Drucksache - 2576/IV  

 
 
Betreff: Wohnraum erhalten – Zwangsräumungen verhindern!
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion der SPDBezirksamt Mitte von Berlin
Verfasser:Matischok, Lüthke 
Drucksache-Art:AntragVorlage zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
BVV Mitte von Berlin Entscheidung
18.02.2016 
47. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin überwiesen   
Soziales und Bürgerdienste Entscheidung
08.03.2016 
51. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales und Bürgerdienste ohne Änderungen im Ausschuss beschlossen   
BVV Mitte von Berlin Entscheidung
17.03.2016 
48. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin      
BVV Mitte von Berlin Entscheidung
14.07.2016 
52. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin      
BVV Mitte von Berlin Entscheidung
18.10.2018 
21. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin (mit LIVE-STREAM) mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   

Sachverhalt
Anlagen:
1. Antrag
2. BE SozBüD 08.03.2016
3. Beschluss
4. VzK vom 12.07.2016
5. Zwischenbericht
6. VzK vom 08.10.2018

Wir bitten zur Kenntnis zu nehmen:

 

 

 

(Text siehe Rückseite)

 

 

 


Bezirksamt Mitte von BerlinDatum:12.09.2018

Abt. Stadtentwicklung, Soziales und GesundheitTel.:44600

 

 

Bezirksverordnetenversammlung Drucksache Nr.: 2576/IV

Mitte von Berlin

 

___________________________________________________________________

 

 

Vorlage - zur Kenntnisnahme -

 

über

 

Wohnraum erhalten – Zwangsräumungen verhindern!

 

Wir bitten, zur Kenntnis zu nehmen:

 

Die Bezirksverordnetenversammlung hat in ihrer Sitzung am 17.03.2016 folgendes Ersuchen an das Bezirksamt beschlossen (Drucksache Nr. 2576/IV):

 

Das Bezirksamt wird ersucht, zur Verringerung der Zahl der Zwangsräumungen in Mitte folgende Schritte umzusetzen:

 

1.     Es wird ein standardisiertes Verfahren entwickelt, das einzuhalten ist, wenn durch ein Amtsgericht ein Räumungsverfahren bzw. durch ein_e Gerichtsvollzieher_in ein Räumungstermin mitgeteilt wird. Dieses Verfahren soll folgende Elemente nach dem Vorbild anderer Berliner Bezirke beinhalten:

a.     Anschreiben an die Betroffenen mit weiteren Informationen über Hilfe- und Beratungsangebote sowie der Option einer möglichen Abklärung eines Antrages nach § 22 (8) SGB II oder § 36 SGB XII (Übernahme Mietschulden zum Wohnungserhalt) innerhalb einer festzulegenden Anzahl von Tagen (z.B. zwei Tage wie im Bezirk Pankow oder innerhalb von fünf Tagen wie im Bezirk Lichtenberg; Option entsprechend Bezirk Marzahn-Hellersdorf und Reinickendorf);

b.     Prüfung, inwieweit Leistungen vom Jobcenter, vom Amt für Soziales, dem Gesundheitsamt oder dem Jugendamt, dem Landesamt für Gesundheit und Soziales o.a. bezogen werden und inwieweit in der Vergangenheit Mietschulden bestanden;

c.      Prüfung anhand der Meldedaten, inwieweit von der Räumung Kinder oder Jugendliche unter 15 Jahren betroffen sind und Einbeziehung des Jugendamtes insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Gefährdung des Kindeswohls (vgl. Bezirke Reinickendorf und Lichtenberg);

d.     Prüfung, inwieweit das geschützte Marktsegment betroffen ist (vgl. Bezirk Reinickendorf);

e.     Prüfung anhand der Meldedaten, inwieweit von der Räumung Personen über 65 Jahren betroffen sind und entsprechende Hilfsangebote (vgl. Bezirke Tempelhof-Schöneberg und Reinickendorf);

f.        Verfahren für ein erneutes Anschreiben, einen Anruf oder einen Besuch, sofern sich die Betroffenen nicht melden (vgl. Bezirke Lichtenberg, Spandau und Tempelhof-Schöneberg);

g.     Verfahren für eine Kontaktaufnahme zum Vermieter, zur Hausverwaltung oder zum Hausmeister unter besonderer Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Belange in besonderen Fällen (vgl. Bezirk Tempelhof-Schöneberg);

h.     Statistische Erfassung.

 

2.     Es sollen Vereinbarungen zwischen dem Amt für Soziales einerseits und dem Gesundheitsamt und dem Jugendamt andererseits abgeschlossen werden, die im Falle einer Räumungsklage oder eines angesetzten Räumungstermins ein gemeinsames schnelles Prüfen der Zuständigkeit, der gegenseitigen Information und des abgestimmten schnellen und ggf. gemeinsamen Handelns beinhalten.

3.     Zwischen dem Amt für Soziales und dem Jobcenter Mitte soll eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen werden, auf deren Grundlage Maßnahmen zum Wohnraumerhalt gemeinsam mit dem Betroffenen umgesetzt werden können (vgl. Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg).

4.     Durch den Bezirk Mitte soll ggf. gemeinsam mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales bzw. den zuständigen Stellen des Senats ein Verfahren entwickelt werden, mit dem insbesondere für geflüchtete Menschen ein Wohnungsverlust wegen Mietschulden verhindert werden kann.

5.     Das Bezirksamt wird ersucht, in dem Verfahren und bei seiner Kontaktaufnahme folgende Aspekte besonders zu berücksichtigen:

a.     eine bestehende Angst vor deutschen Ämtern und Behörden,

b.     die Belange von Menschen mit geringen deutschen Sprachkenntnissen,

c.      eine Scham insbesondere älterer Menschen, auf staatliche Unterstützung angewiesen zu sein.

6.     Für die Kontaktaufnahme wird das Bezirksamt ersucht, zu prüfen, inwieweit

a.     das Jugendamt für die Kontaktaufnahme zu Familien mit Kindern die Zuständigkeit übernehmen kann, um sich von den Wohn- und Lebensbedingungen der Kinder zu überzeugen;

b.     die Kontaktaufnahme zu älteren Menschen durch Mitglieder des Ehrenamtlichen Dienstes erfolgen und ggf. einer Sondersozialkommission eingesetzt werden können, um insbesondere den Menschen Hilfsangebote zu machen, die keine Leistungen beziehen

c.      mit den Städtischen Wohnungsbaugesellschaften aber auch Wohnungsbaugenossenschaften, Hausverwaltungen etc. anhand konkreter Fälle Verabredungen zum Umgang mit Mietschulden im Falle eines Leistungsbezuges, getroffen werden können (z.B. Hinwirken auf die Zahlung der Miete direkt an den Vermieter u.a.).

d.     gemeinsam mit dem Jobcenter besondere Unterstützungsangebote für Menschen geschaffen werden können, bei denen bereits in der Vergangenheit Mietschulden bestanden, ein Wohnungsverlust erfolgte oder drohte.

7.     Das Bezirksamt wird ersucht, gemeinsam mit den anderen Bezirken und den zuständigen Stellen des Senats weitere Elemente für eine allbezirkliche Zusammenarbeit mit Wohnungsbaugesellschaften, -genossenschaften und Unternehmen sowie bei der Betreuung von Menschen mit Mietschulden zu entwickeln in den Fällen, in denen der Bezirk Mitte für eine erfolgreiche Arbeit auf eine Kooperation angewiesen ist.

 

 

 

Das Bezirksamt hat am 18 .09.2018 beschlossen, der Bezirksverordnetenversammlung dazu Nachfolgendes als Schlussbericht zur Kenntnis zu bringen:

 

Nach dem Zwischenbericht vom 29.06.2016 wurde die Evangelische Hochschule Berlin (EHB) beauftragt, das Bezirksamt bei der Etablierung einer besseren Präven- tion zu unterstützen. Mit dem Mitte 2017 vorgelegten „Bericht zur Beratung der sozialen Wohnhilfe des Bezirks Berlin Mitte“ und dem „Gutachten zum Datenschutz in der präventiven sozialen Wohnhilfe Berlin Mitte, Fachstelle für Obdachlosenhilfe“ konnten durch die EHB vor allem in Bezug auf die Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft einige Verbesserungsfelder identifiziert werden. Diese wurden seitens des Bezirksamtes in Gesprächen mit der Wohnungswirtschaft zwar diskutiert und brachten auch Absichtserklärungen hervor, führten aber letztendlich zu keiner Verbesserung der Zusammenarbeit im Sinne der Prävention.

Da die Wohnungsunternehmen in Eigeninitiative selbst Beratungen, z.B. bei Mietschulden, anbieten, sehen sie darüber hinaus weitere Instrumente in Zusammenarbeit mit dem Bezirk als nicht notwendig an.

Die Absichtserklärungen erwiesen sich als wertlos, da die freie Wohnungswirtschaft darüber nicht vom Bezirksamt verpflichtet werden kann und die städtischen Wohnungsbaugesellschaften über das Instrument des „Geschützten Marktsegments“ hinaus keine weiteren Potentiale sehen.

 

 

Das Ersuchen der BVV wurde an das Bezirksamt Mitte gerichtet noch lange bevor feststand, dass die Senatsverwaltung im Januar 2018 die Forderung der Bezirke aufgreifen würde, sich in gesamtstädtischer Verantwortung des Themas der Wohnungs- und Obdachlosigkeit mittels Initiierung einer Strategiekonferenz anzunehmen.

 

Mittlerweile werden viele der geforderten Prüfschritte im bestehenden standardisierten Verfahren des Sozialamtes bereits durchgeführt.

 

Die Zahl der im Rahmen von „Mitteilungen in Zivilsachen“ (MiZi) eingehenden Mitteilungen ist stark rückläufig. Sie sind ungefähr auf ein Drittel der Zahlen der vergangenen Jahre zurückgegangen.

 

Eine Zwangsräumung steht am Ende einer langen Kette von juristischen Verfahren und ist in der Regel nicht mehr zu verhindern. Selbst die s.g. „Wiedereinweisung“ in eine Wohnung ist eine Beschlagnahme, die nach Prüfung durch das Rechtsamt nicht angewendet werden darf. Der damit verbundene ordnungsrechtliche Eingriff in Eigentumsrechte der Eigentümer ist unverhältnismäßig, da es im Land Berlin in der Regel alternative Möglichkeiten gibt, die Menschen unterzubringen.

 

Bei den Räumungsklagen ist die Situation ähnlich. Die Verfahren sind oft bereits verfristet und nach dem BGB nicht mehr angreifbar und der Wohnungsverlust ist unabwendbar.

 

Damit rückt das Thema „Prävention“ in den Fokus aller Bemühungen, Wohnungslosigkeit  nachhaltig zu vermeiden.

Im Rahmen der Berliner Strategiekonferenz zur Wohnungslosenhilfe widmet sich speziell die Arbeitsgruppe (AG) 3 der „Prävention von Wohnungslosigkeit“ und auch aus der Arbeitsgruppe 7 „Soziale Wohnhilfe-Fachstellenkonzept“ werden aus den strategischen und operativen Zielen Maßnahmen abgeleitet,  die speziell auf die Prävention abzielen und den im Ersuchen der Bezirksverordnetenversammlung geforderten Maßnahmen weitestgehend entsprechen. So gehört z.B. die „Vermeidung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit (Prävention First)“ zu einem der strategischen Ziele der Arbeitsgruppe 7. Dieses strategische Ziel mündet in die operativen Ziele „Verbesserung des Verwaltungshandelns“ und “Prospektive Vermeidung von Wohnungsnotlagen“. Aus diesen Zielen wiederum generieren sich zum Erhalt von Wohnraum Maßnahmen, von denen hier einige nur beispielhaft aufgezeigt werden können, um dem Ergebnis der Strategiekonferenz nicht zu weit vorzugreifen:

 

        Ausbildung einer Fachstelle (FS) Soziale Wohnhilfen

        Bessere Kooperation der FS mit dem Jobcenter und allen beteiligten Bereichen im Sozial- und Ordnungsamt

        Verstärkte Kooperation mit freien Trägern

        Vernetzung der Akteure innerhalb und außerhalb der Verwaltung

        Kooperation mit Vermietern und Gerichten

        Zielgruppenspezifische Informations- und Beratungsangebote

        Zielorientierte, schnelle Schuldnerberatung

 

Diese herausgearbeiteten Maßnahmen der AG 7 werden durch die der AG 3 „Prävention von Wohnungslosigkeit“ noch spezifiziert und erweitert. Auch hier können nur einige Beispiele genannt werden:

 

        Ausbau der allgemeinen unabhängigen Sozialberatung

        Aufbau eines „Frühwarnsystems“ durch Kooperation mit Vermieter*innen und deren Verbänden, insbesondere mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften

        Änderung der MiZi mit dem Ziel der Meldung aller Räumungsklagen

        Genaue Beschreibung der Maßnahmen bei Eintritt des Wohnungsnotfalls im Hinblick auf die verschiedenen Eskalationsstufen

 

Alle bisherigen Ergebnisse der Arbeitsgruppen der Strategiekonferenz sollen auf einer zweiten Konferenz am 10. Oktober 2018 vorgestellt und somit der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden.

Im Vorgriff auf die endgültigen Ergebnisse der Strategiekonferenz und im Rahmen des eigenen „Konzepts zur Bekämpfung von Wohnungs-/ Obdachlosigkeit in Berlin Mitte“ sind zur Verbesserung der Situation für das Amt für Soziales bereits Personalmittel für zunächst zwei Sozialarbeiter*innen bewilligt worden. Diese sollen zukünftig aufsuchende Sozialarbeit u. a. bei drohendem Wohnungsverlust, z.B. durch Mietschulden,  durchführen. Zudem sollen sie für eine Vernetzung der bezirklichen Anlaufstellen mit Institutionen und Organisationen sorgen, bezirksregionale Trägerangebote koordinieren und die Kooperationsbeziehungen unterstützen. Das entsprechende Stellenbesetzungsverfahren läuft bereits.

 

Darüber hinaus gibt es seitens des Amtes für Soziales intensive Bemühungen und erste Kooperationsvertragsentwürfe, die die Zusammenarbeit zwischen der Sozialen Wohnhilfe, den Schuldnerberatungen und dem Jobcenter bei drohendem Wohnungsverlust durch Mietschulden verbessern und damit dem Wohnraumerhalt und der Verhinderung von Zwangsräumungen dienen sollen.

 

 

 

A) Rechtsgrundlage:

 

§ 13 i.V. mit § 36 BezVG

 

 

B) Auswirkungen auf den Haushaltplan und die Finanzplanung:

 

a. Auswirkungen auf Einnahmen und Ausgaben:

keine
 

 

 

b. Personalwirtschaftliche Auswirkungen:

 

keine
 

Berlin, den 18 .09.201

 

 

 

Bezirksbürgermeister von DasselBezirksstadtrat Gothe

 
 

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