Auszug - "Spracherwerb an den Schulen im Bezirk" (Fortführung der Diskussion aus dem letzten Sonderausschuss, ca. 90 min.)  

 
 
4. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Moderne Schulen in Mitte
TOP: Ö 3.2
Gremium: Moderne Schulen in Mitte Beschlussart: erledigt
Datum: Mo, 08.06.2009 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 19:20 Anlass: ordentlichen Sitzung
 
Wortprotokoll

Frau Samuray, Jugendhilfeplanerin, führt aus, dass der Vortrag von Herrn Köpnick in der letzten Sitzung einige Diskussionen im

Frau Samuray, Jugendhilfeplanerin, führt aus, dass der Vortrag von Herrn Köpnick in der letzten Sitzung einige Diskussionen im Jugendbereich ausgelöst hat. Sie möchte den Mitgliedern die Situation der Sprachförderung, aus der Sicht des Jugendamtes, darlegen. Dem Jugendamt ist bekannt, was die Risikofaktoren für mangelnden Bildungserfolge sind. Das ist zum einen die bildungsferne der Familien, ein niedriger sozioökonomischer Status der Familien durch fehlende Berufsausbildung oder Erwerbslosigkeit, geringe Teilhabe am kulturellen Leben und unzureichende bzw. mangelhafte Deutschkenntnisse. Über 50 % der Kinder von 0 bis unter sechs Jahren leben in Hartz IV-Familien. Neben Pankow hat der Bezirk Mitte noch eine steigende Kinderzahl. Über 11 % aller Kinder der Altersgruppe 0 bis sechs Jahren lebt in Mitte. Daraus erwächst sich auch der Auftrag, wie hier die Bildung realisiert werden muss. Im Bezirk Mitte gibt es 137 Träger, die ein Kita-Angebot in 200 Einrichtungen realisieren. In der Altersgruppe drei bis unter sechs Jahren sind knapp 90 % aller Kinder in einer Kita. Die wesentliche Bildungsförderung in dieser Altersgruppe erfolgt ganz deutlich auch im Kitarahmen. Die Mehrheit dieser Kinder sind Mehrsprachler. Sie gelten entweder als Deutsche mit Migrationshintergrund oder als Ausländer. Man kann nicht mehr davon ausgehen, dass man es mit Minderheitengruppen zu tun hat. Es geht also immer um die Frage, welche Bildung erfahren die Kinder und Jugendlichen in unserem Bezirk, unabhängig vom Hintergrund. ¾ aller Kinder im Bezirk Mitte besuchen länger als zwei Jahre die Kita. Damit liegt der Bezirk 10 % unter dem Berliner Durchschnitt. Über 50 % der Kinder haben entweder sehr schlechte oder mangelhafte Deutschkenntnisse. Laut „Bärenstark“ sind die Zahlen sogar noch höher. Dort wird gesagt, dass 70 % der Kinder einen Förderbedarf haben. Frau Samuray merkt weiterhin an, dass der Erstspracherwerb bis zum vierten Lebensjahr abgeschlossen ist. In der Altersspanne zwischen 1 ½ und 4 Jahren muss die Förderung in der Muttersprache, also zwischen Eltern und Kindern, viel stärker präferiert werden. Das Sprachlerntagebuch ist in allen Kindertagesstätten verpflichtend umzusetzen und anzuwenden, die eine Finanzierung erfahren. Es hat also keinen Beliebigkeitscharakter, sondern ist wesentlicher Bestandteil des Aufgabenbereichs einer Kita. Die 10 % der Kinder, die nicht vor Schuleintritt in einer Kita sind, werden automatisch ein Jahr vor Schulbeginn erfasst, die Eltern angeschrieben und verpflichtet, Ihre Kinder zu einem einjährigen Vorbereitungskurs/Sprachkurs in ausgewählte Kitas zu bringen. Vom gesetzlichen Rahmen her ist gewährleistet, dass jedes Kind vor Schuleintritt eine Sprachförderung erfährt. Das Jugendamt wirkt, bezogen auf die Sprachförderung und der Gestaltung eines sinnvollen Übergangs, u.a. in sieben Netzwerkgruppen in Kooperation mit dem Schulbereich und den Kitas. Im letzten Jahr gab es den Versuch, die Ergebnisse des Sprachlerntagesbuches, die Dokumentation, noch stärker in den Schulalltag zu bringen. Inwieweit dieses gefruchtet hat, werden die Praktiker später erläutern. Frau Samuray möchte abschließend festhalten, dass es nichts hilft, wenn man sich auf einen Bereich fokussiert. Man muss die Sprachförderung in allen Bereichen der Bildungsinstitutionen denken und umsetzen. Das geht im Kitabereich los und muss sich bis in die Oberschule ziehen. Auch ist es notwendig, dass bei diesem Thema in gemeinsamer Verantwortung gedacht wird und nicht nur in Zuständigkeiten. Nur wenn es gelingt, gemeinsame Ziele zu formulieren und umzusetzen, wird man sich in dieser Frage verbessern können.

 

Herr Dr. Knape hat nach diesem Vortrag den Eindruck, dass alles im Lot ist. Er hätte gerne genauer gewusst, wo sich denn etwas verbessern müsste.

 

Herr Allendorf merkt an, dass diese Frage sicherlich durch einen der anderen Vorträge beantwortet wird.

 

Frau Graß, Kitaleiterin, teilt mit, dass im Jahr 2000 festgestellt wurde, dass für die Sprachförderung in den Kindertagesstätten mehr Geld für die Ausbildung der Qualifizierung der Erzieherinnen ausgegeben werden sollte. Es wurde erkannt, dass gerade im Altbezirk Wedding der Migrationsanteil der Kinder stetig stieg, dass es Schwierigkeiten mit den Kindern und der deutschen Sprache gab, dass der Erwerb der Sprache immer schwieriger wurde und dass die Kinder massive Schulprobleme hatten. Mit der Qualifizierung der zuständigen Erzieher sollte dem Einhalt geboten werden. Mit einem Sprachinstitut wurden mehrere Projekte entwickelt, wo Erzieherinnen freiwillig verschiedene Ausbildungen und Schulungen zum Erwerb der Fähigkeit, Kindern weitere Sprachförderungen zukommen zu lassen, erlangen konnten. Betroffen waren alle Kitas, die einen Migrationshintergrund von 75 % hatten. Nach einer gewissen Zeit wurde dann das Sprachlerntagebuch eingeführt, das sich dann auch gut etabliert hat. Auch die Kinder sind sehr stolz, wenn die Erzieherinnen dort eintragen, welche Worte als erstes gesprochen wurden und die Biografie Stück für Stück aufgebaut wird. Als schwierig zeichnet sich noch immer das Interview mit den Eltern aus, die teilweise angst haben, über Probleme zu sprechen. Ab dem dritten Lebensjahr der Kinder wird mit dem Sprachlerntagebuch gearbeitet. Im Bezirk Mitte gibt es noch den Sprachkoffer, wo verschiedene Projekte über bestimmte Bilder und Wörter erarbeitet werden können. Für die Erzieherinnen ist klar beschrieben, welche Wörter zu einem bestimmten Projekt dazugehören. Das ist eine Reflektion und teilweise eine Evaluierung für jede Kollegin, die dann sehen kann, wie weit sie mit ihrer Arbeit und den Kindern gekommen ist und worauf sie ein stärkeres Augenmerk legen muss. Im Vorschulbereich wird in einigen Kitas altershomogen gearbeitet. Ein Jahr, bevor die Kinder in die Schule kommen, gibt es das Würzburger Trainingsprogramm, was sich sehr gut in den Einrichtungen etabliert hat. Im Bereich der Vorschule gibt es weiterhin ein Sprachlerncomputer von Microsoft und den Sprachlerncomputer vom BIZ 21. Auch die Bibliotheken bieten verschiedene Kooperationen für die Kitas an. Der Jugendgesundheitsdienst hat Angebote mit Sprache und Musik. Das Quartiersmanagement bietet auch immer wieder Möglichkeiten zur Sprachförderung an. Für die Kitas besteht immer noch die Frage, ob „Deutsch Plus“ wirklich der richtige Sprachtest für die Kinder ist. Die meisten Erzieher fanden, dass Bärenstark weitaus umfangreicher ist und qualifizierter Aussagen gibt über den Stand der Kinder. Viele Kinder kommen einfach viel zu spät in die Kita mit dem Förderbedarf, der durch „Deutsch Plus“ nunmehr festgestellt wurde. Die Kindertagesstätten können diesen Bedarf gar nicht decken. Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Eltern kein Sprachvorbild, kein Bildungsvorbild mehr sind und sehr wenig Interesse an der Arbeit der Kitas und am Erfolg ihrer Kinder zeigen. Die Kinder werden in die Kita abgegeben und damit auch die Verantwortung.

 

Herr Straub, Kindergärten City, ergänzt, dass es seit 2006 die Situation gibt, dass durch die Vorverlegung des Einschulungszeitraumes auch der Förderzeitraum in den Kitas um ca. ein halbes Jahr verkürzt wird. Somit ist das Vorschuljahr eines der wichtigsten Entwicklungsetappen der Sprachförderung, da diese Institutionen noch frei sind von Leistungsdruck und Benotung, die bei den Kindern eine Stresssituation erzeugt. Sprache ist ein spontanes Verhalten und vergleichbar mit dem kindlichen Spiel. Kein Kind kann zum Spielen gezwungen werden und auch nicht zum Sprechen. Es müssen Situationen geschaffen werden, die es den Kindern ermöglichen, mit Freude das Ausdrucksmittel Sprache zu verwenden. Der Eigenbetrieb Kindergärten City hat eine Umfrage bei seinen Einrichtungen mit mehr als 75 % Kindern nichtdeutscher Herkunftssprache durchgeführt, bei der folgende Ergebnisse mitgeteilt wurden: Ein wesentlicher Einflussfaktor für ein Gelingen der Sprachentwicklung ist die Art und Weise, wie das Kind in die institutionalisierte Erziehung eintritt. Somit ist die Eingewöhnungssituation ein besonders wichtiger Faktor. Ein weiterer Faktor ist darin zu sehen, wie die Strukturierung in den Kindergruppen aussieht. Es gibt Einrichtungen, wo eine Menge unterschiedlicher Sprachen (chinesisch, mongolisch, arabisch, türkisch) vorhanden sind. In diesen Gruppen ist die Chance, dass sich deutsch als „Amtssprache“ durchsetzt, vergleichsweise groß, da die deutsche Sprache dort den gemeinsamen Nenner bildet. Die Ansätze der Sprachförderprogramme werden in den Einrichtungen vielfältig erprobt und haben mit Sicherheit auch eine positive Wirkung. Dennoch ist klar, dass der Förderungskontext nur dann gegeben ist, wenn die Erzieherinnen eine kleine Gruppe in die Sprachförderung einbezieht. Fünf bis maximal sechs Kinder bilden eine Einheit, die eine sinnvolle Förderung ermöglichen. Die Gruppenstärken liegen in der Regel jedoch höher. Und nicht immer ist es durch organisatorische Maßnahmen der Kitaleitung zu gewährleisten, dass täglich ausreichende Zeiten zur Verfügung stehen, diese kleinen Settings zusammen zu stellen. Somit findet die Sprachförderung an dieser Stelle nur bedingt statt, wenn sich 15 Kinder eine Erzieherin teilen müssen. Auch die Begleitung durch die Familie ist ein Gesichtspunkt. Herr Straub stellt die Behauptung auf, dass jeder Lehrer oder Erzieher nur in dem Maße erfolgreich sein wird, wie die eigene Bemühung durch das Elternhaus unterstützt wird. Weiterhin gibt es Gruppensituationen, wo die Kinder so gut wie keine deutschen Sprachkenntnisse haben und die Erzieherin die Aufgabe hat, sich mit diesen Kindern kommunikativ in Beziehung zu setzen. In der durchgeführten Erhebung ist aber auch zutage getreten, dass bei einer kontinuierlichen Förderung über mehrere Jahre, ca. 80 % bis 90 % der Kinder durchaus ausreichende Sprachkenntnisse haben, um in die Schule einzutreten. Bei besseren strukturellen Voraussetzungen könnten diese Zahlen und die Ergebnisse noch besser ausfallen. In jedem Fall handelt es sich um eine Situation, die nicht zufrieden stellen kann.

 

Herr Lundkowski bezieht sich auf die Sprachlerntagebücher und fragt nach, ob die Einschätzung richtig ist, dass diese Sprachlerntagebücher wenig aussagekräftig sind. Und zwar deshalb, weil die Erzieherinnen nicht genügend Zeit haben, um die Sprachlerntagebücher wirklich ordentlich und intensiv zu führen.

 

Frau Graß teilt mit, dass die Sprachlerntagebücher in ihrer Einrichtung regelmäßig geführt werden. Das beinhaltet auf der einen Seite, dass die Eltern diese Sprachlerntagebücher in der Schule abgeben, was leider bei vielen Eltern mit Migrationshintergrund sehr schwierig ist. Auf der anderen Seite haben viele Lehrer signalisiert, dass sie gar keine Zeit haben, sich die Sprachlerntagebücher für jedes Kind genau anzusehen. In einigen Gruppen ist es jedoch so, dass die Sprachlerntagebücher nicht ganz so geführt werden können, wie es eigentlich gewollt ist. Die Einführung läuft nunmehr seit drei Jahren. Aber erst in einem Jahr werden die Sprachlerntagebücher aussagekräftig sein.

 

Herr Straub ergänzt, dass das Sprachlerntagebuch durch und durch ressoucenorientiert ist. Es wird nicht oder wenig auf Defizite abgestellt. Auch eine Bewertung gibt es nicht. Somit unterscheidet sich der vorschulische Ansatz vom schulischen in der Weise, dass auf eine Notengebung jedweder Art verzichtet wird. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Erzieherinnen aufgrund der Anwendung des Sprachlerntagebuches durchaus die Gelegenheit haben, Wahrnehmungen über die altersgemäße Entwicklung der Sprache bei den Kindern zu machen. Durch den Vergleich innerhalb der Gruppe kann festgestellt werden, wo die stärksten und schwächsten Kinder sind. Sollten dann in einem Alter zwischen drei und vier Jahren Auffälligkeiten festgestellt werden, wird sie selbstverständlich in Zusammenarbeit mit den Eltern und/oder ggf. mit den medizinischen Diensten initiativ werden.

 

Herr Dr. Knape merkt an, dass es die Feststellung gab, dass nur 50 % der Sprachlerntagebücher bei den Grundschullehrern ankommen. Was kann man tun, damit dieser Anteil erhöht wird. Weiterhin fragt er beim Bezirksamt nach, was an der Behauptung dran ist, dass nicht genügend Kitaplätze (Sprachstandsmessung) vorhanden sind. Es wäre sicherlich quatsch, die Kita auf der einen Seite verpflichtend zu machen und auf der anderen Seite ist der Laden zu.

 

Frau Graß führt aus, dass es bei den Sprachlerntagebüchern auch um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit geht. Die Eltern können oft nicht einschätzen, was die Lehrer mit den Sprachlerntagebüchern anfangen. Haben möglicherweise die Kinder dadurch Nachteile. Auf jeden Fall muss man Verständnis dafür haben, dass Eltern mit Migrationshintergrund nicht so bereit sind, solche Dinge preisgeben zu wollen.

 

Herr Straub kann über die Zahlen keine genauen Angaben machen. Die Schulen und Kindertageseinrichtungen sind vom Gesetzgeber aufgefordert, die Zusammenarbeit verstärkt zu entwickeln. Bisher wurde der Bereich zwischen Kita und Schule vernachlässigt. Die Lehrer/innen sollten vor Beginn des ersten Schuljahres die Kindertagesstätten besuchen bzw. einladen, um das Vertrauensverhältnis zu stärken. Das wird zeitlich sicherlich nicht immer einfach sein.

 

Herr Fritsch führt aus, dass es für die Sprachstandsmessungen keine Stellen gibt. Die Sprachstandsmessungen werden in den Kindertagesstätten durchgeführt. Es ist vorgesehen, dass die Erzieherinnen ihre Tätigkeit evaluieren. Und zu den Qualitätsmerkmalen gehören auch die Frage nach der Sprachstandsfeststellung und das Führen der Sprachlerntagebücher. Zukünftig ist ausdrücklich eine Stelle für die Qualitätssicherungsaufgaben vorgesehen. Aber es gibt keinen Sanktionsmechanismus. Betreffend der Sprachlerntagebücher gibt es bislang keine rechtliche Regelung, die gestattet, dass die Sprachlerntage automatisch/systematisch an die Grundschulen gehen.

 

Frau Schauer-Oldenburg fragt nach, ob vor der Beschulung Gespräche zwischen Lehrern und Eltern geführt werden, mit gezielten bzw. individuellen Fördervorschlägen. Weiterhin hätte sie gerne gewusst, ob es auch Kitainspektionsberichte gibt und ob man diese einsehen könnte.

 

Frau Graß teilt mit, dass die Vorschulerzieherinnen mit den Eltern Gespräche führen, welche Schulen in Frage kommen könnten. Betreffend der Kontrolle führt Frau Graß aus, dass diese durch die interne Evaluation stattfindet. Zum Ende diesen Jahres bzw. zum Anfang nächsten Jahres findet auch eine externe Evaluation statt.

 

Frau Schauer-Oldenburg fragt nach, ob dann die Möglichkeit besteht zu sehen, aus welchen Kindertagesstätten Kinder mit großen oder größeren Sprachdefiziten kommen.

 

Frau Graß merkt an, dass dies schwierig sein wird, da die Berichte nicht veröffentlicht werden. Wenn die Träger und ihre Kindertagesstätten den Erfolg nicht aufzeichnen, kann die Senatsverwaltung zusätzliche Gelder streichen.

 

Herr Straub regt an, dass auch die Kindertagesstätten eine Rückmeldung bekommen, welche und/oder wie viele Kinder am Ende des ersten, zweiten oder dritten Schuljahres die Phase nicht gut durchlaufen haben. Die Erzieherinnen erfahren nie, wie erfolgreich sie waren. Das kann natürlich auch in anonymisierter Form geschehen (z.B. von fünf Kindern haben zwei das Ziel nicht erreicht). Das sagt sicherlich nicht aus, wo der Fehler lag, aber zumindest gibt es einen Hinweis, dem man nachgehen sollte.

 

Herr Trinte fragt nach, ob es nicht sinnvoller wäre, zukünftig wieder Bärenstark als einzigen Test einzuführen, da der Test Deutsch Plus nicht so aussagekräftig ist.

 

Frau Graß stimmt zu, dass mit dem Test Bärenstark qualifizierte Aussagen möglich sind.

 

Frau Dr. Stiller fragt nach, ob man bei einer ganztägigen Förderung über drei Jahre lang in gemischten Gruppen in der Lage wäre, einen ganz anderen Prozentsatz als heute mit Sprachkenntnissen auszustatten, der das Erreichen eines mittleren Schulabschlusses ermöglicht.

 

Frau Graß führt aus, dass sie selbst diese Drei-Jahres-Grenze als fraglich ansehen würde. Denn das würde bedeuten, dass die Kinder mit zwei Jahren in die Einrichtung kommen. Sie wäre dafür, die Kinder zwischen 1 und 1 ½  Jahren in die Kitas zu geben, damit der Erwerb der deutschen Sprache und gleichzeitig der Heimatsprache möglich ist.

 

Herr Fritsch führt zur Nachfrage von Herrn Dr. Knape aus, dass dafür das Jugendamt dem Jugendhilfeausschuss die Kitaentwicklungsplanung vorgelegt hat. In dieser Entwicklungsplanung hat das Jugendamt ausdrücklich darauf hingewiesen, in welchen Regionen, in welchen Stadtteilen Bedarfe sind. Das ist ein Signal an den Eigenbetrieb, an die freien Träger, hier neue Kindertagesstätten zu eröffnen und Plätze nachzuweisen bzw. die Platzzahlen zu erhöhen soweit es die Betriebserlaubnis hergibt.

 

Frau Schwerkolt, Schulleiterin der Hermann-Herzog-Schule, merkt an, dass sie die Arbeit der Kitaerzieherinnen ausdrücklich anerkennt und auch sieht, unter welchen schwierigen Bedingungen sie ihre Arbeit leisten. Sie führt zur Spracherfahrung aus, dass die meisten Kinder, wenn sie in die Schule kommen, einen sehr geringen Wortschatz haben. Selbst die eigenen Körperteile können nicht richtig bezeichnet werden (z.B. das Bein ist der Fuß). Sie kennen oftmals nicht das Knie und auch nicht den Ellenbogen. Vielleicht, weil sie nicht sehr oft auf die Knie gefallen sind, da sie nicht rausgehen zum Spielen. Baumarten können von den Kindern ebenfalls nicht unterschieden werden bzw. sie können sich die Namen nicht merken, weil sie vielleicht nicht oft genug auf einen Baum geklettert sind oder keine Kastanien gesammelt haben. In der Schulanfangsphase gehen die Lehrer mit den Kindern so oft es geht nach draußen, um dort Erfahrungen zu sammeln und diese mit den Kindern besprechen, verarbeiten und aufschreiben. Das weitere Problem besteht darin, dass die Kinder mit Migrationshintergrund die Körperteile und Bäume auch nicht in der Muttersprache kennen. Auch die Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Eltern muss noch weiter ausgebaut werden. Die Eltern müssen noch mehr beraten werden. In den bildungsfernen Familien werden keine familiären Tischgespräch geführt, man redet nicht miteinander. Deshalb haben sie sehr mangelhafte Erfahrungen. Weiterhin haben die Kinder im jahrgangsübergreifenden Lernen die Möglichkeit, in einer flexiblen Lernzeit das zu lernen, was man in drei Jahren lernen soll. Frau Schwerkolt verteilt an die Mitglieder das Sprachförderkonzept der Hermann-Herzog-Schule. In der ersten Klasse wird an der Wortschatzerweiterung und an einfachen Sätzen gearbeitet. Dann kommt das mündliche Erzählen in den Mittelpunkt und das Verfassen und Verstehen von Texten. Dabei geht es nicht nur um literarische Texte sondern auch um diskontinuierliche Texte (Fahrplan, Statistik u.a.). In der sechsten Klasse geht es dann noch um das Präsentieren. Die Texte sind eine schwierige Klippe für die Kinder. Wenn geschrieben steht, „Braunkohle wird im Tagebau abgebaut“, dann können die Kinder diesen Satz nicht verstehen, da die meisten Kinder noch nie Braunkohle gesehen haben und nicht wissen, was Tagebau ist. Auch gibt es Schwierigkeiten bei der Passivform. Die meisten Kinder mit Migrationshintergrund sprechen so nicht. Das kann nur durch Fortbildung sensibilisiert werden. An der Hermann-Herzog-Schule ist der Fortbildungsstand relativ hoch. Somit werden diese Dinge im Fachunterricht beachtet.

 

Frau Heyne, Schulleiterin James-Krüss-Schule, führt aus, dass es ihrer Schule wichtig ist, dass weiter zu führen, was in den Kindertagesstätten aufgebaut wird. Deshalb hat sich die Schule an dem Pilotprojekt Gemeinschaftsschule beteiligt. Frau Heyne wünscht sich, dass die Eltern verpflichtet werden, das Sprachlerntagebuch an die Grundschule weiter zu geben. Im Netzwerk Kita und Schule Moabit West wurde dies auch schon besprochen, aber leider traut sich keiner so recht ran. Vielleicht könnte die BVV entscheiden, dass der Bezirk dies als Vorreiter in Berlin durchsetzt. An der James-Krüss-Schule gibt es 82 % Schüler nicht deutscher Herkunft aus 30 verschiedenen Nationen. 275 sind von der Lernmittelzuzahlung befreit. Die Schüler werden halbjährlich getestet und dementsprechend gefördert und gefordert. Auch erhalten die Eltern halbjährlich eine Mitteilung, wo ihr Kind zurzeit steht. Weiterhin hat die Schule das große Glück, dass das Projekt Elternlotsen Mitte an der Schule durchgeführt wird. Es wurde auch schon geschafft, dass bei einer Elternversammlung 92 % der Eltern teilgenommen haben. Das ist für die Schule ein großer Erfolg, da sonst nur zwei oder drei Eltern anwesend sind. Die Anzahl der Kinder in der Gruppe A, das sind Schüler, die dem Unterricht ohne große Probleme folgen können, beträgt 35 von insgesamt 360 Schülern. In der Gruppe B sind Schüler, die Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben und daher dem Unterricht nur mit großen Problemen folgen können. In der Gruppe C, Schüler, die sehr große Probleme haben, dem Unterricht zu folgen, sind 289 Schüler, die auch gefördert werden. Das Sprachförderband würde man gerne mit noch mehr Stunden besetzen, die aber leider nicht zur Verfügung stehen. Dennoch wird versucht, ein Fundament in die Schulanfangsphase zu geben, wo jeden Tag in jeder Klasse eine Sprachförderstunde durchgeführt wird. In der Klassenstufe fünf und sechs wird ein Schwerpunktunterricht für die leistungsstärkeren Schüler durchgeführt, aber leider stehen auch hier nicht genügend Stunden zur Verfügung, so dass diese Schüler oft hinten runter fallen. Die Kooperation mit den Kindertagesstätten stellt sich so dar, dass die Kinder in die Schule kommen und sich die Räumlichkeiten ansehen können. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit entwickelt sich dann auch ein Verhältnis zu Schule. Leider ist dies aber nicht mit allen Kindertagesstätten in der Umgebung möglich. Im Rahmen des Pilotprojektes hat die James-Krüss-Schule kein Einzugsgebiet mehr. Rund 60 Eltern haben sich trotzdem für die Schule entschieden.

 

Herr Allendorf bedankt sich bei den Vortragenden für die Informationen. Die aufgeworfenen Fragen, Anregungen und Empfehlungen werden von den Mitgliedern in den jeweiligen Fachausschüssen diskutiert.

 
 

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