Auszug - Strategien gegen Rechtsextremismus im Bezirk  

 
 
49. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin
TOP: Ö 8.3
Gremium: Bezirksverordnetenversammlung Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 17.02.2011 Status: öffentlich
Zeit: 16:30 - 22:05 Anlass: ordentliche Sitzung
2001/3 Strategien gegen Rechtsextremismus im Bezirk
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 
Verfasser:Ludwig/Wendt/Vatter 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Beschluss


Zur Beantwortung Herr BzStR Gröhler:

 

Frau Vorsteherin, meine Damen und Herren, Herr Wendt, das Bezirksamt darf die Große Anfrage wie folgt beantworten:

 

Zu 1.

Es ist ja nicht so, meine Damen und Herren, dass wir, wie es hier heißt: die Anfrage des Wirts des Ratskellers Schmargendorf auf Präsentation der Zeitschrift „compact positiv beantwortet haben, sondern der Ratskeller-Wirt hat uns mitgeteilt, dass er am 6.12. eine Veranstaltung machen möchte, also, dass jemand Anderes bei ihm Räume anmieten möchte, um eine Veranstaltung durchzuführen, gewisse Zweifel gehabt hätte, ob die Veranstaltung in Ordnung sei und er daraufhin Kontakt mit der Polizei aufgenommen hätte. Und die Polizei ihm gesagt hat, aus ihrer Sicht spräche nichts gegen die Veranstaltung. Mit dem Ansatz hat er sich bei der Immobilienverwaltung gemeldet. Das Bezirksamt selbst hat auch Kontakt mit der Polizei aufgenommen. Das Bezirksamt hat am 1. Dezember entsprechend im Bauausschuss auf Nachfrage berichtet. Und auf seine Frage, nach unserer Recherche bei der Polizei, ob diese Veranstaltung im Einklang mit seinem Vertrag stünde, wurde ihm geantwortet ja, weil die Polizei uns mitgeteilt hat, genau wie ihm, dass nach ihrer Erkenntnislage nicht davon auszugehen ist, dass es sich um eine verfassungswidrige Veranstaltung oder eine Veranstaltung handeln würde, bei der von Anfang an damit zu rechnen sei, dass strafbare Handlungen begangen werden würden.

 

Trotzdem hat das Bezirksamt die Polizei auch noch gebeten, uns einen Bericht zu geben, wenn denn Polizeikräfte dorthin entsandt worden werden und ich habe auch im Ausschuss oder hier in der BVV mitgeteilt, dass uns die Polizei mit Schreiben vom 21.12. mitgeteilt hat, nämlich die Direktionsleitung, dass während der Veranstaltung keine verfassungsfeindlichen Tendenzen erkennbar waren und keine strafbaren Handlungen begangen worden sind. In dem Zusammenhang erlaube ich mir den Hinweis, Herr Wendt, dass eine Veranstaltung, auch wenn sie im Ratskeller Schmargendorf stattfindet, nur weil dort Leute auftreten, die Sie als deutsch-national einordnen, noch lange nicht verboten ist. Weil erstens ist die Frage, wer ist deutschnational? Zweitens ein Deutschnationaler ist nicht gleich ein Rechtsnationaler und schon gar nicht gleichzeitig ein Rechtsextremist. Und da gehen die Begrifflichkeiten in ihrer Großen Anfrage leider durcheinander. Oben in der Überschrift heißt es, Strategien gegen Rechtsextremismus! Da sind wir uns alle einig, wir brauchen Strategien gegen Rechtsextremismus, übrigens genauso wie gegen Linksextremismus und wie jede Form von Extremismus aus den großen Überlegungen oder aus fanatischen Überlegungen, da sind wir uns alle einig.

 

Dann ist aber das Problem, dass man unter Rechtsextremismus nicht auch subsumieren kann: rechtsnationale Gesinnung und deutschnationale Gesinnung. Weil die Fragestellung ist, würde z. B. eben Herr Sarrazin auf so einer Veranstaltung auftauchen, sind wir uns sicherlich alle klar, rechtsextremistisch? Nein. Rechtsnational? Nein, kommt immer darauf an, wie weit man links steht, wohl eher nicht. Deutschnational? Vielleicht schon eher, mit den Thesen, die er genannt hat. Also, insofern muss man auch ein Stück weit aufpassen, dass man an der Stelle in der Darstellung und in der Argumentation sich nicht widerspricht. Und das Bezirksamt, und das habe ich auch immer gesagt, ist keine Zensurbehörde, sondern wir sind auf der Grundlage des Vertragsrechtes und des sonstigen Rechts als rechtsstaatliche Behörde gebunden.

 

Zu 2.

Wie wenden wir den § 8 des Mietvertrages an? Der § 8 des Mietvertrages, der in einer Zeit geschlossen wurde, als ich nicht für die Immobilienverwaltung zuständig war, aber natürlich in der Verantwortung für das ganze Bezirksamt stehe, gar keine Frage, der ist äußerst schwammig. Ich darf mit Genehmigung der Vorsteherin aus dem Vertrag zitieren:

 

„Da es sich bei dem Mietobjekt um einen Ratskeller handelt ist der Mieter verpflichtet, dem Wirtschaftsbetrieb entsprechend der Würde des Rathauses zu führen, vor allem nichts zu tun, was das Ansehen der demokratischen Verwaltungsbehörde oder des demokratischen Staats beeinträchtigen könnte.“

 

2. Absatz:

 

„Der Mieter verpflichtet sich, in dem Mietobjekt keine Versammlungen, Veranstaltungen oder Zusammenkünfte zu dulden, die von staatsfeindlichen Personen oder Organisationen oder Gegnern der Demokratie veranstaltet oder besucht werden. Hat der Mieter diesbezüglich Zweifel, ist er verpflichtet, die Stellungnahme des Vermieters einzuholen.“

 

Das hatte er gemacht. Auf der Grundlage der polizeilichen Stellungnahme haben wir uns dann entschlossen zu sagen, die Veranstaltung ist aus unserer Sicht nicht verboten.

 

Aber die Frage ist, was ist die Würde des Rathauses? Ich sage Ihnen mal, was der § 8 Abs. 1 meint. Er meint, dass er die gastronomische Einrichtung so zu führen hat, dass eben dort z. B. nicht Tabledance oder…ja, muss ich jetzt nicht näher ausführen. Das dürfte er ja eigentlich nach dem Vertrag, weil er darf eine gastronomische Einrichtung ohne Betriebseinschränkung, also ohne Art der Betriebseinschränkung führen, d. h., was man damit verhindern wollte ist, dass dort pornografische Darstellungen usw. stattfinden. Das ist gemeint mit „Würde des Ortes“. Dieser Paragraph ist nicht geeignet, meine Damen und Herren, jedenfalls der Abs. 1 ist nicht geeignet, Veranstaltungen, wie die, die Sie meinen, zu verhindern und deshalb hat sich ja damals auch die Versammlung der Verwaltungsjuristen der Bezirksämter entschlossen, einen Handlungsleitfaden zu erarbeiten, wie in Zukunft entsprechende Klauseln in Verträgen ausformuliert werden sollen. Sie kennen das alle. Ist über den Rat der Bürgermeister transportiert worden.

 

Sie selbst haben uns den entsprechenden Auftrag gegeben, das in die Verträge einzupflegen. Charlottenburg-Wilmersdorf ist einer der ersten Bezirke gewesen, der das eingepflegt hat. Wir müssen aber auch sagen, die ursprüngliche Formulierung, nämlich, dass man nur noch Räume an Parteien und  Wählergemeinschaften abgeben soll, die in dem Bezirk Kreisverbände haben, ist dann anschließend vom Verwaltungsgericht gekippt worden, damit ist schon mal die Klausel wesentlich entkleidet worden und Sie denken auch an die Schlappe, die der Schulsenator bekommen hat, bei der Auseinandersetzung, ob er für einen NPD-Parteitag eine Schule zur Verfügung gibt, ist er vor beiden Instanzen gescheitert. Insofern müssen wir auch konstatieren, dass die Rechtssprechung hier aus dem Parteienprivileg wesentlich großzügiger ist, als der eine oder andere sich das gewünscht hat.

 

Ich will an der Stelle auch sagen, wir sind dabei diese Klausel gerade in alle Verträge und Genehmigungen, selbst für Kioske, die Sitzplätze haben, einzuarbeiten. Diese Klausel wird z. B. auch in den Vertrag für den Weinbrunnen in Zukunft mit reinkommen. Wir sehen mal ab von Kiosken, die nur Stehplätze haben, weil das da nun so die großen Versammlungen stattfinden, ist nicht der Fall.

Aber alleine die Kioske mit Sitzplätzen, bis zum Lietzenseecafé usw., sind insgesamt über 30 Verträge, die alle noch anzupassen sind und die können nicht nur alle mit einer Klausel angepasst werden, sondern die müssen jeweils individuell auf welcher Rechtsgrundlage das Ganze genehmigt worden ist oder ob es privatrechtlich ist, einzeln angepackt werden, da sind wir aber gerade bei und werden es auch in den nächsten Wochen entsprechend abschließen können.

 

Zu 3.

Welche Strategien verfolgt das Bezirksamt, um extreme Veranstaltungen zu verhindern? Bisher, meine Damen und Herren, glaube ich, haben wir eine gute Strategie verfolgt, weil in meiner Amtszeit in keinem Raum dieses Rathauses oder des Rathauses Charlottenburg, also, die, die wir tatsächlich selbst vergeben, entsprechende Veranstaltungen bisher stattgefunden haben. Wir haben das immer verhindern können, war aber auch Glück bei, das wird nicht immer gelingen, siehe NPD-Landesparteitag. Aber, wir haben bisher die richtige Strategie gehabt und ich glaube nicht, dass Sie mir vorwerfen können, dass ich nicht mit allen Mitteln versucht habe, Feinde der Demokratie aus diesen Rathäusern rauszuhalten. Erlauben Sie mir auch noch den Hinweis, im Ratskeller Schmargendorf wird es in den nächsten Monaten weder deutschnationale, noch nichtnationale, noch sonstige Veranstaltungen geben, weil der Ratskeller geschlossen ist. Das Bezirksamt hat fristlos gekündigt. Allerdings nicht auf der Grundlage dieser Veranstaltung, sondern auf der Grundlage wirtschaftlicher Probleme des Ratskellers. Der Ratskeller ist geschlossen und wird bis zum 28.02. vom Wirt geräumt und dem Bezirksamt anschließend übergeben werden. Wir werden im März eine Interessenbekundung ausarbeiten und dann im Amtsblatt veröffentlichen, mit dem Ziel der Neuvermietung.

 

Ich muss aber noch, Frau Vorsteherin, die Zulieferung der Abteilung Wirtschaft und Jugend beantworten.

 

Dr. Suhr:
Aber bitte, wenn Sie so vielfältig hier unterwegs sind….

 

BzStR Gröhler:

Danke, das ist sehr lieb. Und ich erspare Ihnen alle die eine DIN A4-Seite der regionalen Schulaufsicht. Die Beantwortung der Abteilung Wirtschaft zu 4. lautet:

 

Dem Centermanagement des Europacenters ist es gelungen, dass der Laden, der vor allem Kleidung verkauft hat, die bei rechtsextremen Gruppen Anklang finden, seit Montag, 7. Februar nicht mehr betrieben wird. Das Bezirksamt stand hierbei die ganze Zeit im engen Kontakt mit dem Centermanagement und die Schritte wurden miteinander besprochen. Zudem hat das Bezirksamt Kontakt zu der Immobilienberatung gegen Rechtsextremismus Berlin aufgenommen und vereinbart, dass das Thema „Klauseln“ gegen rechtsextreme Wirtschaftsunternehmungen für Gewerbetreibende in der nächsten Sitzung der Dach AG der Geschäftstraßen besprochen und die Informationen im Internetangebot der Wirtschaftsförderung Charlottenburg-Wilmersdorf zu finden sind.

 

Zu 5.

Hier hat mir die Abteilung Jugend folgende Zuarbeit gegeben:

Die Bearbeitung des BVV-Beschlusses „Lokaler Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“, das war die Drucksache Nr. 1505/3, ist der Abteilung des Kollegen Naumann zugeordnet worden. Es wird um Verständnis gebeten, dass das Jugendamt, Fachamtsbereich Jugendförderung, aufgrund der auch dort bestehenden hohen Arbeitsintensität des Übertragungsprozesses von Jugendfreizeiteinrichtungen an freie Träger im vergangenen Jahr zeitlich leider nicht die fachlich erforderlichen Kapazitäten gehabt hat, um dessen Realisierung in die Wege zu leiten. Es ist beabsichtigt, dass dazu erste Schritte bis Ostern 2011, ggf. auch unter Einbeziehung von Aktivitäten gegen Homophobie zu konkretisieren und der BVV dann einen Zwischenbericht vorzulegen. Und die regionale Schulaufsicht hat darauf hingewiesen, dass es die Landeskommission Berlin gegen Gewalt gibt, die allen Schulen als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Darüber hinaus gibt es die Broschüre „Handeln gegen Rechtsextremismus“ in Berliner Schulen und das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus und die Thematik des Extremismus und seiner Bekämpfung dessen steht auch in den Rahmenplänen für die unterschiedlichen Jahrgangsstufen der unterschiedlichen Schularten in Berlin ebenfalls drin.

 

 

 
 

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