Lokale Agenda Wilmersdorf - Veranstaltungsprotokoll

Protokoll

der Auftaktveranstaltung “Von Rio nach Wilmersdorf” am 16.01.1997, 15.00 Uhr, BVV-Saal.

Anwesend: siehe beiliegende Anwesenheitsliste

Referent: Herr Summerer, Umweltbundesamt

I. Einführung

Herr BzStR. Straßmeir begrüßt die Anwesenden und hier ganz besonders den Gastreferenten, Herrn Stefan Summerer vom Umweltbundesamt.

Mit der, maßgeblich vom Umweltamt organisierten Veranstaltungsreihe “Bausteine für eine Lokale Agenda in Wilmersdorf” möchte das Bezirksamt die bereits von verschiedenen Initiativen begonnene Diskussion zu einer Lokalen Agenda aufgreifen, unterstützen und fortführen. Geplant sind 26 Veranstaltungsthemen, die sich in 5 Blöcke thematisch gliedern. Die seit Sommer letzten Jahres eingegangenen Einsendungen zum Themenaufruf konnten noch nicht ausgewertet werden, da entgegen der Zusage des Umweltsenators die zwei ABM-Stellen noch nicht besetzt sind. Herr Straßmeir betont die Offenheit des bevorstehenden Diskussionsprozesses, verweist aber auf die Notwendigkeit auf bezirklicher Ebene konkrete bezirklich beeinflußbare Themen und Maßnahmen zu diskutieren und zu entwickeln. Anschließend erläutert er den Ablauf der heutigen Veranstaltung. Nach dem Vortrag von Herrn Summerer und der anschließenden Diskussion sollen organisatorische und strukturelle Fragen besprochen werden, insbesondere im Hinblick auf den weiteren Verlauf der Veranstaltungsreihe.

Auf die ausliegenden Kopien der Beitrage von Herrn Dr. Summerer und die umlaufende Anwesenheitsliste weist er hin.

II. Vortrag Dr. Summerer

In seinem Vortrag beschreibt Herr Dr. Summerer unterschiedliche Argumentations- und Denkmuster zur “Nachhaltigkeit” als “Diskussions-
Modelle: “Strukturelle Ökologisierung” und “ökologische Modernisierung”. Insbesondere geht Herr Summerer auf den UBA-Bericht “Schritte zu einem nachhaltigen Deutschland” ein. Das UBA reagiert hiermit auf den weltweiten katastrophalen Prozeß der Umweltgefährdung bzw. die von der Rio-Konferenz ausgehenden Verpflichtungen. In dem Bericht zeigt das UBA notwendige Konsequenzen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung. Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages “Schutz des Menschen und der Umwelt” hat im Jahre 1994 hierzu vier Handlungsgrundsätze entwickelt:

1. Die Nutzung einer Ressource darf nicht größer sein als ihre Regenerationsrate oder die Rate der Substitution aller ihrer Funktionen.

2. Die Freisetzung von Stoffen darf nicht größer sein als die Tragfähigkeit des Naturhaushalts bzw. seine Assimilationsfähigkeit.

3. Gefahren und unvertretbare Risiken für die menschliche Gesundheit und Umwelt durch anthropogene Einwirkungen sind zu vermeiden.

4. Das Zeitmaß anthropogener Eingriffe in die Umwelt muß in einem ausgewogenen Verhältnis zu der zeit stehen, die die Umwelt zur Reaktion benötigt.

In Form von Umweltqualitäts- und -handlungszielen werden diese Grundsätze konkretisiert. Für fünf gesellschaftliche Beispielbereiche (Energiegewinnung, Mobilität, Nahrungsmittelproduktion, Stoffströme, Konsummuster) wurde mit drei Szenarien (“Status quo”, “Technik”, “Bewußtsein”) die Zukunftsfähigkeit geprüft. Herr Summerer führt dies am Beispiel der Energienutzung und der Co2 – Problematik aus. Aktuelle Prognosen gehen weltweit von einer Zunahme der Co2- Emission bis zum Jahr 2020 um 40 % aus, insbesondere verursacht durch den Entwicklungsbedarf im Süden. Im Sinne einer Zukunftsfähigkeit müßten die Industrieländer, also auch Deutschland die Co2- Emission bis zum Jahr 2050 um 70 – 80 % verringern.

Die auf 15 Jahre angelegten Szenarien zeigen erwartungsgemäß unterschiedlichen Verlauf. Während das Status-quo-Szenario auf einen “Crash” steuert, zeigt das “Technik”-Szenario zwar erhebliche Potentiale zur Erhöhung der Energieeffizienz, die aber bei weitem nicht für eine nachhaltige Entwicklung ausreichen. Nur mit den im Bewußtseinswandel-Sezanrio beschriebenen weitreichenden Änderungen läßt sich diese Entwicklung erreichen. Die erforderlichen Anpassungen der Produktions- und Konsummuster, der Wirtschafts-, Rechts- und Verwaltungsstrukturen, insbesondere aber Einstellungen und Verhaltensformen setzen einen breiten Konsens und eine gesellschaftliche Kraftanstrengung voraus. Die Verantwortung hierfür liegt bei jedem einzelnen (“immaterielle Werte”, “authentischer Lebensstil”, “ethisches Handeln”). Das gesamte Spektrum des verfügbaren staatlichen Instrumentariums

- ordnungsrechtliche/planende

- ökonomische (Steuern, Abgaben etc.)

- Information/Beratung

muß zum Einsatz kommen.

III. Diskussion zum Vortrag

Nachfolgend wird in der Diskussion von Herrn. Döbler (ev. Hochmeister Kirchengemeinde) bedauert, daß der Vortrag und die bisherige Diskussion nur Negativperspektiven aufzeige, statt dessen sollten positive Zielsetzungen vermittelt werden. Dem wird von Frau Heinecke (BVV) zugestimmt. Graf zu Lynar fragt nach den Konsequenzen der Szenarien im Sinne von “Verlieren” und “Gewinnern”, bittet um Auskunft, wann die UBA-Studie der Öffentlichkeit zugänglich sein wird. Herr Dr. Summerer weist darauf hin, daß dieses schwer zu prognostizieren ist, ausgehen könne man von einem “Crash” beim Status-quo, der alle beträfe, im Technik-Szenario sei davon auszugehen, daß die “Dinosaurier” (Grundstoffindustrie u.a.) zu den Verlieren zählen. Die Studie wird derzeit mit dem BMU abgestimmt und dann veröffentlicht. Herr Metzger (PVK) kritisiert die im Umweltbereich z.T. anzutreffenden Katastrophenszenarien in ihrer Wirkung auf die Öffentlichkeit. Frau Schümer-Strucksberg stellt die Frage, welche Konsequenzen für den LA-Prozeß aus dem Vortrag entstehen und welche Haltung die Beteiligten dazu einnehmen.

IV. Weiteres Vorgehen

Herr Straßmeir leitet zum organisatorischen Teil über und stellt die Frage nach dem weiteren Fahrplan, insbesondere nach der evtl. Einrichtung von Arbeitsgruppen. Frau Heinecke (BVV) spricht sich unter dem Zeitaspekt für die sofortige Einrichtung von Arbeitsgruppen aus und kritisiert die Abwesenheit von Dezernenten. Herr Dybe (Jusos) regt die stärkere Einbeziehung der Wirtschaft/Gewerbetreibenden an. Frau Schümer-Strucksberg schlägt vor, die AG-Bildung zurückzustellen. Herr Freier (BUND) unterstützt die Kritik von Frau Heinecke und bemängelt die fehlende Antwort auf das Schreiben den BUND. Herr Döbler spricht sich unter Hinweis auf den jetzt entstehenden integrativ-partizipativen Zielfindungsprozeß gegen Arbeitsgruppenbildung zum jetzigen Zeitpunkt aus.

Die Anwesenden kommen auf Vorschlag von Herrn Klar (BVV) überein, zunächst mit der Vortragsreihe die erforderlichen Grundlagen zu schaffen und nach dem 3. Termin erneut über evtl. Arbeitsgruppenbildung zu beraten.

Herr Gustavus(LEZ) regt an, im weiteren Verlauf Fragen der Entwicklungszusammenarbeit stärker zu berücksichtigen, bietet hierzu Hilfe an und stellt den in allen Bezirken feststellbaren Automatismus der Federführung durch die Umweltämter in Frage. Herr Straßmeir beantwortet Fragen von Herrn Winter (AK Umwelt der SPD) zur Öffentlichkeitsarbeit und von Herrn Freier zu den personellen und finanziellen Ressourcen der Verwaltung hinsichtlich des LA-Prozesses.

Zu den Terminen wird Einvernehmen dahingehend erzielt, daß Beginn möglichst um 16.30 Uhr, ggf. um 16.00 Uhr sein sollte und ein monatlicher Rhythmus angestrebt wird; der nächste Termin sollte möglichst Mitte Februar sein. Herr Straßmeir sagt zu, hierüber mit der Referentin der nächsten Veranstaltung zu sprechen. Nach einer Anlaufzeit soll es die Möglichkeit geben, zwei Themen zusammen in einer Veranstaltung zu behandeln.

Die Protokolle der vorigen Sitzung sollen immer zur nächsten Sitzung in ausreichender Anzahl vorliegen.

Herr Döbler bittet für die weitere Arbeit um Information/Daten über den Bezirk. Frau Schümer-Strucksberg und Herr Straßmeir sagen ihre Unterstützung hierbei zu.

Graf zu Lynar