Auszug - Räumungsklagen und Räumungen im Bezirk Mitte und Möglichkeiten zum Wohnraumerhalt nach ASOG   

 
 
13. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin
TOP: Ö 10.2
Gremium: BVV Mitte von Berlin Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 21.12.2017 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 22:30 Anlass: ordentlichen Sitzung
Raum: BVV-Saal
Ort: Karl-Marx-Allee 31, 10178 Berlin
0899/V Räumungsklagen und Räumungen im Bezirk Mitte und Möglichkeiten zum Wohnraumerhalt nach ASOG

   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion Bündnis 90/Die GrünenFraktion Bündnis 90/Die Grünen
Verfasser:I.Bertermann, Kociolek, Kurt 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Wortprotokoll

  1. Wie viele Mitteilungen hat das Sozialamt jeweils in 2016 und 2017 (letzter Stichtag) von den Amtsgerichten über Räumungsklagen gegen BewohnerInnen, die in welchen Postleitzahlgebieten im Bezirk Mitte wohnhaft sind, erhalten ?

 

  1. In wie vielen Fällen kam es in 2016 und 2017 (letzter Stichtag) anschließend zum Vollzug der Räumungen (bitte angeben nach Postleitzahlgebieten)?

Herr BzStR Gothe antwortet: Der Bezirksamt sind durch Gerichtsvollzieher im Jahr 2016 561 Zwangsräumungen zugegangen, im Jahr 2017 bis dato 459. Eine statistische Erfassung der Hinweise der Gerichtsvollzieher wird nicht vollzogen, nach Postleitzahlen kann nicht sortiert werden. Wir erhalten keine Meldungen über den Vollzug von Ordnungen und können da auch nicht nach Postleitzahlen sortieren.

 

  1. Wie viele der betroffenen Personen aus 2016 und 2017, welche anschließend vom Sozialamt angeschrieben wurden, sind ebenda vorstellig geworden zur Beseitigung der Mietschulden?

Herr BzStR Gothe antwortet: „Das geschieht, sobald wir erfahren, dass der Gerichtsvollzieher uns über eine Zwangsräumung informiert hat. Auch dazu gibt es keine statistische Erfassung, können aber einschätzen, dass etwa die Hälfte der angeschriebenen Personen sich bei uns meldet und vorstellig wird, um über die Beseitigung von Mietschulden beraten zu werden.“

 

  1. Was unternimmt das Jugendamt nach Eingang der Information vom Sozialamt über Haushalte mit Kindern, die eine Räumungsmitteilung erhalten haben?

Herr BzStR Gothe antwortet: „ Hier ist es so, dass es seit 2010 eine Vereinbarung zwischen Sozialamt und Jugendamt gibt, um die Zuständigkeitsabgrenzung zu definieren. Im geschützten Marktsegment und bei der vorbeugenden Obdachlosigkeit allein die Fachstelle für Obdachlosenhilfe des Sozialamtes zuständig ist. Das gilt auch für Familien mit Kindern, die dort beraten werden. Die Feststellung der Wohnfähigkeit obliegt auch dieser Fachstelle. Wenn im Regionalen Sozialen Dienst des Jugendamtes Familien bereits bekannt sind, bei denen es diese Problematik gibt, wird auch die Beratung zur Unterstützung an die Eltern vollzogen. Wenn das gelingt, können die betroffenen Familien auf Antrag in das geschützte Marktsegment aufgenommen werden und die Fachstelle für Obdachlosenhilfe erarbeitet dann entsprechende Stellungnahmen. Bei einer positiven Prognose zur Erhaltung des Wohnraums gibt es die Möglichkeit, eine Wohnung im Rahmen des zur Verfügung stehenden Kontingents zu erhalten.

 

  1. Nach dem ASOG ist eine vorübergehende Wiedereinweisung in den eigenen Wohnraum bei MieterInnen nach erfolgter Räumungsklage möglich. Hierzu frage ich:

a)     Wie oft hat das Bezirksamt dieses Instrument in den letzen Jahren angewandt und wenn nein, warum nicht?

b)    Welche Stellen im Bezirksamt wären für die Wiedereinweisung zuständig?

c)       Gelingt es dem Bezirksamt immer, sofort Unterkünfte für Wohnungslose zu besorgen (insb. für Familien) ohne Wartezeit?

d)    Welche Gegebenheiten nach welcher Rechtsprechung müssten erfüllt sein, um eine vorübergehende Wiedereinweisung zur Abwendung von Obdachlosigkeit in den eigenen Wohnraum als Bezirk vorzunehmen?

e)     Welche Schritte hat das Bezirksamt unternommen, um mit der Senatsverwaltung für Soziales die rechtlichen Hürden für die Wiedereinweisung in Wohnraum nach ASOG zu senken, da diese zweifellos kostengünstiger ist für den Bezirk als die Zahlung von hohen Tagessätzen für ASOG-Unterkünfte?

Herr BzStR Gothe antwortet: Es sind bislang keine Wiedereinweisungen durchgeführt worden, weil die rechtlichen Voraussetzungen dafür nicht als gegeben angesehen werden. Zuständig ist die [] der Fachstelle für Obdachlosenhilfe.

Die Wiedereinweisung in eine solche Wohnung wird als Beschlagnahmung in der Rechtsprechung gewertet. In der gängigen Rechtsauffassung wird das Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht als gewahrt gesehen, weshalb wir diese harte Art und Weise nicht durchsetzen wollten. Wir haben hierzu bislang auch noch keine Schritte mit SenSoz besprochen, wie man beispielsweise durch Gesetzesänderung die Möglichkeit der Wiedereinweisung verbessern könnte. Hier sei nochmal darauf hingewiesen, dass wir in der Strategiekonferenz zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit auch eine Arbeitsgruppe für Prävention einrichten werden, in der wir bezirksübegreifend mit der Senatsverwaltung für Soziales solche Dinge erörtern werden. Ich schlage vor, dass wir das zeitnah im Ausschuss für Gesundheit und Soziales mit auf die Tagesordnung nehmen, was in der ersten Sitzung in dieser Konferenz zu diesem Themenfeld überlegt wird.

 

Herr BV Kurt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt fest, dass die Fragen nicht zufriedenstellend beantwortet seien. Er erkundigt sich zudem ergänzend, ob die zugeteilten Mittel dem Beschluss der BVV entsprechend verwendet werden. Herr BzStR Gothe erklärt, dass auf Grundlage der Breifwechsel in den Jahren 2016 und 2017 Statistiken gefertigt werden könnten, wäre aber ein erheblicher Aufwand. In der Beantwortung war gemeint, dass es keine statistisches Erfassungssystem gibt. Bezüglich der Kindeswohlgefährdung gibt es eine Schnittstelle mit dem Jugendamt, die sehr wichtig ist. Die Vereinbarung beinhalte, dass das Sozialamt die Federführung habe. Bei Kindeswohlgefährdung werde mit oberster Priorität gearbeitet. Aus seiner Amtszeit sei ihm keine Familie mit Kindern bekannt, die bei Zwangsräumung auf der Straße oder in der Kältehilfe landete. Er können sich auch nicht vorstellen, dass das eintreten könnte.

 

Frau BzStRätin Dr. Obermeyer ergänzt in Bezug auf die Kindeswohlgefährdung, dass der Ansatz der Vereinbarung sei, dass der alleinige Tatbestand, das Wohnungslosigkeit drohe, keine Kindeswohlgefährdung auslöse, die ergänzend das Jugendamt in die Pflicht rufe. Eine pauschale Antwort könne es nicht geben. Die Zusammenarbeit des Sozialamtes mit dem Jugendamt ist gut und wichtig.

 

Herr BV Hauptenbuchner von der Fraktion der SPD erfragt beim Bezirksamt, ob eine systematische und auf Statistiken begründete Auswertung ein sinnvoller Ansatz sei, um präventiv und automatisierter zu arbeiten und Fragen dazu qualitativer beantworten zu können. Herr BzStR Gothe stimmt dem zu. Die neue Amtsleitung werde mit einem wissenschaftlichen Anspruch herangehen, um die Prozesse in der Tiefe besser zu verstehen und neue Wege beschreiten zu können. Es werde nicht angenommen, dass sich bei denjenigen, die keine Beratung gesucht haben, die Probleme auflösten. Das Sozialamt ist jedoch nicht in der Lage, aufsuchende Beratung zu leisten.

 
 

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