Werner Richard Heymann

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Heymann 1959 in München mit Ehefrau und Tochter.

In der südwestlichen Ecke des Karolinger Platzes in Charlottenburg/Westend steht, unter Kiefern und mit markantem Kontrast von weißem Verputz und rotem Backstein, das von Erich Mendelsohn 1921 erbaute Doppelhaus Karolinger Platz 5a/5b. Seit Mai 2008 erinnert eine Gedenktafel daran, dass der Komponist Werner Richard Heymann bis 1933 im Haus 5a lebte. „Sie kennen mich nicht, aber Sie haben schon viel von mir gehört“, so hat er sich, als er nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem amerikanischen Exil nach Deutschland zurückgekehrt war, gern vorgestellt und dann am Klavier seine Schlager gespielt, die bis heute fast jeder kennt: „Das gibt’s nur einmal, das kommt nicht wieder“, „Ein Freund, ein guter Freund“, „Das ist die Liebe der Matrosen“. Werner Richard Heymann, 1896 in Königsberg geboren, 1961 in München gestorben, war bis zu seiner Emigration der erfolgreichste Filmkomponist der UFA.

Seit 1912 hatte er in Berlin gelebt, zunächst komponierte er ernste Musik. Nach dem ersten Weltkrieg vertonte er dann für die berühmten Kabaretts „Schall und Rauch“ und „Wilde Bühne“ Gedichte von Mehring, Klabund und Tucholsky und wurde so, gemeinsam mit Friedrich Hollaender, der Begründer des literarischen Kabarettchansons. Danach ging er zum Film. In der Stummfilmära, als in den großen Kinos Live-Orchester die Filme begleiteten, brachte er es zum Generalmusikdirektor der UFA. Beim Aufkommen des Tonfilms wurde er der musikalische Begründer der Tonfilmoperette; „Die drei von der Tankstelle“ und „Der Kongreß tanzt“ waren die erfolgreichsten Filme der UFA vor 1933. Das erklärt, weshalb die UFA, die bereits im März 1933 alle anderen jüdischen Filmschaffenden entließ, ihn als einzigen halten wollte. Aber Heymann machte diese Infamie nicht mit und verließ Deutschland umgehend mit zwei Koffern und 600 Mark in der Tasche. Die Emigration führte ihn nach Paris, London und zuletzt nach Hollywood, wo er bis 1951 die Musik zu über 50 Filmen schrieb, darunter zu legendären Filmen von Ernst Lubitsch, wie „Ninotschka“ mit Greta Garbo und „Sein oder Nichtsein“.

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Ein Portrait aus den 30er Jahren.

Lange Zeit hindurch hatte ich mich, als einzige Tochter Heymanns aus vier Ehen, um eine Gedenktafel bemüht, die an das Lebenswerk, aber auch die Vertreibung meines Vaters aus Berlin erinnert. Dank des Verlags „Universal Music Publishing“ und vor allem, weil sich der Kulturstaatssekretär André Schmitz engagiert für das Berliner Gedenktafelprogramm einsetzt, wurde am 30. Mai 2008 in einer kleinen Feier die Gedenktafel enthüllt. Staatssekretär Schmitz würdigte auf sehr persönliche Weise meinen Vater, der seiner Musik oben „im blauen Salon“ zuhöre. Und in der Tat erklangen seine unvergessenen Melodien aus den in den Bäumen platzierten Lautsprechern wie vom Himmel. Prof. Martin Ulrich von der Universität der Künste erinnerte an die zwanziger und dreißiger Jahre, in denen es noch keine starre Trennung von U- und E-Musik gab. Vielmehr zählte übergreifend die musikalische Qualität, die er in den Kompositionen meines Vaters aufzeigte. Dr. Wolfgang Trautwein, Archivdirektor der Akademie der Künste, die das Werner-Richard-Heymann-Archiv betreut, ließ meinen Vater aus den Dokumenten lebendig werden. So schrieb dieser bei seiner Rückkehr ins kriegszerstörte Berlin: „Es ist eine merkwürdige Sache, man kann sich zehntausendmal innerlich sagen: Sie haben es ja so gewollt; sie haben den Krieg angefangen, sie haben sechs Millionen Juden vergast – es hilft alles nichts: Wenn man die ersten zerschossenen Stadtteile sieht, überfällt einen der Gedanke, was es für ein Wahnsinn ist, dass Menschen sich so etwas antun können, und ich habe wieder einmal heulen müssen. Nicht aus Mitleid, sondern aus Verzweiflung, dass 2.000 Jahre nach der Bergpredigt so etwas immer noch möglich ist.“ Trotz aller bitteren Erfahrungen hat mein Vater Werner Richard Heymann sich seinen Optimismus und den Glauben an die Menschen bewahrt; in seinen Melodien lässt er uns daran teilhaben. Die Gedenktafel zitiert sein Lieblingslied: „Irgendwo auf der Welt gibt’s ein kleines bisschen Glück, und ich träum davon in jedem Augenblick.“


Elisabeth Trautwein-Heymann
Chiffre 208101