Auszug - Großflächenwerbung an bewohnten Häusern  

 
 
35. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin
TOP: Ö 9.3
Gremium: BVV Mitte von Berlin Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 20.02.2020 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 22:45 Anlass: ordentlichen Sitzung
Raum: BVV-Saal
Ort: Karl-Marx-Allee 31, 10178 Berlin
2335/V Großflächenwerbung an bewohnten Häusern
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion Bündnis 90/Die GrünenFraktion Bündnis 90/Die Grünen
Verfasser:Neugebauer, Siewer, Stein 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Wortprotokoll

  1. Wurde vor der Genehmigung der Großflächenwerbung am Wohnhaus Torstraße 39, 10119 Berlin, geprüft, ob dadurch Beeinträchtigungen für die Bewohner*innen entstehen, und mit welchem Ergebnis?

 

BzStaR Herr Gothe antwortet: Sehr geehrter Herr Vorsteher, sehr geehrte Frau Neugebauer, Herr Siewer, Frau Stein. Zunächst möchte ich persönlich den Bewohnern der Torstraße 39 mein Bedauern aussprechen, dass sie so lange und wiederholt einer Werbeplane vor ihren Fenstern konfrontiert wurden. Dies liegt zu allererst an einem Hauseigentümer, der offensichtlich sehr gewinnorientiert ist und weniger an unserer Verwaltung, wie Sie meinen Ausführungen gleich entnehmen können. Zunächst muss man klarstellen, dass es bei einem Gerüst und bei einer Werbung immer zwei Sondernutzungsanträge. Der eine ist für das Gerüst an und für sich, das wird in der Regel auch immer genehmigt, weil eine Fassade hin und wieder renoviert werden muss. Die Werbung an einem Gerüst ist eine zweite Sondernutzung, die gesondert zu genehmigen ist, davon unabhängig, von der ersten Genehmigung. Es ist so, dass es hierzu eigentlich zwei Vorgänge gibt, denn es ist in dem Ablauf der Ereignisse so, dass eine Werbeplane schon mal Gegenstand von Streit war. Es war dann irgendwann damit zu Ende und dann gab es aber eine erneute Werbeplanung und dann ging es quasi nochmal los mit dem Verfahren. Jetzt zum Einzelnen. Erstmals wurde am 17. Oktober eine Werbung an der Hausfassade festgestellt, ohne dass eine Genehmigung vorlag. Es gab dann am 25. Oktober eine Anhörung seitens des Straßen- und Grünflächenamtes, deshalb, weil das Gerüst unten auf dem Bürgersteig steht und deshalb, dass die Sondernutzungsgenehmigung des Straßen- und Grünflächenamtes erarbeitet werden muss. Es folgte nach der Anhörung eine Ablehnung der Erlaubniserteilung, weil es nicht genehmigungsfähig war und am 4. November wurde eine Beseitigung angeordnet. Am 11. November wurde dann eine Ersatzvornahme festgelegt, weil der Verantwortliche nicht reagiert hat. Danach gab es dann allerdings ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz seitens des Akteurs, der dort diese Plane an diesem Gerüst zu verantworten hat und da war es dann so, dass wir, was wir in der Regel immer tun, den Wunsch des Gerichtes folgten, dass der Vollzug der Ersatzvornahme bis zur Entscheidung des Gerichtes ausgesetzt wird. Das Gericht hat dann diesen Antrag auch abgelehnt, was uns natürlich entgegenkam. Wir mussten dann allerdings keine Ersatzvornahmen mehr vornehmen, weil die Werbung zu diesem Zeitpunkt abgehängt war. So wurde es festgestellt. Leider war es aber nicht das Ende der Aktion, sondern es wurde erneut eine Werbung aufgehängt, jedoch nicht von der Werbefirma, die zuerst mit uns im Streit lag, das war die Richter Media Group, die hatte sich aus dem Geschäft zurückgezogen, sondern das ist eine andere Werbefirma, die dort die Werbung aufgehängt hat und deshalb wurde dann direkt gegen den Hauseigentümer vorgegangen. Es wurde erneut einer Beseitigungsanordnung gegen den Eigentümer verhängt und dieses Verfahren läuft noch. Das Datum habe ich nicht, aber das ist vor einigen Tagen gewesen, dass auch hier die Beseitigungsanordnung ergangen ist.

  1. Wurde geprüft, ob durch die Großflächenwerbung die Aufstellflächen für die Feuerwehr eingeschränkt oder behindert werden und mit welchem Ergebnis?
  2. Welcher zweite Rettungsweg besteht in dem Gebäude und gab es vor der Genehmigung der Großflächenwerbung eine Abstimmung mit der Feuerwehr zur Sicherstellung der im Gefahrenfall gegebenenfalls notwendigen Rettung der Bewohner*innen?

 

BzStaR Herr Gothe antwortet: Hier ist es wichtig zu betonen, dass es zu keinem Zeitpunkt einen Zustand gab, wo diese Werbung genehmigt gewesen ist. Es war immer eine ungenehmigte Werbung, die hier zu konstatieren ist. Da ist es so, dass dann in einem solchen Fall die Personenrettung der Feuerwehr im Notfall eben über das Gerüst erfolgen muss. Die Werbeplane hätte gar nicht hängen dürfen, hätte dann aber auch durch die Feuerwehr, durch Aufschneiden und der gleichen bewältigt werden müssen, um die Rettung vollziehen zu können.

  1. Teilt das Bezirksamt die Auffassung, dass die Großflächenwerbung, die seit August 2019 besteht, jetzt gemäß BauOrdnung Berlin §10 Anlagen oder Außenwerbung, Warenautomaten, Abs. 2 („Baugerüste dürfen für Werbeanlagen höchstens für die Dauer von sechs Monaten genutzt werden“) abgebaut werden muss, da nach § 61 Verfahrensfreie Bauvorhaben, Befestigung von Anlagen, Abs. 12 a) die Ansichtsfläche größer als ein Quadratmeter ist?
  2. Wie wird das Bezirksamt sicherstellen, dass die Großflächenwerbung nicht über den gem. BauOrdnung Berlin möglichen Zeitrahmen bestehen bleibt?

BzStaR Herr Gothe antwortet: Das ist richtig. Allerdings ist hier zu betonen, dass der Paragraph der hier angeführt wird, §10 Bauordnung, wonach eine Baugerüstwerbung höchstens sechs Monate hängen darf, gar nicht einschlägig ist, weil bereits nach dem §15 der Baunutzungsverordnung, der das Gebot der Rücksichtnahme enthält, diese Werbung sowieso ausgeschlossen ist, das heißt, in einem solchen Fall, wo man ein Haus hat, das bewohnt ist, ist gar nicht zu prüfen, ob eine Werbung sechs Monate hängen darf, sie darf überhaupt nicht hängen und deswegen ist hier eigentlich der §10 Bauordnung uninteressant, sondern einschlägig ist der §15 Baunutzungsverordnung, der vor einem bewohnten Haus so eine Werbeplanung generell nicht zulässt. Deshalb ist es auch richtig, dass wir in diesem Fall der Ansicht sind, dass eine Genehmigung abzulehnen ist und das hat das Amt in diesem Fall konsequent getan. Die erste Nachfrage von Ihnen müsste sein, warum ich diese Anfrage beantworte und nicht meine Kollegin Frau Weißler. Im Prinzip ist das Straßen- und Grünflächenamt der handelnde Akteur, denn das Gerüst steht auf dem Bürgersteig, das war uns bei der Zuordnung der Großen Anfragen aber noch nicht klar. Deshalb ist diese Große Anfrage mir zugeordnet worden und ich habe sie auch gerne beantwortet. Vielen Dank.

 

Auf Nachfrage von Frau Stein (Grüne) antwortet BzStaR Herr Gothe: Sehr geehrte Frau Stein, das Wichtige dabei ist, nochmal klar zu stellen, dass wir auf Hinweise angewiesen sind, wenn irgendwo an einem Gerüst eine nichts genehmigte Werbung aufgehängt wurde. Nun ist für den Passanten narlich nicht klar, ob das eine genehmigte oder eine nicht genehmigte Werbeplane. Deshalb gilt hier der Grundsatz, dass Fragen nichts kostet und man es auf jeden Fall bei uns anzeigen kann. Wir werden es dann prüfen, ob es sich um eine genehmigte oder eine nicht genehmigte Werbung handelt. Ich selber mache das des Öfteren. Ich fahre viel mit dem Fahrrad durch den Bezirk und wundere mich hin und wieder über Werbeplanen und habe selber schon erfolgreich Anzeigen bei uns selber gemacht und konnte dann überraschend feststellen, dass der Hinweis meinerseits richtig war, weil es sich um eine nicht genehmigte Werbung handelte und die dann auch abgenommen worden ist. Also zögern Sie nicht, wenn Sie eine fragwürdige Werbeplane sehen, bei uns, bei Frau Weißler oder bei mir, nachzufragen. Wir werden das schnell prüfen und werden dann, wie es das Verfahren regelmäßig beinhaltet, eine Anhörung machen. Man muss denjenigen, der dort eine Werbeplane aufgehängt hat zunächst einmal fragen, auf welcher Basis das passiert und dann muss er sich dazu äern. Wenn er keine richtige oder treffende Antwort dazu hat, dann kommt als nächstes die Anordnung der Beseitigung und wenn das nicht in kurzer Zeit vollzogen wird, dann wird eine Ersatzvornahme angedroht und dann wird es eigentlich auch passieren. Also meine Empfehlung, wenn Sie einen Verdacht haben, dann können Sie das gerne bei uns melden.

 

Auf Nachfrage von Frau Mayer (DIE LINKE) antwortet BzStaR Herr Gothe: Sehr geehrte Frau Mayer. Das erste Mal war der Gegner, mit dem wir es zu tun hatten, ein Werbeunternehmen, die sich dann offensichtlich gefügt haben und die Werbung wieder abgenommen haben. Als dann erneut einer Werbeplane aufgehängt wurde, haben wir uns natürlich wieder an diese Firma gewendet, in der Annahme, dass die auch wieder die Schuldigen sind. Das war aber nicht der Fall. Die haben uns mitgeteilt, dass sie damit nichts mehr zu tun haben. Deshalb sind wir dann beim zweiten Mal gegen den Hauseigentümer selber vorgegangen und deswegen gab es quasi ein zweites Verfahren, was sozusagen nochmal von vorne beginnt und das läuft und wir jetzt stringent abgearbeitet. Die Frage, wie viel Geld damit verdient wird und wie hoch dann das Bußgeld ist, ist eine berechtigte Frage, die ich Ihnen nicht beantworten kann, aber vielleicht verabreden wir einfach, dass wir das Mal in diesem Fall, wenn das dann abgeschlossen ist, dass wir das nochmal nachreichen, obwohl ich nicht weiß, ob wir ermitteln können oder dürfen, wie hoch die Einnahme durch Werbung dann tatsächlich ist. Das weiß ich nicht genau, ob wir das dürfen, aber wir werden sicherlich in der Szene einen Schätzwert bekommen, der einigermaßen belastbar ist, wie viel man mit solch einer Planung in einem Monat an so einer Stelle verdienen kann.

 

Auf Nachfrage von Herrn Lötzer (DIE LINKE) antwortet BzStaR Herr Gothe: Sehr geehrter Herr Lötzer. Wir dürfen nicht sagen, wie viel ein bestimmter Mensch eingenommen durch eine Werbemaßnahme eingenommen hat. Wir dürfen auch nicht sagen, wie viel Bußgeld wir ihm an dieser Stelle aufgebrummt haben, aber die Bemessung der Bußgelder, nach welchen Regeln das läuft, das können wir natürlich ermitteln und erzählen. Vielleicht macht es tatsächlich auch Sinn, dass man das quasi nochmal in einer geeigneten Art und Weise öffentlich macht, damit sich das in der Szene rumspricht. Wobei die Szene, die weiß das eigentlich. Es gibt jetzt nicht unheimlich viele Firmen, die Fassadenwerbung machen. Das gibt es ein paar große Firmen, die routiniert sind und die sich ehrlich gesagt auch bemühen, da rechtskonform zu handeln, denn sie wollen es sich auch nicht mit den zu beteiligenden Ämtern verscherzen, aber auch das werden wir nochmal herausbekommen und schauen, wie sich ein Bußgeld eigentlich bemisst. Das muss schon in einem gewissen Verhältnis zu dem stehen, was man damit eben auch illegal verdient.

 

Auf Nachfrage von Herrn Schug (SPD) antwortet BzBm Herr von Dassel: Sehr geehrter Herr Vorsteher, sehr geehrter Herr Schug und sehr geehrte Mieter*innen der Torstraße. In der Tat hat uns dieser Fall auch nochmal ganz kritisch überlegen lassen, wie wir mit Ersatzvornahmen und Beseitigungsanordnungen umgehen, weil wir das eigentlich inzwischen als Standardverfahren haben, dass wir dann vom Antragsgegner ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz haben und die Gerichte dann auch in einem Standardverfahren sagen, bevor wir das summarisch geprüft haben, bitte tut erstmal nichts, weil in der Regel der Eingriff der Behörde immer schwerwiegender ist, als die Duldung eines rechtlich noch nicht endgültig bewerteten Sachverhaltes. Wir waren heute schon in der Vordiskussion einig, dass wir hier nochmal sehr kritisch überlegen müssen. Müssen wir der Bitte nachkommen, denn es ist meistens noch keine Auflage der Gerichte, ab und an ja, wenn es auch verfügt, dass man nichts tun darf, bis über den einstweiligen Rechtsschutz entschieden ist. Ich glaube, dass wir nicht mehr grundsätzlich den Bitten der Gerichte nachkommen müssen, die dann sagen, wir wollen erstmal summarisch prüfen, ob eine Klage gegen den Bescheid des Bezirksamtes Erfolg haben könnte, bis wir handeln. Denn es wird wirklich benutzt und es ist leider nicht mehr so, dass vor den Verwaltungsgerichten dann innerhalb von einer Woche über diesen einstweiligen Rechtsschutz entschieden wird, sondern wir einen Fall, da ging es um etwas ganz Anderes, da hat dieser einstweilige Rechtsschutz über ein Jahr gedauert, bis das Gesicht entschieden hat, in welche Richtung es nun gehen kann. Da hat sich das Gericht auch entschuldigt, aber das sind zum Teil die Verläufe und das hat dann natürlich nichts mehr mit einstweiligem Rechtsschutz zu tun. Das ist dann wirklich eine Hausaufgabe, die wir uns anhand dieses dramatischen Falles sehr gründlich vornehmen müssen.

 

BzStaR Herr Gothe ergänzt: In dem §15 (3) Baunutzungsverordnung, da steht leider nicht drin, dass das Aufhängen von Werbeplanen vor Wohngebäuden nicht zulässig ist, sondern das ist ein allgemeingefasster, allerdings sehr wichtiger Paragraph zur Rücksichtnahme in verschiedener Hinsicht. Hier ist es allerdings so, dass es auch über die Rechtsprechung verfestigt ist, so dass im Regelfall bei einem Antrag, wo es darum geht in einem bewohnten Haus eine Werbeplane vor das Gerüst zu hängen so entschieden wird, dass das abgelehnt wird. Ich kenne auch jetzt in der Praxis des Bezirks keinen Fall, wo da eine Ausnahme aus irgendwelchen Gründen gemacht wurde, sondern das ist einfach der Regelfall, auch wenn es da nicht in klaren Worten drinsteht.

 

Auf Nachfrage von Herrn Roet (FDP) antwortet BzStaR Herr Gothe: Sehr geehrter Herr Roet. Ihre Anmerkung, dass man da hinschauen muss, wenn jemand ein Gerüst aufstellt, ob da auch wirklich gebaut wird, ist völlig richtig und das machen wir auch häufig. Wir haben auch häufig schon Fälle gehabt, wo offensichtlich die Fassadenrenovierung nur vorgeschoben war, um zum Beispiel, wenn es kein Wohnhaus ist, sondern irgendein leerstehendes Bürogebäude, diese sechs Monate zulässige Werbung dann auch dort zu platzieren. Das fällt vor allem dann auf, wenn irgendwelche Großereignisse gerade am Laufen sind, wie zum Beispiel eine Fußball Weltmeisterschaft, da war das sehr gehäuft, dass plötzlich alle ihre Fassade renovieren wollten, um dann einen riesengroßen Fußball aufzuhängen und in der Tat ist das auch Teil unsere Routinearbeit, dass wir so etwas hinterfragen. Es gab einen Fall, den ich selber „aufgedeckt“ habe. Tatsächlich auch eine zulässige Werbeplane auf einem Gerüst, an einem Gebäude, wo das auch ging, wo aber tatsächlich nicht gebaut wurde. Da war dann der Prüfvorgang so, dass man geschaut hat, ob da wirklich gebaut wird, dann hat man festgestellt, dass da gar nicht gebaut wird, der Eigentümer ist danach gefragt worden und dann hat er eingestanden, dass es noch ein wenig dauern wird, bis die Arbeiten endlich losgehen und dann wurde verfügt, dass er die Werbung abnehmen musste. Dann stand das Gerüst zwei Monate rum, ohne dass da etwas passierte. Irgendwann war das Plakat dann wieder dran, dann habe ich nachgefragt, was jetzt los ist und dann wurde festgestellt, dass tatsächlich an der Fassade gearbeitet wird und der zulässige Tatbestand, während der Bauzeitmonate zu werben, erfüllt. Dann durfte er diese sechs Monate das Gerüst dafür nutzen.

 

Auf Nachfrage von Frau Stein (Grüne) antwortet BzBm Herr von Dassel: Sehr geehrter Herr Vorsteher, sehr geehrte Frau Stein, sehr geehrte Damen und Herren. Die Frage nach Schadensersatz würde in die Richtung von Rechtsberatung gehen, dazu sind wir nicht befugt. Es ist eine zivilrechtliche Frage. Man kann nur mit dem normalen Menschenverstand in diese Richtung ermuntern, aber wir als Behörde dürfen und können hier keine klaren Empfehlungen und Hinweise geben.

 

 

 

 

 
 

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