Auszug - Wie geht es weiter in den Milieuschutzgebieten?  

 
 
4. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin (mit LIVESTREAM)
TOP: Ö 9.4
Gremium: BVV Mitte von Berlin Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 20.01.2022 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 22:59 Anlass: ordentlichen Sitzung
Raum: Videokonferenz
Ort: Videokonferenz
0097/VI Wie geht es weiter in den Milieuschutzgebieten?
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion der SPDFraktion der SPD
Verfasser:Fischer, Riedel, Schug 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Wortprotokoll

  1. Bei welchen „vorgekauften“usern wird eine Rückabwicklung eingefordert?

BzStaR Herr Gothe antwortet: Sehr geehrte Frau Vorsteherin, sehr geehrte Frau Fischer, sehr geehrte Frau Riedel, sehr geehrte Damen und Herren. Die ersten beiden Fragen sind relativ konkret und können auch einfach beantwortet werden. Die erste Frage ist durchaus brisant. Also, da hat sich die juristische Fragestellung insofern offensichtlich geklärt, dass alle Vorkäufe, die wirklich abgeschlossen werden konnten, dass die auch nicht nachträglich durch diesen höchstrichterlichen Urteilsspruch des Bundesverwaltungsgerichts in Frage gestellt sind. Der einzige Fall, bei dem wir tatsächlich eine Rückabwicklung vollziehen müssen, ist ein streitbefangenes Objekt im Milieuschutzgebiet Birkenstraße. Das war also ein Fall, wo der Erwerber in Widerspruch gegangen ist, schon vor fünf Jahren ungefähr. Das war eines der ersten Häuser, wo wir das angewendet haben. Den Widerspruch haben wir natürlich abgeholfen, dann gab es ein Klageverfahren und dieses Klageverfahren konnte nicht abgeschlossen werden, auch vermutlich mit Blick auf diese höchstrichterliche Entscheidung wurde das vom Oberverwaltungsgericht nicht weiter betrachtet, sondern da wurde eben dieses entscheidende höchstrichterliche Urteil abgewartet. Da müssen wir tatsächlich eine Rückabwicklung vollziehen, auch das erscheint klar und nicht abwendbar.

 

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand bei den Abwendungsvereinbarungen?

BzStaR Herr Gothe antwortet: Wir haben ungefähr das Achtfache bis Zehnfache an Vorkäufen von Abwendungsvereinbarungen abschließen können. Diese Abwendungsvereinbarungen hat der Eigentümer als Möglichkeit, um einen Vorkauf abzuwenden. Daher der Name. Er muss, um das abzuwenden, aber dem Bezirk bestimmte Garantien schriftlich geben, zum Beispiel dass er auf 20 Jahre nicht beabsichtigt, die Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Hier ist durchaus die Frage, wie sicher sind diese Abwendungsvereinbarungen, die in den letzten Jahren vollzogen wurden. Das wird von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung federführend geprüft. Darüber hat man sich im Arbeitskreis, den es gibt zwischen den Bezirken und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, geeinigt, dass das quasi zentral geprüft und organisiert wird. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Insofern kann ich Ihnen da noch kein abschließendes Ergebnis dazu sagen.

 

  1. Wie versucht das Bezirksamt die betroffenen Mieter*innen zu schützen?

BzStaR Herr Gothe antwortet: Da kommt dann immer erst mal die Antwort der Verwaltung, dass es hier nicht um Mieterschutz geht, sondern das Erhaltungsrecht ist ein städtebauliches Instrument, dass dem Erhalt der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung und der mit ihr gewachsenen sozialen Infrastruktur dient, aber natürlich wissen wir alle, dass unter diesen städtebaulichen Instrumentarium, diesem Schirm, praktisch natürlich auch Schutz von Mieter:innen stattfindet und zwar in erster Linie durch das, was in erster Linie unser Hauptgeschäft ist. Unser Hauptgeschäft war nicht, Vorkäufe zu organisieren, das war zwar ein sehr öffentlichkeitswirksames Instrument, weil das dann etwas ist, was visuell gut aufzuzeigen ist, dieses Haus konnte erwroben werden, sondern die Hauptarbeit in meiner Gruppe für das Milieuschutzrecht sind die Genehmigungen für Modernisierungen, die von Eigentümern gewünscht werden. Das Milieuschutzrecht sagt eben, dass diese Modernisierungsanträge genehmigt werden müssen und im Zuge dieser Genehmigung kann man sich mit dem Eigentümer regelmäßig darauf verständigen, wie umfangreich die Modernisierung passiert und zwar immer so, dass bestimmte Höchstwerte an Mietsteigerung nicht überschritten werden. Das heißt, dieses Herausbugsieren durch Luxusmodernisierung, dass das verhindert werden kann in Milieuschutzgebieten, das ist eigentlich das Kerngeschäft. Das sind in der Zahl mehrere 1000 Wohnungen, die quasi pro Jahr im Zuge durch solche Modernisierungsgenehmigungen geschützt werden in dem Sinne, dass man mit den Eigentümern dann die maximale Steigerung nach Modernisierung der Nettokaltmiete vereinbaren kann. Das ist offenbar ein sehr wirksames Instrument, denn wir haben zwar auch durchaus juristische Auseinandersetzungen, aber im Großen und Ganzen läuft das tatsächlich geräuschlos und insofern wollen wir das natürlich fortsetzen in gleicher Intensität. Wir wollen außerdem noch zwei weitere Gebiete ausweisen. Da laufen gerade die entscheidenden vertiefenden Untersuchungen, wie das möglich ist. Da gibt es einmal ein großes Gebiet an der Müllerstraße in westlicher Richtung, mehr nördlichen Abschnitt der Müllerstraße und dann ein zweites größeres Gebiet, dass auf der anderen Seite des Bezirkes liegt, nämlich an der Badstraße, also Gesundbrunnen, in östlicher Richtung. Dort gibt es also ein zweites großes Gebiet, für das diese Untersuchungen gerade laufen. Dort hoffen wir auch zügig zum Abschluss zu kommen und diese neuen Gebiete auch unter Schutz stellen zu können. Es gibt noch eine Sache, die wichtig ist in diesem Zusammenhang. Der treibende Motor der Gentrifizierung und der Verdrängung von sozial schwächeren Schichten im Bezirk ist tatsächlich die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen im Bestand. Das sind so über den Daumen gepeilt in der Summe 2000-3000 Wohnungen, die pro Jahr dem Mietwohnungsmarkt im Bezirk entzogen wurden, weil sie eben eine Eigentumswohnung verwandelt wurden und dann an einzelne Eigentümer verkauft wurden. Was sonnenklar ist, dass die dann in der Lage sind, sich so eine Eigentumswohnung zu kaufen, eben genau nicht die bisherige Zusammensetzung der Wohnbevölkerung repräsentieren. Insofern ist das eigentlich ein wichtiger Indikator gewesen, um zu ermessen, wie viel Wohnraum für sozialärmere Schichten jährlich verloren ging. Da ist es ja glücklicherweise der Bundestagsfraktion der SPD noch vor der letzten Wahl gelungen, ich sag mal, auf der Zielgeraden der Legislatur, in einer BauGB Novelle zu erwirken, dass in angespannten Wohnungsmärkten die Umwandlung in Eigentumswohnungen an sehr strenge Bedingungen geknüpft worden werden können. Berlin hat davon Gebrauch gemacht und hat erst mal ganz Berlin als angespannten Wohnungsmarkt festgestellt. Deshalb ist dieser § 250 BauGB nicht nur in Milieuschutzgebieten zu beachten, sondern generell in ganz Berlin. Dies hat zur Folge, dass derzeit keine Umwandlungen mehr neu auggegleist werdennnen für Mietwohnungen in Eigentumswohnungen. Ob das wirklich so ist, ist wirklich eine ganz spannende Frage, deshalb haben wir uns auch im Bezirksamt entschlossen, das als Messindikator für die Wohnungsfrage im Zielsystem des Bezirkes mitaufzunehmen, so dass wir das wirklich zahlenscharf verfolgen, ob es wirklich so ist, wie es sein müsste, dass jetzt keine Umwandlungen in Eigentumswohnungen stattfinden. Das zu verfolgen ist sicherlich im Interesse von uns allen und das können wir auch zu gegebener Zeit im Stadtentwicklungsausschuss referieren, wie da die ersten Erkenntnisse sind. Vielen Dank.

 

Herr Schug (SPD): Vielen Dank für die bisherigen Ausführungen Herr Gothe. Ich habe noch eine Nachfrage zur ersten Frage. Sie hatten erläutert, dass es ein aktuelles Haus gibt, was sowieso noch vorm Gericht lag. Haben Sie Kenntnisse, dass in anderen Bezirken versucht wird dort sozusagen eine Rückabwicklung juristisch zu erwirken? Oder gibt es dort sozusagen auch Versuche da noch etwas bewegt kommen, was sehr gut wäre, wenn es nicht so wäre.

 

BzstaR Herr Gothe: Es gibt mehrere Fälle, wo über diese Rückabwicklung gestritten wird, weil es Grenzfälle sind. Es gibt auch mehrere Fälle, wo bereits Abfindungsvereinbarungen streitig gemacht werden und auch hier sind die Bezirke in ihrer koordinierenden Arbeitsgruppe, die es zum Glück gibt, so aufgestellt, dass sie bestimmte Objekte, bei denen es möglicherweise besonders schnell geht das zu klären, dass man versucht diese vor den Gerichten zu betreiben, um eben Rechtssicherheit zu bekommen. Es gibt also einen Abstimmungsprozess, aber Adressen von anderen Häusern in anderen Bezirken habe ich nicht parat und auch keine Zahlen, wie viele dort streitig sind. Das kann ich Ihnen leider so nicht sagen, aber auch das könnte man vermutlich einfach herausbekommen.

 

 
 

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