„Brücke“ - Die Geburt des deutschen Expressionismus

Eine Ausstellung zum hundertjährigen Jubiläum der Künstlergruppe Brücke

_von Christiane Remm,
Brücke-Museum Berlin_

Ernst Ludwig Kirchner: Franzi vor geschnitztem Stuhl (1910 / Öl auf Leinwand)

Ernst Ludwig Kirchner: Franzi vor geschnitztem Stuhl (1910 / Öl auf Leinwand)

Den Höhepunkt des „Brücke“-Jubiläumsjahres bildet die große Retrospektive „Brücke – Die Geburt des deutschen Expressionismus“, die bis zum 15. Januar 2006 in den Räumen der Berlinischen Galerie zu sehen sein wird. Diese Ausstellung, die das Brücke-Museum in Zusammenarbeit mit dem Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid realisiert hat, vereinigt die wichtigsten Werke der „Brücke“ aus allen Schaffensphasen. Über 200 Arbeiten (Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphik und Plastik) wurden aus rund 75 öffentlichen und privaten Sammlungen zusammengetragen – einige davon waren zuvor noch nie in Berlin zu sehen. Die Ausstellung bietet einen thematisch-chronologischen Überblick über das Gesamtwerk der „Brücke“, und veranschaulicht, in welcher Weise die Künstler die Kunst und das Leben zu erneuern versuchten.

Die Gründung der Künstlergruppe „Brücke“ 1905 gilt als eines der wichtigsten Ereignisse in der Kunst des 20. Jahrhunderts. In Dresden wandten sich Ernst Ludwig Kirchner, Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff enthusiastisch der Kunst zu. Mit ihrer Lebens- und Arbeitsweise, ihrer Bildsprache und ihrer kritischen Einstellung gegenüber der traditionellen Malerei begründeten sie eine Bewegung, die als Expressionismus bezeichnet wird und die neben den künstlerischen Ergebnissen auch Ausdruck und Beispiel eines neuen Lebensgefühles wurde. Im gemeinsamen Zeichnen und Malen fanden die „Brücke“-Maler eine völlig freie künstlerische Ausdrucksweise, die jedoch immer dem Gegenständlichen und dem Erzählerischen verpflichtet blieb. Im Zentrum ihrer Arbeit stand nicht mehr die naturgetreue Abbildung des Gesehenen, sondern die Wiedergabe des subjektiv Empfundenen. Grundlage dafür war das spontane und unmittelbare Erfassen ihrer Umwelt. Das schnelle Skizzieren einer natürlichen Pose nach dem lebenden Modell bildete den Ausgangspunkt der künstlerischen Arbeit, die in enger Gemeinschaft im Atelier und in freier Natur um 1910/11 in einem „kollektiven Brücke-Stil“ gipfelte. Form und Farbe durchliefen dabei einen Abstraktionsprozess: Die Farbe wurde vom Naturvorbild gelöst und zu reinem Ausdruck gesteigert, die Formen vereinfacht, übersteigert und verfremdet. Erfüllt vom Streben, die althergebrachten Bildtechniken zu revolutionieren, wurde die sichtbare Wirklichkeit umgeformt und auf das Wesentliche reduziert. Künstlerisches Arbeiten während längerer Sommeraufenthalte in der unberührten Natur gehörte zu den jährlichen Routinen der Künstler.

Erich Heckel: Windmühle in Dangast (1909 / Öl auf Leinwand)

Erich Heckel: Windmühle in Dangast (1909 / Öl auf Leinwand)

Den Höhepunkt bildeten dabei die gemeinsamen Mal- und Badeaufenthalte an den Moritzburger Teichen bei Dresden in den Jahren 1909–1911. Hier verwirklichten die Maler ihre Idealvorstellungen einer harmonischen Einheit von Kunst und Leben. In diesem Sinne wirkte sich um diese Zeit auch die Auseinandersetzung der Künstler mit der Kunst der Naturvölker Afrikas und Ozeaniens stilprägend aus. Die Arbeiten dieser Jahre bedeuten einen Höhepunkt im gemeinsamen Schaffen der „Brücke“ und im deutschen Expressionismus. Im Herbst 1911 erfolgte der Umzug der Gruppe nach Berlin. Das Erlebnis der Großstadt und Kontakte zur internationalen Avantgarde bewirkten einen Wandel des künstlerischen Selbstverständnisses sowie des persönlichen Stils der einzelnen Künstler. Kirchners berühmte Großstadtbilder, die in nervösem Pinselstrich die pulsierende Großstadt zeigen, sind eindrucksvolle Zeugnisse dieser Berliner „Brücke“-Zeit. Waren die Dresdener Jahre vom Gemeinschaftsgefühl und der Utopie einer neuen Einheit von Kunst und Leben geprägt, wird in Berlin der zunehmende Individualismus der Künstlerpersönlichkeiten zur treibenden Kraft.

Diese verschiedenen, scheinbar divergenten und doch zu einer übergeordneten Einheit verschmolzenen Facetten des Lebens und Arbeitens der „Brücke“-Künstler werden in der Ausstellung in elf Themengebieten – von „Brücke vor Brücke“ bis „Großstadtexpressionen“ – umfassend dargestellt und jeweils mit den repräsentativsten Beispielen illustriert.


Brücke-Museum Berlin
Bussardsteig 9
14195 Berlin
Tel.: 49 30 8312029
Fax: 49 30 8315961
E-Mail: bruecke-museum@t-online.de
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Berlinische Galerie –
Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur
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