Stolpersteine Düsseldorfer Straße 74

Hausansicht Düsseldorfer Str. 74

Diese Stolpersteine wurden gespendet von Dr. Astrid Strack (Berlin), der Tochter von Vera Klopsch und Enkelin von Else Golinski. Sie sind am 16.6.2016 verlegt worden. Das Haus Düsseldorfer Straße 74, aus dem die Frauen obdachlos wurden, ist im Zweiten Weltkrieg zerbombt worden. Die Stolpersteine zum Gedenken an Mutter und Tochter sind an der Straßenecke Uhlandstraße verlegt.

Die Stolpersteine zum Gedenken an Paul und Hilde Böhm wurden am 23.3.2017 auf Wunsch der Nachkommen, besonders der Enkeltochter von Arthur Heidemann, Maya Mosler-Cohen, in ihrer und ihres Mannes Volkhard Mosler Anwesenheit sowie von Daisy Dowleh und Denise Robbins aus New York, den beiden in New York lebenden Töchtern von Ursula Heidemann-Dowleh, sowie weiteren Familienmitgliedern in Israel und Australien verlegt.

Stolperstein Else Golinski

HIER WOHNTE
ELSE GOLINSKI
GEB. SCHINDLER
JG. 1872
DEPORTIERT 20.11.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 13.3.1943

Else Golinski, geb. Schindler, wurde am 8. September 1872 in Breslau geboren. Sie war mit dem Kaufmann Norbert Golinski verheiratet gewesen, der am 16. Oktober 1924 starb. Sie noch wohnte jahrelang in der Fasanenstraße 55 im 3. Stock, ihre letzte eigene Wohnung war in der Düsseldorfer Straße 74 in Berlin-Wilmersdorf. Das Haus, in dem Else Golinski bis 1940 als „Kaufmannswitwe“ gemeldet war, wurde von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) beschlagnahmt. Sie hatte eine Tochter Vera, geboren am 4. November 1894 in Berlin, die Friedirch Wilelm Klopsch heiratete und am 9. Februar 1944 nach Theresienstadt deportiert wurde, wo sie den Holocaust überlebte.

Abgeholt wurde Else Golinski am 10. November 1942 in Schöneberg in der Westarpstraße 3 und zunächst ins Sammellager Große Hamburger Straße 26, ein ehemaliges jüdisches Altersheim, getrieben. Von dort ist sie am 20. November 1942 mit einem von den Nazi-Behörden so genannten „Alterstransport“ vom Anhalter Bahnhof in einem verschlossenen Waggon nach Theresienstadt deportiert worden. Sie war gerade 70 Jahre alt geworden. Im Ghetto ist sie am 13. März 1943 ums Leben gekommen.

Stolperstein Vera Klopsch

HIER WOHNTE
VERA KLOPSCH
JG . 1894
DEPORTIERT 9.2.1944
THERESIENSTADT
BEFREIT

Vera Erna Leonie Klopsch, geb. Golinski, die in Berlin am 4. November 1894 geboren ist, war die Tochter von Else Golinski. Sie war in einer von den Nazis so genannten „Mischehe“ mit dem Kaufmann Friedrich Wilhelm Klopsch, geboren am 18. Oktober 1886, verheiratet, 1924 kam die Tochter Astrid zur Welt. Die Ehe wurde jedoch unter Zwang 1934 geschieden, womit Vera Klopsch nicht mehr geschützt, sondern „vogelfrei“ war.

Als Bewohnerin der Düsseldorfer Straße 74 war im Adressbuch eine Frau namens B. Klopsch angegeben, die 1939 als Eigentümerin eines anderen Hauses genannt war. Vera Klopsch, die Bankangestellte war, verwaltete tatsächlich zeitweise ein Mietshaus, was sie als ihren Beruf ansah. Im Nachhinein sind die verwirrenden Fakten kaum aufklärbar.

Deportiert wurde Vera Klopsch im Februar 1944. Welcher Tag es war, ist Astrid Strack geb. Klopsch, nicht erinnerlich. Sie weiß jedoch noch, dass sie „in einer uns zugewiesenen Wohnung“ an der Grunewaldstraße/Ecke Kaiserallee (heute Bundesallee) zusammen mit Stella Goldschmidt und deren Freund von Gestapoagenten festgenommen worden ist. Sie habe ihre Mutter selbst zum Sammellager in die Große Hamburger Straße begleitet, drehte aber rechtzeitig um und wurde nicht festgehalten, sondern überlebte.

Vera Klopsch wurde nach Angaben der Tochter nach Theresienstadt deportiert. Es war am 9. Februar 1944, wie aus der Deportationsliste hervorgeht, in der sie als „Arbeiterin“ – vermutlich war sie Zwangsarbeiterin – mit der letzen Anschrift Berliner Straße 14 eingetragen war. In den in Theresienstadt archivierten Dokumenten ist ihr Name allerdings nicht enthalten. Sie hat mit 50 Jahren die Befreiung erlebt und das Lager überlebt. Nach einer Liste des Roten Kreuzes ist sie im Sommer 1945 nach Berlin heimgekehrt. Sie wurde als Opfer des Faschismus (OdF) anerkannt und ihr wurde eine lebenslange “Wiedergutmachung” aufgrund eines Gesundheitsschadens infolge körperlicher Schwerstarbeit zuerkannt.

Die ihrer Tochter gesandten Karten aus Theresienstadt und sonstige Nachweise ihres Lebens im Ghetto hat Vera Klopsch nach dem Zweiten Weltkrieg vernichtet.

Text: Helmut Lölhöffel nach Berichten von Astrid Strack (91 Jahre alt, Berlin). Quellen: Bundesarchiv, Adressbuch, Deportationsliste, Familienerinnerungen.

Stolperstein Paul Böhm

HIER WOHNTE
PAUL BÖHM
JG.1895
DEPORTIERT 14.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 22.10.1942

Stolperstein Hilde Böhm

HIER WOHNTE
HILDE BÖHM
GEB. HEIDEMANN
JG.1911
DEPORTIERT 7.12.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Bei den fünf Menschen, die in diesen beiden Häusern (Nr.72 und Nr.74) lebten, geht es um Angehörige der Familie von Georg Heidemann (1884-1936), einem von vier Brüdern von Arthur Heidemann (1891-1942). Von den fünf Brüdern Hermann, Benno, Arthur, Max und Georg besaß der älteste, Georg, ein Elektrogroßhandelsgeschäft in der Uhlandstraße 58 (Ecke Düsseldorfer Straße) in Wilmersdorf. Er und seine Frau Lisbeth, geb. Danziger, hatten zwei Töchter, Hilde (1911-1943) und Ursel (1916-2003).

Hilde Heidemann, geboren am 10. August 1911 in Berlin, heiratete 1936 den wohlhabenden Geschäftsmann Paul Böhm, geboren am 16. März 1895 in Zempelburg (Westpreußen), sie wohnten in der Düsseldorfer Straße 74 in einer geräumigen 5-Zimmer-Altbauwohnung. Anfang 1942 beschlagnahmte die Gestapo die Wohnung, samt der meisten Möbel und Wertsachen, um selbst dort einzuziehen. Hilde und Paul wurden in ein „Judenhaus“ in der Xantener Straße 2 eingewiesen.

Ihre Großmutter Selma Danziger lebte nebenan in der Düsseldorfer Straße 72. Die Deportation der Berliner Juden begann zwar schon im Oktober 1941, aber die „Rüstungsjuden“, zu denen auch Lisbeth und Hilde gehörten, blieben zunächst „unbehelligt“. Als erste wurde am 24. Juli 1942 die Großmutter Selma geholt und mit einem von den nationalsozialistischen Bürokraten so genannten „Alterstransport“ nach Theresienstadt gebracht. Sie packte ihren Koffer in der Annahme, es ginge in einen Sanatoriumsaufenthalt. Am 18. August 1942 kam sie in Theresienstadt um.

Im August erfuhren Paul und Hilde von ihrer bevorstehenden Deportation and beschlossen, in den Untergrund zu gehen. Sie kamen zunächst bei Verwandten und Bekannten in Berlin unter und besorgten sich gefälschte Ausweise. Als nächster ging Paul bei der Suche nach einer Unterkunft in Steglitz ins eng geknüpfte Netz der Menschenjäger. Ein Polizist erkannte ihn wegen seiner Körpergröße und auffälligen Erscheinung auf offener Straße. Am 14. September 1942 wurde er zunächst nach Theresienstadt deportiert. Von dort wurde er am 6. Oktober 1944 nach Auschwitz gebracht und sofort ermordet. Hilde und ihre Mutter Lisbeth kamen eine Zeitlang in Luckenwalde außerhalb Berlins unter. Beide wurden Ende November 1943 verraten und am 7. Dezember 1942 von Berlin nach Auschwitz gebracht und dort sofort ermordet.

Am 3. Dezember 1942 schrieben Hilde und Lisbeth aus dem Berliner Übergangslager in der Großen Hamburger Straße 26 noch eine Postkarte an ihre jüngere Schwester Ursel, die zu diesem Zeitpunkt bereits ihr erstes Kind Robert geboren hatte. Sie machten sich Sorgen, ob die Zurückgebliebenen und ihr Baby den großen Bombenangriff vom 22./23. November 1943 heil überstanden hätten.

bq. Mit Ausnahme des Schicksals meines Großvaters Arthur Heidemann und dessen damaliger Frau und Kind war bis vor wenigen Jahren nicht zu ahnen, wie die rassistische Mordmaschine der Nazis in unserer Familie gewütet hat. Meine Mutter Selma Heidemann und ihr Bruder Hermann (Zwi) haben nicht darüber gesprochen und ich habe als junge Frau nicht gefragt. Vor zwei Jahren haben wir erfahren, dass eine Cousine meiner Mutter den Holocaust überlebt hat und dass ich zwei Cousinen zweiten Grades in New York habe,

sagte Maya Mosler-Cohen zu der Stolpersteineverlegung.

Text: Maya Mosler-Cohen (Frankfurt a.M.)

Zu der Stolpersteinverlegung an der Düsseldorfer Straße 74 hielt Maya Mosler-Cohen (Frankfurt a.M.) diese Ansprache:

bq. Hier verlegen wir vor ihrer früheren Wohnung die Stolpersteine für Paul Böhm und Hilde Böhm, geb. Heidemann.
Ich stütze mich bei meiner Erzählung jetzt auf das bereits erwähnte Interview mit Ursel Heidemann-Dowleh sowie ein Interview mit Alfred Böhm, dem Bruder von Paul. Alfred hat mit Hilde und Paul hier zusammengewohnt und hat in der Illegalität in Berlin überlebt.
Hilde und Paul lernten sich schon 1928 in einem Berliner Großbetrieb kennen. Paul war dort als Manager tätig, Hilde als Stenotypistin.
1936 heiratete Hilde dann den wohlhabenden Geschäftsmann Paul
Böhm. Sie wohnten gleich nebenan in der Düsseldorfer Straße 74 in
einer geräumigen 5-Zimmer-Altbauwohnung, zusammen mit Pauls Bruder Alfred.
Die beiden Brüder hatten ein enges Verhältnis miteinander. Paul besaß neben mehreren Immobilien und einer Baufirma u.a. eine Yacht am Stößersee, ein Sommerhaus in Gatow und eine Luxuslimousine. Nach 1938 blieben ihm nur noch persönliche Wertsachen.
Die Deportation der Berliner Juden begann zwar schon im Oktober 1941, aber die „Rüstungsjuden“, zu denen auch Lisbeth und Hilde gehörten, wurden zunächst zurückgestellt. Anfang 1942 beschlagnahmte die Gestapo die Wohnung, samt der meisten Möbel und Wertsachen, um einen SS-Offizier dort einziehen zu lassen. Hilde, Paul und Alfred wurden in ein „Judenhaus“ in der Xantener Straße 2 eingewiesen.
Im August 1942 erfuhren Paul, Hilde und Alfred von ihrer bevorstehenden Deportation und sie beschlossen, in den Untergrund zu gehen. Sie kamen zunächst bei Verwandten und Bekannten in Berlin unter und besorgten sich gefälschte Ausweise.
Als nächster ging Paul bei der Suche nach einer Unterkunft in Steglitz am 3. September 1942 den Menschenjägern ins Netz. Ein Polizist erkannte ihn wegen seiner Körpergröße und auffälligen Erscheinung auf offener Straße. Am 14. September 1942 wurde er
zunächst nach Theresienstadt deportiert. Von dort wurde er am 6. Oktober 1944 nach Auschwitz gebracht und sofort ermordet.
Ursel drängte nach Pauls Deportation darauf, dass auch die Mutter Lisbeth Heidemann mit in den Untergrund genommen wird. Auch sie erhielt falsche Papiere und verließ die Düsseldorfer Straße 72.
Hilde und Alfred lebten als Geschwister zusammen und alle drei kamen eine Zeitlang in Luckenwalde außerhalb Berlins unter.
Hilde arbeitete unter dem Decknamen Hilde Banger als Stenotypisten in einem nahen Rüstungsbetrieb, Lisbeth, auch unter falschem Namen, in einer Luckenwalder Hutfabrik.
Beide wurden um den 20. November 1943 verraten und am 7.12.42 mit dem von den NS-Behörden so bezeichneten 47. Osttransport von Berlin nach Auschwitz gebracht und dort sofort ermordet. Am 3. Dezember schrieben Hilde und Lisbeth aus dem Übergangslager in der Großen Hamburger Straße 26 in Berlin noch eine Postkarte an ihre jüngere Schwester, bzw. Tochter Ursel, die zu diesem Zeitpunkt bereits ihr erstes Kind (Robert)geboren hatte. Sie machten sich Sorgen, ob die Zurückgebliebenen und das Baby den großen Bombenangriff vom 22./23. November 1943 heil überstanden hätten.
Alfred Böhm konnte sich knapp dem Zugriff der Häscher entziehen, weil ihn der Wirt eines Gasthauses, das zugleich Treffpunkt der drei war, gewarnt hatte. Zu Alfred Boehm und seine Mitarbeit in einer Widerstandsgruppe gibt es bereits eine Dokumentation in der Gedenkstätte Stille Helden.