Auszug - Untersuchung Anwendung § 172 BauGB Quartier Lehrter Straße (DS 1052/III) BE: Bezirksamt, Büro TOPOS  

 
 
64. öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Sanieren, Bauen und Bebauungspläne
TOP: Ö 7.1
Gremium: Stadtentwicklung Beschlussart: erledigt
Datum: Mi, 21.09.2011 Status: öffentlich/nichtöffentlich
Zeit: 17:30 - 21:05 Anlass: ordentlichen Sitzung
 
Wortprotokoll
Beschluss

Herr Gude (TOPOS) erläutert anhand einer Powerpoint-Präsentation

Herr Gude (TOPOS) erläutert anhand einer Powerpoint-Präsentation. Die Präsentation wird den Ausschussmitgliedern in Kürze zugeleitet.

 

Herr Dr. Schumann fragt nach der Erhebungsmethodik und warum es nicht möglich war, eine Mietenentwicklung festzustellen.

Herr Gude antwortet, dass die Untersuchung nicht auf Basis einer Befragung erstellt wurde, vielmehr sollte erst einmal geprüft werden, ob überhaupt Tendenzen bestehen, welche eine Beauftragung einer umfangreicheren Studie rechtfertigen würde. Insofern wurden lediglich vorhandene zugängliche Quellen genutzt (Grundbuch, Einwohnermelderegister, Hochrechnung über die Sozialstruktur usw.).

 

Es wird dargelegt, dass eine Erfassung der Mieten zunächst nicht zu einer erheblich anderen Einschätzung führen würde, da diese nur dann für eine mögliche Erhaltungssatzung relevant wäre, wenn die Mietentwicklungen im Zuge von Modernisierungsmaßnahmen stattgefunden hätten. Diese Modernisierungsmaßnahmen konnte man im Gebiet zur Zeit kaum feststellen. Deshalb hat man bereits im Vorfeld entschieden, dass die Voraussetzungen für eine Milieuschutzsatzung derzeit noch nicht gegeben sind, da man die absehbaren Entwicklungen im Gebiet mit dieser Satzung nicht oder nur wenig beeinflussen wird.

 

Herr Gothe bezieht sich auf die Möglichkeit einer Umwandlungsschutzverordnung und führt dazu aus, dass der Senat eine neue Schutzfristregelung in fünf Bezirken (u.a. in Mitte) eingeführt hat. Laut dieser Regelung besteht die Möglichkeit der Eigenbedarfskündigung erst nach sieben Jahren (statt nach drei Jahren). Insofern wurde ein Schutzinstrument angewandt, welches jedoch keine Umwandlungsschutzverordnung darstellt. Herr Gothe fragt nach dem Unterschied zwischen der Umwandlungsschutzverordnung und dem, was der Senat angewandt hat.

 

Herr Gude legt dar, dass die Umwandlungsschutzverordnung den klassischen Bestand an Mietern nur beschränkt schützt. Die Möglichkeit, diesen Teil der Umwandlungsverordnung innerhalb des § 172 BauGB zu aktivieren, ermöglicht den Verbot des Verkaufes an Nicht-Mieter.

 

Herr Gothe legt dar, dass mitgeteilt wurde, dass eine Umwandlungsschutzverordnung nicht in Frage kommt, weil der Bestand nicht umgebaut werden soll. Bei der Milieuschutzsatzung ist dies jedoch nicht sicher, da im Mittelbereich der Lehrter Straße ein neues Wohnquartier entstehen wird, welches vermutlich eine Eigendynamik entfalten wird. Ferner gibt es eine Vielzahl von Sozialwohnungen, wo die Bindungsfristen auslaufen. Beides zusammengenommen lässt die Vermutung zu, dass in diesem Gebiet eine Milieuveränderung stattfinden wird.

Herr Gothe spricht sich für eine Milieuschutzsatzung in diesem Gebiet aus und teilt mit, dass die faktischen Tendenzen zwar noch nicht greifbar, jedoch durchaus zu vermuten sind.

 

Herr Gude führt aus, dass eine Milieuschutzverordnung eben nicht darauf abhebt, sozial einzugreifen. Sollten dort tatsächlich Änderungen stattfinden, würde die Milieuschutzverordnung trotzdem keinerlei Einflussmöglichkeiten bieten, da diese nicht auf normale Mietverträge einwirken sowie auch keine Mietobergrenzen setzen könnte. Die Milieuschutzverordnung kann nur eingreifen, wenn bauliche Maßnahmen stattfinden. Man geht davon aus, dass die größere Attraktivität des Gebietes, welche sich bereits abzeichnet, mit einer Mietentwicklung  sowie der Veränderung der Sozialstruktur verbunden sein wird.

Selbst wenn die neuen Wohnungen von Haushalten mit einem höheren Einkommen bewohnt werden, würde dies nicht dazu führen, dass der jetzige Bestand durch Modernisierung erheblich aufgewertet wird, da die Nachfrage mit dem jetzigen Bestand durchaus befriedigt werden kann.

 

Herr Schulze legt dar, dass eine sture Durchsetzung des Milieuschutzes gar keine Veränderungen zulässt. Deshalb sollte der Milieuschutz aufgeweicht werden, so dass überhaupt ein Milieu (aufgeteilt in „gehobene“, „mittlere“, „untere“ Schicht) entstehen kann. Natürlich müssen gewisse soziale Wohnungsbaubestände miet- und belegungsgebunden erhalten bleiben, jedoch müssen bauliche Veränderungen insofern stattfinden, dass beispielsweise auch Gewerbe für die „mittlere“ und „gehobene“ Schicht geschaffen wird. Er ist der Ansicht, dass der Milieuschutz Veränderungen verhindert, welche soziale und bauliche Vorteile mit sich bringen.

 

Herr Gude teilt mit, dass das Gebiet am Kollwitzplatz beispielsweise seit über zehn Jahren im Milieuschutz steht und trotzdem Veränderungen vollzieht. In allen Milieuschutzgebieten bestehen erhebliche Veränderungen, auch bauliche.

 

Herr Bausch fragt nach, ob in der Karte des Untersuchungsgebietes die Lage der Großeigentümer lokalisiert ist. Ferner fragt er nach, ob nennenswerter landeseigener oder öffentlicher Grundstücksbesitz im Gebiet besteht. Sollte dieser bestehen, ist nicht auszuschließen, dass das Land diesen Besitz veräußert und daraufhin innerhalb kurzer Zeit mehrgeschossige Bauten entstehen. Er legt dar, dass die Lehrter Straße durch die Großstruktur Hauptbahnhof extrem gefährdet ist. Demnach ist zu befürchten, dass die vorhandenen funktionierenden Strukturen nicht umgebaut, sondern abgerissen und ersetzt werden. Man muss weiterhin davon ausgehen, dass auch im höchsten Maße städtebauliche Verdichtungen durch Aufstockungen stattfinden.

Herr Bausch spricht sich deshalb  für eine Milieuschutzsatzung aus.

 

Es wird dazu ausgeführt, dass sich die Wohnungsbestände kaum in öffentlicher Hand befinden. Am südlichen Ende der Lehrter Straße befinden sich Neubauwohnungen, welche in privater Hand sind. Die Bindungen für diese Neubauten laufen im Jahre 2016 aus.

Ferner wird erläutert, dass weiterhin ein großer Bestand an Neubauwohnungen am nördlichen Ende der Lehrter Straße existiert, welcher in diesem Jahr aus der Bindung gefallen ist. Diese Wohnungen sind teilweise genossenschaftlich sowie auch zum Teil privat organisiert.

 

Herr Gude erklärt, dass sich die Milieuschutzsatzung lediglich auf Wohngebäude beziehen würde. Ferner wird ausgeführt, dass die Milieuschutzsatzung zwar ein Verbot einer Umnutzung zulässt, jedoch könnte eine Zweckentfremdungsverbotsverordnung dieses Problem direkter angehen.

Herr Gude führt aus, dass eine Milieuschutzsatzung einer Begründung bedarf, jedoch lässt sich keine ausreichende städtebauliche Begründung finden.

 

Frau Hilse teilt mit, dass die BVV aus dem ursprünglichen Antrag (Drs. 2052/III) einen Prüfantrag formuliert hat. Dies war die richtige Vorgehensweise, da eine bloße Festsetzung vermutlich wenig zielführend gewesen wäre

Frau Hilse fragt nach dem weiteren Prüfverfahren. Sie wendet sich an das beauftragte Büro (TOPOS) sowie an das BA und fragt nach, wie diese Problematik künftig behandelt werden soll.

 

Herr Gude führt dazu aus, dass das Gebiet weiterhin beobachtetet werden sollte. Jedoch hätte es keinen Zweck, zum jetzigen Zeitpunkt eine größere Untersuchung durchzuführen, da die Bindungen noch nicht ausgelaufen und mögliche Veränderungen noch nicht deutlich sichtbar sind.

 

Auf eine weitere Nachfrage von Herrn Dr. Schumann wird ausgeführt, dass die Altbauten erst vor kurzer Zeit instandgesetzt wurden, auch die Sozialwohnungen sind relativ neu und weisen einen guten Standard auf. Wenn man in diesen Bestand verbessernd eingreifen wollte, müsste man erhebliche Investitionen vornehmen, welche auch zu erheblichen Mietsteigerungen führen würden, ohne dass die Wirtschaftlichkeit damit verbessert wird. Deshalb wird nicht erwartet, dass die Käufer der Gebäude in den aktuellen Bestand eingreifen wollen. Es ist für die vorhandenen Eigentümer viel lukrativer, den Mieterhöhungsspielraum in diesem Gebiet mit dem vorhandenen Bestand auszunutzen.

 

Herr Gothe bestätigt die Aussage von Herrn Gude. Er führt in Bezug auf den BVV-Beschluss (Drs. 2052/III) aus, dass das BA auf dieses Ersuchen antworten wird, dass die gutachterliche Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen ist, dass eine Satzung nach §172BauGB zur Zeit nicht begründbar ist. Insofern bleibt nichts anderes übrig, als dieses Ersuchen in zwei Jahren erneut aufzurufen um zu prüfen, ob neue Tendenzen im Gebiet erkennbar sind.

 

Anschließend wird von Herrn Jugl (Bezirksleiter Berliner Mietervereins Mitte) berichtet, dass in dem Gebiet bereits eine Strukturveränderung vollzogen wurde, er verweist auf den Neubau von zahlreichen Hotels in der Lehrter Straße, welche einen erheblichen Einfluss auf die dortige Wohnqualität mit sich bringen. Er teilt mit, dass beispielsweise die Stadtmission das Seniorenwohnhaus abschaffen möchte, um dafür eine andere Nutzung zu schaffen. Die Befürchtung der Bewohner besteht darin, dass sich überwiegend Hotels, Gaststätten und Büros in der Lehrter Straße ansiedeln, wenn die Belegsbindung für die Wohnungen ausläuft.

Herr Jugl legt dar, dass eine Milieuschutzsatzung nicht erst dann realisiert werden sollte, wenn „das Kind in den Brunnen gefallen ist“. Erfahrungswerte belegen, dass insbesondere ehemalige Sozialwohnungen für derartige Zwecke genutzt werden.

Er weist außerdem darauf hin, dass eine Umwandlungsverordnung nur dann möglich ist, wenn das Gebiet zum Milieuschutzgebiet erklärt wurde.

 

Herr Gude legt dar, dass eine Umwandlungsverordnung derzeit nicht viel bringen würde, da eine Umwandlung der Wohnungen (aus den 70er und 80er Jahren) nicht vollzogen werden kann, da diese noch nicht verkäuflich sind. Er führt erneut aus, dass das Hauptproblem darin liegt, eine Begründung für eine Milieuschutzsatzung zu finden.


 

 
 

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