Drucksache - 0118/IV  

 
 
Betreff: Für Demokratie, Vielfalt und Toleranz
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion DIE LINKEFraktion DIE LINKE
Verfasser:Urchs für die Fraktion, Bü90/Grüne Schauer-Oldenburg, Piraten Lang 
Drucksache-Art:AntragAntrag
   Beteiligt:Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
   Piratenfraktion
Beratungsfolge:
BVV Mitte von Berlin Entscheidung
19.01.2012 
4. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin überwiesen   
Hauptausschuss Entscheidung
07.02.2012 
3.öffentliche Sitzung des Hauptausschusses vertagt   
17.04.2012 
5. öffentliche Sitzung des Hauptausschusses      
05.06.2012 
8.öffentliche Sitzung des Hauptausschusses      
07.08.2012 
10. öffentliche Sitzung des Hauptausschusses      
08.01.2013 
16. öffentliche Sitzung des Hauptausschusses vertagt   
12.02.2013 
17. öffentliche Sitzung des Hauptausschusses      
05.03.2013 
18.öffentliche Sitzung des Hauptausschusses erledigt   

Sachverhalt
Anlagen:
1. Antrag vom 10.01.2012

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Das Bezirksamt wird ersucht, alle zivilgesellschaftlichen Projekte, Initiativen, Institutionen und Einrichtungen zu fördern und zu unterstützen, deren Aktivitäten sich für Vielfalt, Demokratie und Toleranz einsetzen und die sich gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus richten.

 

In diesem Kontext wird das Bezirksamt ersucht, auf eine schriftliche Erklärung zu verzichten, in der Empfängerinnen und Empfänger staatlicher Zuwendungen ihre verfassungstreue Gesinnung erklären und sich für die Verfassungstreue ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ihren Kooperationspartnerinnen und –partner verbürgen müssen.

 

Sollte das Bezirksamt an der Einführung einer solchen Erklärung zur Verfassungstreue festhalten, ist die Bezirksaverordnetenversammlung in jedem Falle an der Entscheidung über die Einführung einer solchen „Bekenntnisklausel“ in die Zuwendungsverträge zu beteiligen.  

 

Begründung:

Es war bisher Konsens aller zivilgesellschaftlichen Kräfte unseres Bezirks, Vielfalt, Demokratie und Toleranz zu befördern und verfassungsfeindliches Gedankengut und Strukturen mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen. Wir gehen davon aus, dass dieses Einvernehmen auch weiterhin besteht – gerade und wegen der aktuellen Ereignisse und Diskussionen um rechtsextremistische Gewalt in unserem Land. Es ist in diesem Zusammenhang auch künftig durch gemeinsame Anstrengungen sicher zu stellen, dass öffentliche Mittel grundsätzlich nur für rechtsstaatliche Zwecke eingesetzt werden. Das bestätigen die Zuwendungsempfänger regelmäßig mit ihrer Unterschrift, wenn sie versichern, dass sie die Zuwendungsmittel nur entsprechend dem Zuwendungszweck verwenden.   

 

Die von SPD und CDU geplante Einführung einer von allen Zuwendungsempfängern zu unterzeichnenden Erklärung zu ihrer und der Verfassungstreue ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ihrer Kooperationspartnern ist aus unserer Sicht ungeeignet, den demokratischen Grundkonsens in unserer Gemeinschaft zu befördern.

 

Diese Auffassung wird  bestärkt durch verfassungsrechtliche Gutachten u.a. des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes  des Bundestages. 

 

Durch eine solche „Bekenntnisklausel werden die Zuwendungsempfänger unter Generalverdacht gestellt, den sie durch ihre Unterschrift entkräften müssen. Mit der Forderung, sich auch für die Verfassungstreue ihrer Mitarbeiter und Kooperationspartner zu verbürgen, werden Unsicherheit und  ein Klima des Misstrauens erzeugt und den Zuwendungsempfängern eine Leistung abverlangt, die ihnen nicht zugemutet werden kann und darf. Die Prüfung der Verfassungskonformität ist den in diesem Staate dafür verantwortlichen Institutionen mit ihren gesetzlich zugewiesenen Kompetenzen und den ihnen zur Verfügung stehenden Instrumenten vorbehalten.

 

Vielfach wird als Argument in der Debatte um „Bekenntnisklauseln“ angeführt, dass derjenige, der nichts zu verbergen habe, doch ohne Bedenken unterschreiben könne. Doch bereits die Fragestellung ist unzulässig im Sinne des Artikels 5 des Grundgesetzes. Verfassungsrechtler werten den Grundsatz der Meinungsfreiheit höher als zuwendungsrechtliche Belange.

 

Wenn diese juristischen Zweifel bekannt waren und sind, warum soll ausgerechnet in unserem Bezirk anders verfahren werden? Welche konkreten Anhaltspunkte, Zweifel und Verdachtsmomente gibt es, die eine „Bekenntnisklausel“ rechtfertigen würde? Welche Kriterien sollen die Verfassungstreue belegen? Was soll eine Unterschrift beweisen? Kann sie verfassungsfeindliche Aktivitäten wirksam verhindern? Wer soll im Bezirksamt die eingegangenen Unterschriften nach welchen Kriterien auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen?

 

Mit der Einführung einer bezirklichen Bekenntnisklausel, die im Land Berlin ohne Beispiel wäre, besteht die Gefahr, dass die in den letzten Jahren entwickelte Kultur des Vertrauens und Einvernehmens der Zivilgesellschaft für Demokratie, Vielfalt und Toleranz beschädigt wird.  In unserem Bezirk leben Menschen aus über 180 Nationen mit einer Vielzahl von ethnischen, kulturellen und religiösen Hintergründen. Unser Zusammenleben ist nicht immer konfliktfrei, doch es funktioniert auf der Grundlage eines breiten demokratischen Grundkonsenses, der engagiert in den Sozialräumen und Nachbarschaften gelebt wird und die gemeinsame Ablehnung von Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus beinhaltet. Mit einer Klausel im Zuwendungsbescheid, der die Verfassungstreue belegen soll, wird dieses Einvernehmen nicht gefördert sondern gefährdet. Daher soll das Bezirksamt auf die Einführung einer solchen Klausel verzichten.

 

 
 

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