250 Jahre Jüdisches Krankenhaus Berlin

_von Gerhard Nerlich,
Jüdisches Krankenhaus Berlin_

Der Regierende Bürgermeister von Berlin überreicht Blumen an die Ehrengäste aus Amerika.

Der Regierende Bürgermeister von Berlin überreicht Blumen an die Ehrengäste aus Amerika.

Dieses Jubiläum steht für eine beispiellose und bewegende Erfolgsgeschichte. Bedeutende Namen der Wissenschaft und des medizinischen Fortschritts sind mit dem Namen des Jüdischen Krankenhauses in Berlin eng verknüpft. Als Keimzelle und Motor medizinischer Forschung und Behandlung symbolisiert die Klinik gleichzeitig die Höhen und Tiefen deutsch-jüdischer Geschichte und Kultur in Berlin und Deutschland.
Das Jüdische Krankenhaus ist die einzige jüdische Einrichtung in Deutschland, die den Naziterror in gleich bleibender Funktion überdauert hat.

„Alles was ihr tut, sollt ihr nur aus Liebe tun“, lautet die Lehre des großen Arztes und Philosophen Moses Maimonides. Ein Leitgedanke, dem sich die Mitarbeiter des Hauses verpflichtet fühlen. Sie wahren diese Tradition und leben Toleranz gegenüber „Anderen und Fremden“ und leisten damit einen konkreten Beitrag zur Integration ausländischer Mitbürger in Berlin.

Sein besonderes Jubiläum feierte das Jüdische Krankenhaus im September 2006. So fand am 1. September im Krankenhaus eine Festgala statt, um dieses herausragende Ereignis entsprechend zu würdigen. Unter den ca. 450 Gästen begrüßte die Kaufmännische Direktorin des Hauses, Brit Ismer, unter anderem den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, der auch die Schirmherrschaft über die Feierlichkeiten übernommen hat. Die Rednerliste war prominent besetzt. Es gratulierten neben dem Regierenden der Präsident des Abgeordnetenhauses, Walter Momper, Bezirksbürgermeister Joachim Zeller, Prof. Latasch als Präsidiumsmitglied des Zentralrates der Juden in Deutschland und der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlin, Dr. Gideon Joffe. Frau Prof. Jutta Limbach, Präsidentin des GoetheInstituts und Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts a. D., hielt den Festvortrag „Vom Ethos des Heilens“.

Als Ehrengäste wurden vier Krankenschwestern begrüßt, die den Naziterror und somit die furchtbarsten Jahre ihres Lebens im Jüdischen Krankenhauses verbrachten. Der Regierende Bürgermeister von Berlin begrüßte die Damen herzlich und überreichte Blumen. Als ganz junge Frauen haben sie in den letzten Kriegsjahren hier gearbeitet und überlebt. Viele andere Juden kamen direkt in die Vernichtungslager oder haben sich das Leben genommen. Das Krankenhaus war Ghetto und Durchgangslager für die Transporte nach Auschwitz und Theresienstadt. Das Jüdische Krankenhaus war damals ihre Rettung. Es ist fast als ein Wunder zu bezeichnen. Wie konnte dies geschehen? Wie arbeiteten die jüdischen Ärzte und Krankenschwestern, wie lebten die jüdischen Patienten unter den Bedingungen des Nationalsozialismus?

Daniel B. Silver hat für sein Buch „Überleben in der Hölle“ Zeitzeugen interviewt und in Archiven recherchiert, um die Hintergründe dieser bestürzenden und zugleich faszinierenden Geschichte zu rekonstruieren. Entstanden ist ein lebendiges und ergreifendes Bild von Leid und Gefahr, aber auch von Hoffnungen und stillen Vergnügungen in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Frau Inge Lefkowitz, Frau Anita Ehrenberg, Frau Helga Mamlock und Frau Ruth Winterfeld sind nach dem Krieg nach Amerika emigriert. Ihren schrecklichen Erfahrungen zum Trotz hängt ihnen das Jüdische Krankenhaus am Herzen. „Es hat viel für uns getan, wir waren wie eine Familie“, sagt Frau Lefkowitz. Aus Amerika sind sie eigens zum 250-jährigen Bestehen „ihres Krankenhauses“ angereist.

Eine Ausstellung im Jüdischen Krankenhaus „Vom Heqdesh zum Hightech“ zeigt die 250-jährige Geschichte des Krankenhauses und stellt die verschiedenen Lebensstationen in Judentum, Christentum und Islam vergleichend dar. Die Ausstellung entstand im Rahmen eines Forschungsprojektes und ist von Studenten des in Potsdam ansässigen Moses-MendelssohnZentrums konzipiert worden.

Das Jüdische Krankenhaus ist eine der ältesten und traditionsreichsten Kliniken Deutschlands und gleichzeitig auch ein Symbol für die Höhen und Tiefen deutschjüdischer Geschichte und Kultur in Deutschland und Berlin.
Die Anfänge jüdischer Krankenpflege gehen weit zurück. Bereits vor 1753 hatte die Jüdische Gemeinde ein Haus für arme Kranke unterhalten, Heqdesh genannt. Nach der Wiederansiedelung von Juden in Berlin nach 1700 galt es, die anwachsende jüdische Bevölkerung adäquat zu versorgen. So kam es im Jahr 1756 zur Gründung des ersten Krankenhauses der Jüdischen Gemeinde in der Oranienburger Straße. Die in der jüdischen Religion fest verankerte Pflicht, den Ärmsten und Bedürftigsten zu helfen, bezieht sich auf alle Menschen. So finden im Jüdischen Krankenhaus alle Patienten, gleich welcher Religion und Kultur, Herkunft oder Hautfarbe menschliche, medizinische und pflegerische Behandlung.

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Der schöne Park am Krankenhaus.

Erhebliche Überbelegung und damit verbundene Raumprobleme machten 1857 einen Neubau erforderlich. Dem königlichen Baurat Eduard Knoblauch, der gerade die Synagoge in der Oranienburger Straße errichtet hatte, wurde die Planung anvertraut. 1861 konnte das neue Jüdische Krankenhaus in der Auguststraße eröffnet werden. Es galt in Deutschland als vorbildliche und richtungsweisende Einrichtung der medizinischen Lehre, Forschung und Patientenversorgung. Als das Haus 1914 abermals zu klein geworden war, zog man an den „grünen Rand der Stadt“, den heutigen Standort in Wedding. Die Eröffnung dieser modernen, mit allen Hilfsmitteln ärztlicher Kunst ausgestatteten Heilanstalt war ein gesellschaftliches Ereignis ersten Ranges.

Bedeutende und herausragende Persönlichkeiten der medizinischen Wissenschaft wie z. B. Marcus Herz, Bernhard von Langenbeck, Ludwig Traube, Nathan Zuntz, James Israel, Hermann Strauß und Paul Rosenstein hatten hier ihre Wirkungsstätte. Das Jüdische Krankenhaus hatte sich von einem kleinen Spital zu einer „international berühmten Musteranstalt“ entwickelt.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten begann das traurigste Kapitel in der Geschichte des Krankenhauses. Es wurde als Sammellager und Zwischenstation für die Transporte der Juden in Konzentrationslager missbraucht. Es wurde Ghetto – aber auch Zufluchtstätte für Untergetauchte. Nach 1945 war die Jüdische Gemeinde nicht mehr in der Lage, das Krankenhaus aus eigener Kraft zu führen. Deshalb wurde es 1963 eine Stiftung Bürgerlichen Rechts und erhielt den Namen „Jüdisches Krankenhaus Berlin“.

Das Jüdische Krankenhaus heute

Heute ist das Jüdische Krankenhaus ein modernes Unfallkrankenhaus mit 343 Betten. Das Krankenhaus führt zwei internistische Abteilungen, mit den jeweiligen Schwerpunkten auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Magen-Darm-Erkrankungen, eine Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie mit dem Schwerpunkt der Suchtbehandlung nach dem Prinzip des qualifizierten Entzuges. Weitere Abteilungen sind die Neurologie, mit den Schwerpunkten Multiple Sklerose und anderen chronisch-entzündlichen Erkrankungen des Nervensystems, sowie die Abteilung für Chirurgie mit Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Allgemein- und Visceralchirurgie. Weiterhin führt das Haus ein Zentrum für Herzinsuffizienz, ein Bauchzentrum, ein Gefäßzentrum und eine interdisziplinäre Intensivstation und Stroke-Unit. In diesen Zentren werden die Patienten von Spezialisten des Krankenhauses fachübergreifend behandelt und die Patientenversorgung wird auf höchstem Qualitätsstandard verwirklicht.

Am 3. September 2006 veranstaltete das Krankenhaus einen Tag der offenen Tür. Über 7.000 Besucher konnten sich von dem Leistungsangebot des Krankenhauses überzeugen. Es wurden Live-Vorführungen zur Notfallrettung Schwerstverletzter gemeinsam mit der Berliner Feuerwehr dargeboten. Das Krankenhaus stellte seine Fähigkeiten als modernes Unfallkrankenhaus dar und gestattete einen Blick hinter die Kulissen seines OP-Bereiches, des Herzkatheterlabors, der Radiologie, der Endoskopie und weiterer Bereiche. Verschiedene Gesundheitschecks zeigten den Besuchern, wie es um ihre Gesundheit bestellt ist. An Informations- und Aktionsständen standen Ärzte und Pflegepersonen Rede und Antwort. Medizinische Vorträge zu den Themen Diabetes, Herzerkrankungen, Suchterkrankungen, Schlafstörungen und Erkrankungen des Hüftgelenkes rundeten das Programm ab. Die Besucher waren begeistert, sehr interessiert und fachkundig. Auch die Unterhaltung kam nicht zu kurz, das Kinderprogramm begeisterte auch die Kleinsten.

In den letzten Jahren ist das Krankenhaus weitere Schritte in Richtung eines modernen Gesundheitszentrums gegangen, indem es unter anderem die Trägerschaft für das Seniorenwohnheim in der Weddinger Schulstraße übernahm. Im Jahr seines 250-jährigen Bestehens hat das Jüdische Krankenhaus das begehrte KTQ-Zertifikat als qualitätsgeprüftes Krankenhaus verliehen bekommen.


Jüdisches Krankenhaus Berlin
Heinz-Galinski-Straße 1
13347 Berlin
www.juedisches-krankenhaus.de .