Auszug - Standesamt in Not  

 
 
35. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin
TOP: Ö 7.1
Gremium: BVV Mitte von Berlin Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 20.02.2020 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 22:45 Anlass: ordentlichen Sitzung
Raum: BVV-Saal
Ort: Karl-Marx-Allee 31, 10178 Berlin
2374/V Standesamt in Not
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion der CDUFraktion der CDU
Verfasser:Behrends 
Drucksache-Art:Mündliche AnfrageMündliche Anfrage
 
Wortprotokoll

Das Standesamt Berlin Mitte ist auch drei Jahre nach Bekanntwerden der langen Wartezeiten stark überlastet. Das Beschwerdeaufkommen ist immer noch sehr hoch. Bisherige Maßnahmen wie der temporäre Einsatz einer bereits pensionierten Beamtin und sogar Amtshilfe haben das Problem nicht lösen können. Heiraten in Mitte ist und bleibt schwierig.

 

  1. Ist dem Standesamt bekannt, dass sich heiratswillige Einwohnerinnen und Einwohner teilweise in andere Bezirke oder Städte ummelden, um einen Hochzeitstermin zu bekommen und wie bewertet es die Folgen für unseren Bezirk?
  1. Ist dem Amt bewusst, dass die Google-Suche nach den Stichworten "Standesamt Berlin Mitte" als ersten Treffer die Werbeanzeige des privaten Portals standesamt24.de anzeigt und wie gedenkt es mit diesem kostenpflichtigen "Service" umzugehen?
  1. Wie hat sich die Personalsituation des Standesamtes innerhalb der zurückliegenden fünf Jahre entwickelt und welche neuen Wege wird das Amt beschreiten, um diese endlich zu verbessern?

 

Frau BzStR´in Reiser antwortet:
Liebe Anwesenden, sehr geehrte Frau Behrends, im Namen des Bezirksamtes möchte ich gerne Ihre Mündliche Anfrage wie folgt beantworten.
Zunächst zu Frage 1: Das Problem sind nicht die eigentlichen Hochzeitstermine. Das Nadelöhr sind leider weiterhin die Termine zur Beratung und zur Anmeldung für Eheschließung. Dem Standesamt Mitte liegen keine Daten vor, die eine qualifizierte Auskunft über mögliche Ummeldung zur Beschleunigung von Eheschließung erlauben würden. Allerdings sind uns hier entsprechende Gerüchte bekannt, Die eigentlichen Hochzeitstermine sind in Mitte nicht knapp. Es kommen weiterhin viele Paare aus anderen Bezirken zu uns, die hier heiraten wollen, beispielsweise, weil es in Pankow zu wenig Hochzeitstermine gibt, oder weil das Standesamt in Friedrichshain-Kreuzberg als unattraktiv empfunden wird.

In Frage 2 fragen Sie nach Dienstleistern wie beispielsweise Standesamt24.de. Dazu kann ich sagen, dass bei Portalen, wie Standenamt24.de es sich um Dienstleister handelt, die den Service anbieten, die Urkundenanforderung der Kunden/-in an die jeweiligen Standesämter weiter zu leiten. Die eigentlichen Auszüge aus den Geburten-, Ehe- oder Sterberegistern werden dann durch die Urkundenstellen der jeweiligen Standesämter versandt; incl. einer Rechnung über die dazugehörigen Gebühren. Auf der eigentlichen Webseite von Standesamt24.de wird auf diese standesamtliche Gebühr verwiesen. Grundsätzlich wird von mir den Bürger/-innen von der Nutzung solcher zusätzlichen Dienstleisterportalen abgeraten. Diese Portale bieten lediglich die Weiterleitung des Antrages und darüber hinaus keine weiteren Vorteile, also keine schnellere oder bevorzugte Bearbeitung oder ähnliches. Ohne jetzt dezidiert auf diesen Dienstleister eingehen zu wollen, möchte ich grundsätzlich sagen, dass sich dieser Mehrwert von Dienstleistungsportalen zur Weitergabe sich nicht erschließt, auch wenn jetzt ausdrücklich von den Portalbetreibenden darauf hingewiesen wird, dass sich die Dienstleistung auf die Weiterleitung beschränkt. So müssen wir ja doch leider davon ausgehen, dass Bürger/-inne die Kosten des Services nur aufwenden, weil sie sich eben eine beschleunigte Bearbeitung erhoffen, die es aber faktisch nicht gibt. Leider haben wir keinen Einfluss auf diese Dienstleistungsangebote. Genauso wenig haben wir Einfluss auf deren Bewerbung über Subportale wie Google.

Dann wird in Frage 3 nach der Personalsituation gefragt: Hierzu kann ich sagen: Der Stellenplan 2016/17 beinhaltete insgesamt 30 Stellen; davon 15 Stellen für Standesbeamten/-innen und 15 Stellen für Mitarbeitende. Aufgrund steigender Bearbeitungszahlen bei Geburts- und Sterbebeurkundungen, als auch einer steigenden Anfrage für Eheschließungen, wurde dann schließlich im Stellenplan 2018/19 auf insgesamt 32,5 Stellen ausgeweitet; davon 18 Stellen für Standesbeamte/-innen und 14,5 Stellen für Mitarbeitende. Im Ergebnis der Organisationsuntersuchung für die Standesämter wurde der Stellenplan 2020/21 nochmals angepasst, hinsichtlich einer Aufstockung der Standesbeamten/-innenstellen und gleichzeitig einer Reduzierung von Mitarbeiter/-innenstellen. Der Stellenplan 2020/21 enthält demnach insgesamt 33 Stellen; davon 21 Stellen für Standesbeamte/-innen und 12 Stellen für Mitarbeitende. Ich möchte aber hier noch deutlich betonen, dass diese Zahlen, wie gesagt nur den Stellenplan wiederspiegeln, aber nicht die Fluktuation innerhalb des Standesamtes innerhalb eines Jahres. Derzeit wird von einer Vollbesetzung im Standesamt zum 01.04.2020 ausgegangen. Für alle vakanten Stellen sind die Auswahlverfahren glücklicherweise positiv abgeschlossen worden. Aktuell liegt der Schwerpunkt hinsichtlich der Verbesserung der Situation im Standesamt auf einem mittelfristig angelegten Veränderungsprozess. Dieser Prozess beinhaltet verschiedene Einzelmaßnahmen, über die ich auch im Ausschuss Bürgerdienste und Wohnen versuche, regelmäßig zu berichten. Die Maßnahmen, hierzu zählen zum einen die Restrukturierung der 2. Leitungsebene, die Prüfung und ggf. Verbesserung von Arbeitsprozessen, also Thema Terminmanagement und auch Einzelcoachingmaßnahmen auf der Leitungsebene. Dies alles soll die Ressourcenaufwüchse unterstützen und blankieren und eventuell auch Potenziale, die wir noch nicht sehen, sichtbar machen und dann auch nutzbar machen. Wie gesagt, im Ausschuss Bürgerdienste und Wohnen versuche ich dort auch immer regelmäßig den Stand dieses Veränderungsprozesses mitzuteilen und sie auf den neuesten Stand zu bringen.

Herr BV Paetz (AfD) fragt nach: Sehr geehrte Frau BzStR´in Reiser, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. Im Standesamt gab es in letzter Zeit auch Probleme mit Geburts- und Sterbeurkunden, dass das teilweise so lange gedauert hat. Ist dieses Problem inzwischen behoben?
Frau BzStR´in Reiser antwortet: Auch darüber habe ich im Ausschuss Bürgerdienste und Wohnen regelmäßig referiert. Wir haben ja jetzt zuletzt Unterstützung bekommen von der Senatsverwaltung für Inneres, die uns auch bei der Aufarbeitung von Rückständen geholfen haben, sodass wir jetzt keine Rückstände mehr bei den Geburtsurkunden haben. Die Unterstützungsmaßnahme geht jetzt noch bis Ende des Monats. Aber es sieht sehr gut aus. Und auch die Bearbeitungszeiten sind dementsprechend zurückgegangen. Also die Unterstützung hat uns sehr geholfen. Und die Herausforderung wird jetzt eben sein, dass es so gut es geht, zu halten.

Herr BV Pieper (CDU) fragt nach: Herr Vorsteher, meine Damen und Herren, liebe Frau Reiser, ich habe noch eine Frage, und zwar ist die Situation schon lange so. Es ist leider in den letzten 3 Jahren nicht vorangegangen. Jetzt haben Sie aber etwas ganz Interessantes am Anfang gesagt, dass es nicht daran mangelt, dass es Termine gibt fürs heiraten selber, also dieses Trauungstermins, so habe ich das verstanden, aber eben diese Beratungsterminprobleme sind. Es aber dazu führt, dass wir Termine anbieten, wo Menschen aus anderen Bezirken kommen und hier in Berlin-Mitte heiraten und die/der Standesbeamte/-in seine Arbeitszeit dafür investiert, Leute aus Pankow zu trauen, deren Standesamt nicht schön ist, wie Sie sagten. Nur schließt sich mir nicht so ganz und das wäre meine Frage: Warum wird denn die Arbeitszeit, sage ich mal, die siie jetzt dafür verwenden, Leute aus anderen Bezirken zu trauen, nicht dafür genutzt für Beratungsgespräche zu machen? Sind ja wahrscheinlich die gleichen Standesbeamten? Und die könnten ja damit dann, sage ich mal eher ein paar Leute mehr quasi Beratungsgespräch geben als dass wir unsere knappen Ressourcen, die wir offenbar in diesem Bereich haben, dafür nutzen, andere Leute aus anderen Bezirken hier in Mitte heiraten zu lassen.
Frau BzStR´in Reiser antwortet: Ich würde jetzt ungern sagen, dass wir jetzt hier kategorisch Heiratswillige aus anderen Bezirken ablehnen, denn das ist ja jetzt nicht maßgeblich der Grund, warum wir weniger Beratungstermine anbieten können. Standesbeamten/-innen sind ja nicht nur für Eheschließungen zuständig, sondern eben auch für die Beurkundung. Und unsere Standesbeamten/-innen müssen ja auch alles leisten, nicht nur beraten für eine Eheschließung, sondern eben auch die Geburtsurkunden ausstellen etc. und da hatten wir wie gesagt, auch große Rückstände. Und das war mitunter auch ein Grund, warum wir nicht so viele Termine zur Beratung anbieten konnten, weil die Priorität Geburtsurkunden- und Sterbeurkundebestand und dort die Abarbeitung wichtiger war, als jetzt weitere Termine anzubieten.

Herr Piepe fragt weiter nach: Sie haben meine alte Frage nicht beantwortet: Also: Es geht doch darum, wenn der Standesbeamte sozusagen jetzt Arbeitszeit nimmt und die dafür einsetzt, andere Leute aus anderen Bezirken zu trauen, dann ist das ja Arbeitszeit, die könnte er auch nehmen für ein Beratungsgespräch, auch wenn das länger dauert, was auch immer. Und wir haben ja hier Leute in Mitte, die können gar nicht heiraten, weil sie nämlich keinen Beratungstermin kriegen und quasi wenn sie sonst wo in Nordrhein-Westphalen heiraten wollen quasi hier dieses Beratungsgespräch machen müssen. Mir ist nicht klar, wenn wir so schwere Beratungsgespräche fürs Heiraten, ich rede nur vom Heiraten nicht von Geburtsurkunden usw., warum wir diese Personalressourcen dann nicht in die Beratungsgespräche setzen, sondern stattdessen den Service für andere Bezirke anbieten, dass die Leute in Mitte heiraten können? Leute aus Mitte, die hier gemeldet sind, können ja offenbar nicht hier heiraten, weil sie keinen Beratungstermin kriegen.
Frau BzStR´in Reiser antwortet: Ich kann Ihren Hinweis gerne mitnehmen, aber ich fürchte, den Standesämtern in Gesamtberlin geht es schlecht und jetzt anzufangen, als einzelner Bezirk Heiratswillige abzulehnen, kommt, glaube ich, gesamtstädtisch nicht gut an. Aber ich kann gern, wie gesagt, Ihren Hinweis mitnehmen, aber mit dieser Anmerkung.

 
 

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