Der Name hat sich geändert – und auch sonst erinnert nicht mehr viel an den alten Lehrter Stadtbahnhof. Dort, wo bis zum Zweiten Weltkrieg einer der traditionsreichen Bahnhöfe der Stadt und danach eine S-Bahnstation standen, erhebt sich heute im öden Brachland zwischen Moabit und Mitte ein gläserner Prachtbau. Am 28. Mai 2006 wurde Berlins Hauptbahnhof eröffnet – nach elfjähriger Bauzeit, geschätzten 700 Millionen Euro Kosten und zahlreichen Querelen zwischen dem Architekten, der Bahn AG und dem Berliner Senat. Die Stadt hat damit zum ersten Mal in ihrer Geschichte einen richtigen Hauptbahnhof. Und die erste Bilanz fällt positiver aus als es die Vorzeichen vermuten ließen.
In den ersten Wochen erlebte der Bahnhof einen wahren Massenandrang. Den neugierigen Berlinern, die das nunmehr große Bauwerk inspizieren wollten, folgten Scharen von Fußballfans. Die von der Bahn erwarteten 300.000 Besucher und Reisenden pro Tag – von vielen Kritikern als hoffnungslos optimistisch abgetan – kamen bisher tatsächlich. Mittlerweile gehört der Hauptbahnhof fest zum Stadtbild und ist zu einer Sehenswürdigkeit und Touristenattraktion geworden.
Ursprünglich sollte der Hauptbahnhof schon im Jahr 2000 fertig sein, die 1995 begonnenen Bauarbeiten verzögerten sich um Jahre. Architekten, Techniker und Ingenieure kämpften mit dem feinen märkischen Sand, dem hohen Grundwasserspiegel und statischen Problemen. Die Spree, die in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs fließt, musste zeitweise umgelenkt werden. Während der gesamten elfjährigen Bauphase erhitzten sich an dem Bau aus Glas, Stahl und Beton die Gemüter. Die Bahn AG versuchte, durch Superlative zu überzeugen: Der größte und modernste Kreuzungsbahnhof Europas, die größte unterirdische Halle der Welt, die größte Photovoltaikanlage Deutschlands sollten entstehen. Doch der neue Bahnhof war lange Zeit nicht nur das spektakulärste, sondern auch das meistgeschmähte Architekturprojekt der Stadt. Es hagelte Kritik: Der Hauptbahnhof sei ein Milliardengrab, ein überambitioniertes Prestigeprojekt des Bahnchefs Mehdorn, und noch dazu irgendwo im Niemandsland gebaut.