.000 Kilowattstunden Strom jährlich und hilft, 157 Tonnen CO 2 einzusparen.

Seit 1990 konnten die energiebedingten CO 2 -Emissionen in Berlin bereits drastisch gesenkt werden. Ein guter Teil der Einsparungen ging freilich auf das Konto des industriellen Niedergangs seit der Wiedervereinigung. Ein anderer Teil verdankt sich einer vorausschauenden Energiepolitik. Zur Wende wärmten sich die Berliner noch an rund 400.000 Kohleöfen. Heute sind es weniger als 60.000. Dafür boomt jetzt die Versorgung mit Fernwärme und Erdgasheizungen, die beide erheblich weniger Kohlendioxid freisetzen: Statt 450.000 werden inzwischen 580.000 Wohnungen mit Fernwärme versorgt, die Zahl der Erdgasheizungen hat sich von 300.000 auf 580.000 praktisch verdoppelt.

Zwischen 2002 und 2005 hat der Berliner Erdgasversorger GASAG die Kohlendioxid-Emissionen um 250.000 Tonnen pro Jahr verringert, indem er unter anderem 32.000 alte Öl- und Kohleheizungen auf moderne Erdgasheizungen umstellte, alte Erdgasheizungen durch energieeffizientere neue Anlagen ersetzte und solarthermische Anlagen installierte.

Artikel9 2

Auf dem Wasserwerk Tegel im Norden der Stadt steht die größte Solaranlage Berlins.

Groß sind die Herausforderungen einer klimafreundlichen Verkehrspolitik. Rund ein Viertel der CO 2 – Emissionen entfällt auf den Verkehr – Tendenz steigend. Dafür sorgen das starke Wachstum des Flugverkehrs von und nach Berlin ebenso wie die steigende Nachfrage nach Logistikleistungen. Hinzu kommt eine Berliner Besonderheit: Nach der Wende konnten sich viele Berliner im Ostteil der Stadt endlich ein Auto zulegen. Mehr Verkehr bedeutet höhere CO 2 -Emissionen.

Der Senat steuert gegen: Seit Anfang dieses Jahres dürfen nur noch Fahrzeuge, die bestimmte Abgasnormen einhalten, die Innenstadt befahren. Dreckschleudern müssen draußen bleiben. Die Einrichtung der Umweltzone dient in erster Linie der Reduzierung von Luftschadstoffen wie Feinstaub und Schwefeldioxid, sorgt aber auch für eine Senkung des CO 2 -Ausstoßes. Bei der ökologischen Modernisierung des Verkehrswesens bleibt noch viel zu tun. So müssen noch viel mehr erdgasbetriebene Fahrzeuge zum Einsatz kommen.

Berlin verbessert mit seiner neuen Energiepolitik nicht nur die CO 2 – Bilanzen, sondern auch seine wirtschaftlichen Perspektiven. Die Energie- und Umwelttechnologie ist eine echte Berliner Zukunftsbranche, in der durch die Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft viele neue Jobs entstehen. Ein gutes Beispiel ist die Solartechnologie in der Hauptstadtregion. Nirgendwo sonst in Europa gibt es so viele Produzenten, Zulieferer und Dienstleister. 35 % aller in ganz Europa produzierten Photovoltaik-Module kommen von hier. Und Berlin selbst ist auch ein bedeutender Markt.

Artikel9 3

Der Blick vom Windrad hinunter Richtung Stadtzentrum. Für Besucher ist das Windrad aber nicht zugängig.

Denn die energetische Gebäudesanierung ist eine der großen klimapolitischen Herausforderungen. Einige Wohnungsbaugesellschaften haben diesen Weg bereits entschlossen eingeschlagen. Jetzt gilt es auch, verstärkt private Immobilienbesitzer für den Klimaschutz zu gewinnen.

Gerade für die großen Städte ist der Schutz des Klimas eine der zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Weltweit verbrauchen die Städte 75 % der erzeugten Energie und sie verursachen 80 % aller klimaschädlichen Emissionen. Deshalb hat der Berliner Senat den Klimaschutz zu einem zentralen Aufgabengebiet gemacht. Bis zum Jahr 2020 will die deutsche Hauptstadt im Vergleich zu 1990 ihren CO 2 -Ausstoß um 40 Prozent senken. Damit die Berliner Luft auch wirklich dufte ist.