An einem Mittwochmorgen beschloss ich, mit dem Fahrrad zum Rathaus Schöneberg zu fahren, um noch in derselben Woche zu heiraten. Nachdem ich mit meiner Partnerin S.W. alle Dokumente vorbereitet hatte, setzten wir uns am Vorabend an den Kalender, um einen Termin für die Lebenspartnerschaft festzulegen. Uns wurde klar, dass außer in derselben Woche vorerst kein anderer Termin zur Verfügung stehen würde. Schon am Samstag würde ich nach Italien reisen, und mit meiner anschließenden Künstlerresidenz in New York hätte sich die Eheschließung um eine ganze Weile verzögert. Dieser plötzliche Zeitdruck machte aus dem ohnehin schon außergewöhnlichen Anlass ein echtes Abenteuer. Auf der Fahrt mit dem Fahrrad ging ich meinen Gedanken nach.
Wie ich durch Schöneberg fuhr, spürte ich, wie vertraut mir das Viertel war. Meine Mutter, ursprünglich aus Berlin, war in Friedenau aufgewachsen und kannte die Gegend sehr gut. Das konnte ich bei jedem Familienausflug miterleben. Außerdem wohnten hier noch einige Klassenkamerad_innen und Freund_innen aus ihrer Oberschulklasse, die wir bei diesen Gelegenheiten besuchten und die mich auch später mit meinen Freund_innen immer herzlich aufnahmen. Ein weiterer Grund, warum ich die Stadt bereits in den 80er Jahren regelmäßig aufsuchte und lieben gelernt hatte. Es war eine aufregende Zeit! Schöneberg wurde nachts um ein Vielfaches größer. Die üblichen Wege wurden durch unzählige Kneipen und Bars magisch erweitert, die wie von Zauberhand eine nach der anderen öffneten und tagsüber hinter scheinbar gewöhnlichen Türen zu schlummern schienen. Man stolperte buchstäblich von einer Atmosphäre in die andere, ohne eine Ahnung zu haben, was einen erwarten könnte. Die Gesichter waren nie dieselben, auch wenn tagsüber immer nur die gleichen netten Nachbarn unterwegs waren.