Auszug - Angebote des sozialpsychiatrischen Dienstes für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Personen mit psychischen Störungen, BE: Herr Koziolek (Psychiatriekoordinator)  

 
 
12. öffentliche/nichtöffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit
TOP: Ö 6.2
Gremium: Soziales und Gesundheit Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 14.11.2017 Status: öffentlich/nichtöffentlich
Zeit: 17:30 - 20:10 Anlass: ordentlichen Sitzung
Raum: Sitzungsraum 121
Ort: Karl-Marx-Allee 31, 10178 Berlin
 
Wortprotokoll

Herr Koziolek berichtet anhand einer Powerpoint-Präsentation. Er sagt zu, diese im Nachgang den Ausschussmitgliedern zur Verfügung zu stellen.

 

 

 

 

Herr BV Kurt (Grüne) dankt für die Ausführungen und fragt nach, wie man herausfinde, ob jemand seelisch krank sei, ob es Leistungstypen (nach 52 und 67) gebe? Gebe es eine Clearing-Stelle, wo ein/e Betroffene/r hingehe? Des Weiteren fragt er nach, ob Mitarbeiter*innen den Tiergarten aufgesucht haben? Er fragt weiter, warum Anträge zurückgezogen werden?

Herr Koziolek teilt mit, dass die Zugehörigkeit zum Personenkreis zu 53 der SPD feststelle, Facharzt für Psychiatrie.

Herr Marien teilt ergänzend mit, dass die Zugehörigkeit zum Personenkreis zu 67 nicht in ärztlicher Hand liege, sondern in der sozialen Wohnhilfe, die dann eine entsprechende Bedarfsprüfung durchführen.

 

Der Vorsitzende, Herr Lötzer, fragt nach, was getan werde, wenn jemand aus seinem Umfeld eine Person meldet? Wie gehe das Amt damit um, um zu helfen? Herr Koziolek teilt mit, dass sich ein Mensch in einer Steuerungsrunde den Fragen von 25 Mitarbeitern stellen müsse. Trägervertreter geben ihre Kapazitäten preis. Dort müsse der Betreffende von seiner psychischen Erkrankung berichten. Besser wäre es, wenn das für ihn ein Vertreter macht.

Des Weiteren vermittelt er, dass das nachbarschaftliche Umfeld einen psychisch Kranken melden kann. Angebotene Hilfe müsse niemand annehmen, das sei des Menschen gutes Recht. Wenn keine Gründe für eine Zwangsunterbringung oder Zwangseinweisung vorliegen, dafür benötige man einen rechtlichen Betreuer oder Psychiatrischen Dienstes, dann werde man diesen Menschen nicht habhaft. Das sei zum großen Teil eine Tragödie. Mitarbeiter des SPD können diese Menschen nicht aufsuchen, weil es keine Kapazitäten gebe. Auch reiche das Personal nicht aus. Konzeptionell sei das nicht vorgesehen. Wenn Menschen nicht in der Lage seien, zum SPD zu kommen, werden sie aufgesucht.

 

Herr Krull vom Warmen Otto vermittelt, dass die Zusammenarbeit zwischen psychiatrischer Hilfe und der wohnungslosen Hilfe nicht funktioniere. Das sei nicht nur in Mitte der Fall, sondern in ganz Berlin. In seiner Einrichtung gebe es viele wohnungslose Menschen, die psychisch krank seien. Im vorgestellten Beitrag gehe es um Menschen, die bereit seien, sich helfen zu lassen und die bereit seien, die Krankheit an zu gehen. Es gebe aber sehr viele Menschen, suchtkranke in der wohnungslosen Hilfe, die krankheitsbedingt keine Krankheitseinsicht haben. Da gebe es wenig Bereitschaft, auf diese Menschen zuzugehen. Herr Krull bemerkt, dass die aufsuchende Arbeit, Straßensozialarbeit, offene Sprechstunden des sozial-psychiatrischen Dienstes in Einrichtungen der Wohnungslosen, Aufsuchen von psychisch Kranken in ASOG-Einrichtungen fehle. Auch fehlen Angebote einer Mischform, eine verlässliche Kooperation. Mitte habe keinen Kooperationsvertrag zwischen der Fachstelle Wohnungsnotfallhilfe und den Eingliederungshilfen. Alle Menschen werde man nicht zur Therapie bringen, aber man müsse versuchen, an diese Menschen heran zu kommen. Augenblicklich sei die Hemmschwelle sehr hoch.

 

Herr Koziolek freut sich, dass Herr Krull in der PSAG mitarbeite. Mitte habe das Glück, dass mindestens 4 Träger im Bereich Eingliederungshilfe mitarbeiten, die sowohl im 53er Bereich als auch im 67er Bereich unterwegs seien.

 

Frau BV Dr. Freikamp (DIE LINKE) meint, dass es über viele Jahre Kürzungen gegeben habe, sehe sie auch eine Möglichkeit der Nachsteuerung, ein Mustergesundheitsamt zu schaffen. Sie fragt nach, ob es Zahlen gebe, dass Menschen nach einer Behandlung wegen psychischer Störungen in Maßnahmen bleiben? Herr Koziolek vermittelt, dass der Anstieg der benötigten Plätze im Bereich Eingliederungshilfe enorm sei. 2009 gäbe es 6000 Plätze im Bereich entgeltfinanzierte Trägerstrukturen. Mittlerweise seien es 11.000 Plätze berlinweit, weil die Menschen immer länger in den Hilfen mit immer niedrigeren Hilfsbedarfsgruppen verweilen und immer mehr Menschen ins System zusätzlich hinzukommen. Auf Landesebene beobachte man, dass die Verweildauer in den Hilfemaßnahmen steige und der Abfluss aus dem Bereich Eingliederungshilfe insbesondere dann, wenn er an Wohnraum gekoppelt sei (Trägerwohnraum, therapeutisches Wohnheim, Übergangswohnheim, intensivbetreutes Wohnen) deutlich langsamer geworden sei. Alle diese Menschen beziehen Sozialhilfeleistungen oder Arbeitslosengeld II, seien also gebunden an die Vorgaben der AV Wohnen für Wohnraum. Sie finden keinen normalen Wohnraum mehr. Es gab Zeiten, da hatte man im Bereich 67 die Wohnungen an diese Menschen weitergegeben. Auch in der Jugendhilfe sei das vorbei.

Frau Dr. Freikamp fragt nach, da es Wohnungskündigungen gebe und ob die Träger bedroht seien, Wohneinheiten zu verlieren und dass es Schwierigkeiten gebe, sie zu erhalten, ob es Lösungen gebe? Herr Koziolek bejaht und teilt mit, dass das verschiedene Gründe habe. Er beobachte in der Steuerung, dass die Träger sehr genau schauen, wen sie in so einen Wohnkontext aufnehmen. Sie seien Pflichtversorger und müssen die an sie übermittelten Menschen unterbringen. Sie schauen aber ganz genau hin, ob sie gefährden, denn es handele sich nicht um einfache Menschen, sondern sie seien laut, schreien, werfen auch mal etwas aus dem Fenster oder kleben bei den Nachbarn mit Sekundenkleber die Türschlösser zu und sonstige Sachen. Seit einigen Jahren laste ein hoher sozialer Druck auf sie, dass der Vermieter etwas unternehme. Der Paritätische Wohlfahrtsverband habe vor einiger Zeit unter den Einrichtungen der Behindertenhilfe und Suchthilfe, Jugendhilfe abgefragt, wo diese Menschen wohnen. 70% der Trägerwohnkontexte seien nicht bei städtischen Wohnungsbaugesellschaften, sondern in Privathand. Sie haben kaum Steuerungsmöglichkeiten bei den Trägerwohnkontexten, sondern es handele sich um Wohnungen, die damals in großen Kontingenten angemietet wurden (in Wohnlagen, wo man nicht so gern wohnen möchte). Das ändere sich jetzt.

 

Herr BV Radloff-Gleitze (SPD) meint, dass in den 90er Jahren massiv stationäre psychiatrische Betten abgebaut und das Ganze auf den ambulanten Bereich gebracht wurde. Im Rahmen von Zuwendungen seien die Bezirke dafür zuständig, diese Zuwendungen nach dem Psychiatrieentwicklungsplan weiter zu geben. Er fragt nach, ob die zur Verfügung gestellten Mittel ausreichend seien? Des Weiteren fragt er nach, wie die Arbeit zu den Berliner Krisendiensten der einzelnen Bezirke sei? Herr Koziolek teilt mit, dass der Berliner Krisendienst in Regionen aufgeteilt sei. Die zentrale Zuwendungsbearbeitung laufe über den Bezirk Charlottenburg. Damals hatte man sich darauf geeinigt, beim ersten Standort in Charlottenburg auch die Hoheit für die Zuwendungssachbearbeitung zu halten. Der Krisendienst bilde Regionalgremien und ein Bezirksgremium. Das Bezirksgremium tagt einmal im Jahr in Charlottenburg beim Stadtrat für Gesundheit und Soziales. Dort vertrete Herr Koziolek als Psychiatriekoordinator den Standort Mitte einmal im Jahr mit Herrn Gothe oder ohne Herrn Gothe. Die Regionalgremien finden regelmäßig statt. Dort trifft sich der Krisendienst mit dem Psychiatriekoordinator und einigen Akteuren aus der psychosozialen Hilfelandschaft und bespricht die aktuellen Tendenzen. Der Krisendienst habe eine Präsenz, die die sozialpsychiatrischen Dienste nie erreichen werden. Für die chronische Unterfinanzierung der Zuwendungsempfänger PEP wurde Abhilfe geschaffen, da zusätzliche Mittel für die nächsten Jahre für die Angleichung der Entgelte (Tariferhöhung) und auch für zusätzliche Mittel für die geflüchteten Menschen in diese Trägerkonstrukte fließen werden. Ob das auskömmlich sei, könne Herr Koziolek nicht sagen. In Mitte gebe es eine hohe Dichte an Beratungsstellen. In anderen Bezirken sei das nicht so. Man könne selbst wenig steuern.

Herr Dr. Schleese teit ergänzend mit, dass Mitte das erste Mal eine Situation habe, dass durch den Ausbau der Strukturen, Mitte nun nicht mehr der Kostenstruktur des Berliner Durchschnitts entspreche und deshalb im Minus stehe. In den nächsten Jahren werde ein immer größer werdendes Haushaltsproblem entstehen. Einen Teil kenne man aus dem körperlich geistigen Bereich. Es sei bekannt, dass es möglicherweise Steuerungsmöglichkeiten gebe. Im seelischen Bereich waren in den letzten Jahren die Kosten eher unterdurchschnittlich. Deshalb habe Mitte sogar „Gewinn“ gemacht. Dieses Jahr habe man zum ersten Mal die Situation, dass jetzt „Verluste“ produziert werden. Die Betreuung sei teurer als im Berliner Durchschnitt.

Abschließend vermittelt Herr Koziolek, dass allen klar sein müsse, dass Eingliederungshilfe hohe Kosten verursache. Alle Maßnahmen, die in Bewegung seien, müssen initial begutachtet werden, bewertet werden, begutachtet werden, nachbegutachtet werden, folgebegutachtet werden. Das sei ein ernster Apparat und ein hoher Aufwand, der dahinterstecke und der nicht nur auf der Seite der Fachdienste eine Rolle spiele, sondern auch im Bereich Soziales immense Kapazitäten fordere.

 

Frau BV Stein (Grüne) fragt nach, warum die Protokolle aus dem Psychiatriebeirat nicht mehr verschickt werden? Herr Koziolek vermittelt, dass alle Beiratsmitglieder die Protokolle erhalten. Er schlägt vor, ihm eine E-Mail zu senden, damit der Verteiler erweitert werden könne.

 

Der Vorsitzende, Herr Lötzer, dankt im Namen des Ausschusses für die Vorstellung und für die Beantwortung der gestellten Fragen.

 
 

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