Auszug - Wie steht es um den Mieterschutz in Mitte?  

 
 
39. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin (mit LIVESTREAM) - Gäste bitte vorher anmelden
TOP: Ö 6.2
Gremium: BVV Mitte von Berlin Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 18.06.2020 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 21:06 Anlass: ordentlichen Sitzung
Raum: OSZ Banken, Immobilien und Versicherungen
Ort: OSZ Banken, Immobilien und Versicherungen
2521/V Wie steht es um den Mieterschutz in Mitte?
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion der SPDFraktion der SPD
Verfasser:Schug 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Wortprotokoll

Bezirksstadtrat Herr Gothe beantwortet die Anfrage:

Sehr geehrter Vorsteher, sehr geehrter Herr Schug, vielen Danke für die Große Anfrage. Sie fragen zunächst allgemein, wie es um den Stand der Ausübung des Vorkaufsrechtes steht. In den Milieuschutzgebieten konnten wir tatsächlich feststellen, dass im Januar, Februar und März eine gewisse Flaut in dem Geschehen zu verzeichnen war, günstigerweise. Wir stellten in den letzten Wochen fest, dass es wieder eine steigende Zahl von Verkaufsvorgängen gibt, wo wir in den Milieuschutzgebieten tätig werden müssen. Das gibt es einen Routineablauf, dass wir versuchen zu jedem Haus, dass verkauft werden soll oder es bereits einen Käufer gibt, die Informationen, die man braucht um das Haus beurteilen zu können, zusammengetragen werden. Wir beurteilen dann, ob das Haus überhaupt ein Fall ist. Wir haben zehn Kriterien definiert, die erfüllt sein müssen, damit ein Haus überhaupt in Frage kommt. Dann wenden wir uns, wenn dass der Fall ist, an unsere beiden zugewiesenen Wohnungsbaugesellschaften, Wohnungsbaugesellschaft Mitte und Degewo, die gehen dann in eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Rahmenbedingungen und sagen ob überhaupt und wenn Ja unter welchen Konditionen, ein Ankauf oder eine Ausübung des Vorkaufsrechtes möglich ist. Das Prüfschema ist bei allen gleich und funktioniert eigentlich auch ganz gut, auch wenn wir ehrlicherweise feststellen müssen, dass in den vergangenen Monaten es selten zu einem Vorkauf gekommen ist. Allerdings zu einer Reihe von Abwendungsvereinbarungen. Die Abwendungsvereinbarung ist die Möglichkeit des Erwerbers, den Vorkauf der Gemeinde abzuwenden, indem er einen Vertrag unterschreibt, in dem er sich zu einem besonderen Umgang mit diesem Haus verpflichtet, der mit Strafen belegt ist.

Zum Spezialfall, der hier angefragt ist, Koloniestraße/ Osloer Straße. Hier sind wir tatsächlich, nach einer oberflächlichen Prüfung durch die WBM und die Degewo, dahin gekommen, dass die Degewo intensiv prüft. Ich habe aktuell dazu mit einer Prokuristin telefoniert, wie es aussieht und ob der Zuschussbedarf seitens des Senates definiert werden kann, das ist noch nicht der Fall. Er wird aber über den 10% liegen. Wir haben in diesem Fall bereits die Fühler ausgestreckt Richtung Finanzverwaltung, um auszukundschaften, ob es die Möglichkeit gibt und ich bin positiv eingestellt, dass es einen besonderen Zuschuss dort geben kann. Das müssen die nächsten Tage erweisen und dann werden wir sehen, wie wir da vorankommen. Wir werden dafür am Dienstag einen Beschluss vorsorglich treffen im BA, dass wir den Vorkauf ausüben können, sofern es sich abzeichnet, dass die Degewo Willens ist und die Finanzverwaltung auch den nötigen Zuschuss zu geben. Es kann natürlich immer noch passieren, dass der Erwerber, in diesem Fall eine dänische Gesellschaft, eine Abwendungsvereinbarung unterschreibt. Dann haben sie den Fall abgewendet, allerdings sieht es danach im Moment noch nicht aus. Es gibt keinen Rücklauf seitens des Erwerbers.

Zweite Frage, wie sieht es aus mit der Suche nach weiteren Vorkäufern? In der Tat haben wir in der Vergangenheit ja schon mit mehreren Genossenschaften darüber gesprochen, ob sie sich das vorstellen können. Das waren der Erbbaurechtsverein Moabit, eine Genossenschaft die alt ist. Wir haben mit der Baugenossenschaft vom Ostseeplatz über Fälle gesprochen. Wir haben mit der DIESE eG einen Fall besprochen und wollten den ernsthaft verfolgen. Dann gab es, wie sie wissen, dort eine gewisse Krise in der DIESE eG und die sind im Moment konsolidiert kann man sagen, aber versuchen jetzt das, was sie geschafft haben, zu verdauen und dann müssen wir mal gucken, wann sie wieder in der Lage sind bei weiteren Vorkaufsfällen wieder aktiv zu werden. Dort ist ja die Besonderheit, dass sie nicht nur daraufsetzen, dass sie diesen 105 %igen Zuschuss durch den Senat bekommen und darauf Belegungsrechte geben, sondern dort ist das Modell, dass man auch noch versucht, den fehlenden Gap zum Verkaufspreis, dadurch zu schließen, dass die Bewohner/-innen eines solchen Hauses alles Genossen dieser Genossenschaft werden und Genossenschaftsanteile in einer ziemlichen Höhe finanzieren können, die dann in den Kaufpreis eingehen. Ein, wie ich finde, immer noch ziemlich cleveres Modell, dass, ich hoffe, sich noch weiter reüssiert, wenn sich diese eG dann wieder berappelt hat und die Häuser, die sie erwerbe konnte, wieder verdaut hat und wieder ins weitere Geschäft zurückkommt. Wir werden um diese Möglichkeit durch Genossenschaften zu erwerben etwas einfacher zu handhaben, nochmal ein förmliches Interessenbekundungsverfahren machen. Wo wir die uns bekannten willigen Genossenschaften, aber auch darüber hinaus, nochmal auffordern ihr Interesse zu bekunden. Dann werden wir mit denen nochmal den rechtlichen Rahmen abklopfen und gucken, ob wir dann dort ein größeres Pool von Genossenschaften stets bei der Hand haben um Fälle auch prüfen zu können. Ich möchte aber auch die Erwartung dämpfen, dass die solventer wären als unsere Wohnungsbaugesellschaften und dass dabei viel rumkommt. Trotzdem sollte man diese Möglichkeit weiter bedienen.

Dann zur dritten Frage. Es gibt einen Paketkauf der Deutschen Wohnen, der tatsächlich sehr spannend ist. Hier wird nach dem aktuellen Stand gefragt. Es ist so, dass dort 23 Häuser gekauft werden von der Deutschen Wohnen, von denen alleine schon in Kreuzberg, elf in Milieuschutzgebieten sind. Dann gibt es noch eins in Treptow-Köpenick, eins in Tempelhof-Schöneberg, zwei in Mitte, eins in Neukölln und weitere Häuser, die allerdings nicht in Milieuschutzgebieten liegen. Wir haben uns als Bezirke zusammengeschlossen, was den Informationsaustausch angeht, um auch geschlossen zu handeln. Wir sind auch mit der Finanzverwaltung und der Stadtentwicklungsverwaltung im Austausch, um hier geschlossen aufzutreten. Das ist ganz entscheidend, um die Deutsche Wohnen mindestens dazu zu bringen, dass sie voll umfängliche Abwendungsvereinbarungen abschließt. Den Punkt möchte ich noch einmal herausstellen. Wir sind in Berlin mittlerweile in einem Zustand, wo wir über den Mietendeckel, die Mieten für die nächsten fünf Jahre eingefroren haben. Toi Toi Toi, dass das hält vor allen Gerichten. Perspektivisch ist es ja auch denkbar, dass das dann noch verlängert wird, mit einem gewissen Inflationsausgleich bemessen. Das bedeutet, dass wir feststellen müssen, dass sich das agieren von Eigentümern die eben doch auf eine Maximierung ihrer Rendite aus sind, sich zunehmend auf das Modell der Aufteilung von Wohnungen und dem Verkauf von Eigentumswohnungen setzen. Weil das, unter den gegebenen Rahmenbedingungen, der Weg ist der die höchste Rendite verschafft. Insofern ist gerade der Fall der Deutschen Wohnen mit einer besonderen Aufmerksamkeit zu versehen, weil ja der Vorsitzende Herr Zahn selber, als der Mietendeckel eingeführt wurde, gesagt hat: „Die Deutsche Wohnen muss ihre Politik in Berlin überdenken.“. Bisher hatte sie gesagt, ihnen ging es vor allem darum, die Bestände zu halten. Aber unter den Rahmenbedingungen eines Mietendeckels, werden sie auch verstärkt in Anspruch nehmen, Wohnhäuser aufzuteilen und Eigentumswohnungen zu verkaufen, um die gewünschte Rendite ihrer Aktionäre erfüllen zu können. Deshalb wird es bei der Deutschen Wohnen und der Abwendungsvereinbarung, die im Werden ist, in die Richtung zu treiben, dass dort eine voll umfängliche Abwendungsvereinbarung, was die Aufteilung von Wohnungen angeht, das 20 Jahre die ein Umwandlungsverbot beinhalten, erfüllt wird. Da müssen wir mal schauen, ob sich die Deutsche Wohnen darauf einlässt, dass ist unserer Forderung. Ich hatte ihnen, letzte Woche denke ich, einen Umfangreichen Bericht zur Wohnungsmarktlage im Bezirk zugeschickt, wo auch die dramatische Zahl der umgewandelten Wohnungen aufgezeigt wird. Wir haben derzeit wesentlich mehr Wohnungen im Bestand die Umgewandelt werden, um dann irgendwann in Eigentumswohnungen verwandelt zu werden. Diese Zahl ist wesentlich höher als die Zahl der Wohnungen die neu gebaut werden. Bei den neu gebauten Wohnungen kann man ungehr pauschal sagen sind ungefähr die Hälfte Eigentumswohnungen. Die andere Hälfte, bis auch 10% etwa sind Mietwohnungen, die eher teuer sind und nur 10% der neu geschaffenen Wohnungen, sind tatsächlich Wohnungen die das Prädikat leistbar verdienen. Deshalb muss man einfach auch sehen, dass im Bezirk Mitte, trotz starken Bemühens der Wohnungsbaugesellschaften und auch der Genossenschaften weitere Wohnungsbestände aufzubauen, ein starker Zug in Richtung Eigentumswohnungen festzustellen ist. Was natürlich damit einhergeht, dass das von Leuten erworben wird die nicht die mehrheitlichen Gruppen sind, die wir in Wedding oder Moabit haben. Was im Schluss bedeutet, dass es zu Verdrängungsprozessen kommt. Das kann man beziffern mit ungefähr 3000 Wohnungen, die pro Jahr dem Mietenmarkt entzogen werden und in Eigentumswohnungen verwandelt werden. Das geht einher mit einer Verdrängung von Sozialschwachen Schichten in genau dieser Größenordnung. Das müssen wir einfach sehen und deshalb ist bei den Milieuschutzabwendungsvereinbarungen dieses Kriterium, Verbot der Umwandlung für 20 Jahre, das wichtigste Element. So viel von meiner Seite, vielen Dank.

Bezirksverordnetenvorsteher Herr Bertermann sagt:

Vielen Dank Herr Gothe, eine Nachfrage von Herrn Schug.

Bezirksverordneter Herr Schug fragt:

Sehr geehrter Herr Vorsteher, liebe Kolleginnen und Kollegen, werte Gäste, sehr geehrter Herr Gothe, viel Dank für die Beantwortung unserer Fragen. Sie haben jetzt klar dargestellt wie schwierig es aktuell ist das Vorkaufsrecht auszuüben, weil die städtischen Gesellschaften sich dazu aktuell nicht in der Lage sehen. Jetzt sind Mitte zwei Gesellschaften zugeordnet. Wie weit gibt es denn auch die Möglichkeiten auf den gesamten Pool zurückzugreifen, weil da einige Gesellschaften vor allen Dingen in den Bezirken tätig sind, wo auch die Milieuschutzgebiete viel weniger sind und eher in den Außenbezirken tätig sind, wie z.B. Stadt und Land. Gibt es da nicht auch die Chance es zumindest mal zu versuchen, über den Pool, der uns zugeordnet wurde, den Bezirk Mitte hinauszugehen. Um dann doch nochmal auch andere Möglichkeiten über die schon skizzierten hinauszugreifen?

Bezirksstadtrat Herr Gothe beantwortet die Nachfrage:

Sehr geehrter Herr Schug, ja richtig gedacht, aber dann am Ende doch nicht sinnvoll. Es ist ja so, das auf die 12 Bezirke, die Wohnungsbaugesellschaften gerecht aufgeteilt worden sind. Ich habe ja, wie heute gesagt, mit der Prokuristin der Degewo diesen Einzelfall nochmal tiefer erörtert und gefragt, zum Beispiel: „Kalkulieren sie dann eigentlich auch den Mietendeckel?“. Das Haus um das es geht, da ist es zum Bespiel so, dass die Mieten relativ hoch sind. Das heißt eigentlich attraktiv für einen Erwerber, weil man regelmäßig hohe Erträge aus den Mieten bekommt. Wenn man dann den Mietendeckel aber ernst nimmt und kalkuliert, welche davon liegen eigentlich über dem Niveau im Mietendeckel, der dann bedeutet, dass eine Mietenabsenkung anzuwenden ist. Sowohl die Deutsche Wohnen sagt, sie hält sich an die geltenden Gesetze, solange die vor Gericht bestand haben, wie natürlich erst recht die Wohnungsbaugesellschaften müssen dann Wohnungen scharf analysieren, müssen wir dort mit der Miete sogar runtergehen, um dann insgesamt die Erträge aus dem Haushalt kalkulieren zu können. Es gibt von der Finanzverwaltung vorgeschrieben ein Rechenschema, zu dem sind alle sechs Wohnungsbaugesellschaften verpflichtet das anzuwenden. Das heißt egal welche der Wohnungsbaugesellschaften dort rechnet, die kommen eigentlich, wenn sie richtig rechnen, alle immer zum gleichen Ergebnis und müssten eigentlich immer ziemlich scharf auf den gleichen Zuschussbetrag kommen, der dafür erforderlich ist damit die schwarze Null erreicht wird in einem solchen Haus. Insofern macht es keinen Sinn sechs Wohnungsbaugesellschaften, oder eben mehr als diese beiden zu befragen, ob sie sich den Vorkauf vorstellen können. Das ist schon relativ gerecht ausgesteuert und aufgeteilt auf diese sechs vorhandenen Wohnungsbaugesellschaften.

 

 
 

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